Gegen die USA ist es endlich so weit: Unser neustes Stürmer-Juwel Breel Embolo erhält seine ersten Einsatzminuten bei den Grossen im roten Dress mit dem weissen Kreuz. Seinen Super-League-Einstand beim FC Basel – erstes Tor nach zwei Minuten gegen Aarau – kann der Youngster zwar nicht toppen, mit solchen Aktionen setzt er allerdings bereits ein erstes Ausrufezeichen:
Seit den Rücktritten von Rekordtorschütze Alex Frei und Uns-an-die-WM-2006-Ballerer Marco Streller ist der Nati-Sturm über Jahre zur mit Abstand grössten Baustelle mutiert. Jetzt ist diese endlich geschlossen – und könnte sogar eine neue an gleicher Stätte nach sich ziehen.
Neben dem aufstrebenden Embolo haben wir mit Josip Drmic, Haris Seferovic und Admir Mehmedi gleich drei gestandene Herren in der Offensiv-Abteilung. Wenn Vladimir Petkovic nicht den Fussball revolutionieren und auf eine 4-2-4-Formationen umsteigen wird, werden zwangsläufig ein bis drei dieser Hochkaräter auf der Bank Platz nehmen müssen.
Und dann wird ein Problem auftauchen, das sonst eigentlich nur die grossen Fussballnationen (oder sind wir das längst?) kennen: Das «Bei der Stange halten». Es allen recht zu machen, wird für den in letzter Zeit nicht gerade mit herausragenden kommunikativen Fähigkeiten brillierenden Petkovic (siehe die Causae Schwegler und Barnetta) zur Mammutaufgabe.
Natürlich gehört Xherdan Shaqiri zu den aktuell besten unserer Nati-Akteure. Natürlich ist er ein herausragender Fussballer. Natürlich ist er für uns unentbehrlich. Aber genau das würde den Inter-Legionär eigentlich dazu verpflichten, als Vorbild für die «Minder-Talentierten» zu fungieren. Was er leider noch immer nicht gänzlich tut.
Nach einem missglückten Pass eines Teamkollegen die Hände zu werfen und stehen zu bleiben, anstatt abzuwinken und weiterzukämpfen, ist so ziemlich das Letzte, was man von einem Profi-Spieler sehen will.
Aus der Emotion heraus darf einem mal ein böses Wort über die Lippen entfleuchen, die eine oder andere abfällige Handbewegung liegt ebenfalls drin. Aber wenn diese Reaktion fast schon zur Gewohnheit wird, gepaart mit diesem vermaledeiten Stehenbleiben, dann muss der Betroffene dringendst über die Bücher.
Gökhan Inler ist seit Jahren Chef im Mittelfeld, Chef auf dem Platz, Chef in der Nati. Diese klare Rollenverteilung ist wichtig: Auf dem Platz koordiniert der Chef das Spiel, neben dem Platz die Stimmung im Team.
Jetzt könnte die interne Teamhierarchie bald auf den Kopf gestellt werden: Inler ist bei seinem Klub Napoli nicht mehr unumstritten und spielt je länger je mehr auch in der Nationalmannschaft nur noch die zweite Geige. Mit Granit Xhaka drängt sich zudem ein potenzieller Nachfolger auf: Er ist jung, spielt im Mittelfeld, hat das Selbstvertrauen zur Leaderrolle und die Klasse für eine Stammposition über Jahre.
Früher oder später wird sich entweder Xhaka unterordnen oder aber Inler kürzer treten müssen. Die Tendenz geht Richtung Letzteres.
Heute Morgen bin ich auf dieses Video der englischen U21-Nationalmannschaft im Spiel gegen Deutschland gestossen:
35 Pässe über alle elf Akteure, mit dem krönenden Abschluss von James Ward-Prowse. In der Schweizer Nati unvorstellbar.
Ein grosses, scheinbar endlos andauerndes Manko: Wir können trotz spielstarker Mittelfeldspieler wie Xhaka oder Inler kein sauberes Spiel aufziehen. Klar, gegen einen stärkeren Gegner ist das auch nicht von Nöten, und so überzeugen wir in solchen Spielen denn auch meist (siehe Box).
Doch gegen schwächere Gegner, die einem das Spieldiktat aufzwingen, entstehen Angriffe und Tore selten durch einen gepflegten Aufbau. So ist sowohl Stockers gestriger Treffer als auch zwei der drei gegen Estland nach einer Hereingabe und mehr oder weniger wildem Gestochere im Strafraum entstanden. Das dritte Tor vom Freitag ist ein satter Schuss von Xhaka.
Zu guter Letzt müssen auch wir uns an der Nase nehmen, denn die letzten Spiele der Nati haben gezeigt: Der von den Medien aufgebauschte Wirbel um die Secondos ist nicht mehr als ein laues Lüftchen.
Natürlich sehen wir nicht hinter die Kulissen, doch was wir sehen, ist eine Einheit auf dem Platz, die füreinander fightet und kämpft und sich nicht darum schert, ob der nächste Pass nun einen Secondo oder «Eidgenossen» findet.
Da kann der «Blick» noch lange von einer Zerreissprobe sprechen und die Blick-Leser die Nati als «zu unschweizerisch» abstempeln, am Schluss zählen nur die Resultate. Und die stimmen.