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Ex-Geheimdienst-Chef Peter Regli: «Ein IS-Verbot alleine bringt nicht viel» 

Auch in der Schweiz hat der Islamische Staat Sympathisanten.
Auch in der Schweiz hat der Islamische Staat Sympathisanten.Bild: AP/Raqqa Media Center of the Islamic State group
Dschihadisten in der Schweiz

Ex-Geheimdienst-Chef Peter Regli: «Ein IS-Verbot alleine bringt nicht viel» 

In der Schweiz konnten drei mutmassliche IS-Terroristen verhaftet werden. Der Nachrichtendienst des Bundes schweigt zum Fall. Dafür sagt sein Ex-Chef Peter Regli, was er von der Sache hält.
25.09.2014, 06:3925.09.2014, 15:10
Antonio Fumagalli / aargauer Zeitung
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Aargauer Zeitung

Herr Regli, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von den drei inhaftierten mutmasslichen IS-Terroristen hörten? 
Peter Regli
: Nicht sehr viel. Eigentlich habe ich heute, im Vergleich zu letztem Sonntag, keine neuen, bestätigten Fakten vernommen. Man soll nun den Nachrichtendienst, die Bundeskriminalpolizei und die Bundesanwaltschaft ganz einfach in Ruhe arbeiten lassen.  

Es sind gemäss Angaben des «Tages-Anzeigers» doch immerhin drei Männer in Haft, die in der Schweiz einen Anschlag planten. Hat die Öffentlichkeit da nicht ein Anrecht auf mehr Informationen? 
In dieser Phase der Untersuchung noch nicht. Für die Angehaltenen gilt unter anderem auch die Unschuldsvermutung. Würden unsere Behörden nun umfassend informieren, könnten weitere potenzielle Straftäter gewarnt werden. Die laufenden Untersuchungen würden somit stark gefährdet. Gehen Sie davon aus, dass diejenigen Personen, die informiert sein müssen – also zum Beispiel VBS-Chef Ueli Maurer oder Justizministerin Sommaruga – dies auch sind. Wenn es später etwas zu sagen gibt, wird dies der Bundesrat zu gegebenem Zeitpunkt zweifellos tun. 

Offenbar kam im aktuellen Fall der entscheidende Tipp von einem ausländischen Geheimdienst. Wie rege ist die Zusammenarbeit mit den Partnerdiensten? 
Wir leben in einer Zeit von asymmetrischen Bedrohungen, dazu gehört auch die totalitäre, menschen- und frauenverachtende Ideologie von islamistischen Extremisten. In solchen Zeiten ist kein Land fähig, der Bedrohung alleine Herr zu werden – erst recht jetzt, wo viele Gotteskämpfer aus dem Krieg heimkehren und sich dank ihren EU-Pässen im ganzen Schengen-Raum frei bewegen können. 

Zwischen den Nachrichtendiensten ist es ein Geben und Nehmen. Der Schweizer Dienst ist aber verhältnismässig klein und zudem streng kontrolliert. Können wir überhaupt etwas anbieten? 
Über die Kontakte und den Austausch unter Nachrichtendiensten spricht man in der Öffentlichkeit grundsätzlich nicht. 

Wie muss man sich das eigentlich vorstellen? Was passiert genau, wenn ein Hinweis von einem ausländischen Geheimdienst eintrifft? 
Zum genauen Vorgehen kann ich mich nicht äussern. Es ist immer ein Abwägen. Nicht bei jeder Information muss man den Departementsvorsteher nachts um drei Uhr aus dem Bett klingeln. 

Der frühere Divisionär Peter Regli war von 1991 bis 1999 Direktor des Schweizerischen Nachrichtendienstes. 2000 wurde er vom Bundesrat in den vorzeitigen Ruhestand entlassen. Der 70-Jährige lebt in de ...
Der frühere Divisionär Peter Regli war von 1991 bis 1999 Direktor des Schweizerischen Nachrichtendienstes. 2000 wurde er vom Bundesrat in den vorzeitigen Ruhestand entlassen. Der 70-Jährige lebt in der Nähe von Bern. Bild: KEYSTONE

Es gibt Stimmen, die ein Verbot von Terrororganisationen ins neue Nachrichtendienstgesetz integrieren wollen. Macht das Sinn? 
Ein Verbot alleine bringt nicht viel. Man muss es dann auch noch umsetzen können. Möglicherweise ist es gar kontraproduktiv, da solche Organisationen dann erst recht abtauchen und es noch schwieriger wird, sie zu überwachen. Ein Verbot ist eine eher hilflose Massnahme. Damit könnte man eine extremistische Gruppierung nicht abschaffen. 

Was braucht es dann? 
Dem Nachrichtendienst des Bundes müssten endlich mehr Mittel gegeben werden. Ein wichtiger Schritt würde mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz gemacht. Nationale Sicherheit gibt es nicht gratis. Im Ausland existieren inzwischen beispielsweise eigentliche Zentren nur für die Abwehr gegen Cyberkriminalität und Terrorismus. Auch diesbezüglich sind wir stark im Hintertreffen. 

Jetzt auf

Zeigt nicht gerade der aktuelle Fall, dass alles gut läuft und kein Handlungsbedarf besteht? Die mutmasslichen Terroristen sind ja in Haft. 
Und wie viele laufen noch frei herum? Wir wissen es nicht. Der aktuelle Fall, sofern die Fakten stimmen, ist nichts, worauf man stolz sein und sich beruhigt zurücklehnen kann. Vielleicht hat man hier auch ganz einfach Glück gehabt. 

Sind wir in der Schweiz noch sicher? 
Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten sind wir in der Schweiz immer noch sehr sicher. Unsere nationale Sicherheit ist ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg. Wenn ich persönlich an einen bevölkerten Ort gehe, schaue ich mich aber immer zuerst etwas um – auch hinter meinen Rücken. Das ist aber vielleicht etwas «déformation professionnelle». Als ehemaliger Kampfpilot weiss ich, dass die Gefahr meistens von hinten kommt. In den letzten Jahrzehnten ist insbesondere die Politik mit unserer Sicherheit verantwortungslos umgegangen und hat Nachrichtendienst, Armee, Polizei und Grenzwachtkorps nicht die für die heutigen Herausforderungen benötigten Mittel gesprochen. 

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