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Die FIFA ist böse. Das ist die öffentliche Meinung. Und der Himmel ist auch dieser Meinung. Nebel hüllt an diesem 3. Dezember 2015 den FIFA-Hauptsitz, dieses Versailles des Weltsportes, auf dem Zürichberg ein. Es ist bitterkalt, düster, fast dunkel. So würden wir in einem Hollywood-Film über das Reich des Bösen den Hauptsitz des Beelzebuben ins Bild setzen. Niemand denkt auch nur daran, dass sich bloss ein paar Kilometer weiter bei wunderbarem Winterwetter ein blauer Himmel wölbt.
Vor dem Eingang zum FIFA-Gelände wird Guido Tognoni (65) nacheinander von lokalen TV-Stationen interviewt. Sepp Blatters ehemaliger Medienchef und Wahlhelfer ist der Mann, der der Welt die FIFA-Krise erklärt. Jede Krise hat ihren Spezialisten.
Sepp Moser war es beim Untergang der Swissair. Guido Tognoni ist es in der FIFA-Krise und er geniesst diese Rolle: «Ich hatte nicht gedacht, dass mir Sepp Blatter einmal noch so viel Spass bereiten wird ... »
Alle Fragen drehen sich um die Verhaftung von zwei weiteren FIFA-Funktionären im Luxushotel Baur au Lac. Darüber ärgert sich nur ein Fotograf einer bekannten Agentur. Er habe einen Tipp bekommen und sei ein paar Minuten zu spät gekommen, um die Verhaftungen im Bild festhalten zu können. Nun werde man wohl schon drei Tage vor Beginn des FIFA-Kongresses (am 26. Februar 2016 in Zürich) einen Fotografen fix beim Luxushotel stationieren.
Die FIFA ist ja eigentlich der Weltfussball-Verband. Aber es geht wieder einmal nicht um Freistösse, Abseits und Torverhältnis. FIFA steht für Korruption, fehlende Transparenz, habgierige Funktionäre und auch sonst alles Böse, das die Welt einem globalen, milliardenschweren Sportkonzern zutraut, der auf der Grundlage des helvetischen Vereinsrechtes fuhrwerkt. Alle sind fixiert auf das Böse.
Die FIFA hat an diesem 3. Dezember die Weltmedien in ihr Schloss geladen um die Reformmassnahmen zu erläutern. Sie werden vom Schweizer Rechtsanwalt Francis Carrard vorgetragen. In einfachen, klaren Worten. Ein Mann mit Charisma.
Aber es scheint, als glaube inzwischen niemand mehr an das Gute in der FIFA. Die Fragen der Chronistinnen und Chronisten sind fast durchwegs böse. Interims-FIFA-Präsident Issa Hayatou wird zweimal mit Korruptionsvorwürfen aus der Vergangenheit konfrontiert und gar rundheraus gefragt, ob die FIFA korrupt sei. Der Kameruner ist eben erst von einer Operation genesen und wirkt müde. Aber er lässt sich nicht provozieren und erklärt, niemals unrechtmässig einen Dollar erhalten zu haben.
Generalsekretär Markus Kattner wird vorwurfsvoll gefragt, wie es überhaupt komme, dass er noch hier sitze. Er habe doch die böse Überweisung von Sepp Blatter an Michel Platini (die beiden eine Sperre eingetragen hat) mitunterschrieben.
Sodann wird er mit der Behauptung konfrontiert, die FIFA werde das Geschäftsjahr 2015 erstmals seit über zehn Jahren mit roten Zahlen abschliessen. Das mag der Deutsche nicht bestätigen – die Zahlen lägen noch nicht vor. Der neutrale Chronist wähnt sich im Herzen der Finsternis, des Bösen.
Aber ist es wirklich so? Nein. Dieser 3. Dezember 2015 könnte einst als der erste Tag einer neuen FIFA in die Geschichte eingehen. Vielleicht sind bessere Zeiten nicht weiter weg als an diesem Wintertag der Sonnenschein vom Zürichberg.
Die Reformvorschläge sind nämlich gut durchdacht und vernünftig. Es ist ein Paket von neun Reformen. Das Fuder ist nicht überladen und die Chancen stehen gut, dass diese Vorschläge vom FIFA-Kongress, also von den Delegierten der 209 Mitgliederländer, am 26. Februar in Zürich angenommen werden. Es braucht ja nur eine einfache Mehrheit von 106 Stimmen.
Stark vereinfacht gesagt: Der Kernpunkt ist die Änderung der Regierungsform. Die FIFA ist vor allem in die Krise geraten, weil Präsident Sepp Blatter im besten Wortsinne allmächtig war. Er führte mit dem Exekutiv-Rat die FIFA-Geschäfte. So wie einst der Generalsekretär die Sowjetunion mit dem Politbüro regierte. Kaum Zufall, dass der FIFA-Exekutiv-Rat mit 25 Mitgliedern fast gleich gross war wie einst das sowjetische Politbüro (24 Mitglieder).
Geht es nach dem Vorschlag der Reformer, werden solche Zustände nicht mehr möglich sein. Der allmächtige FIFA-Exekutiv-Rat, dieses Zentrum des Bösen, soll durch einen 36-köpfigen FIFA-Rat (FIFA-Council) ersetzt werden, der sich mit strategischen Aufgaben und Kontrollfunktionen beschäftigt. Es ist bemerkenswert und ein Zeichen für das FIFA-Tauwetter, dass dieser Exekutiv-Rat diese Reformen und damit die eigene Abschaffung selber beschlossen hat und nun dem Kongress vorschlägt.
Der sogenannte Integritäts-Check (also die Untersuchung, ob einer von edler Gesinnung sei) wird auf die Mitglieder dieses neuen FIFA-Rates ausgedehnt – und könnte eigentlich stark vereinfacht werden: Alle, die in den neuen FIFA-Rat wollen, müssen drei Tage im Baur au Lac in Zürich übernachten. Wird er nicht verhaftet, ist er sauber.
Chefreformer Francis Carrard ist ein kluger Mann. Er hat die bittere Reformmedizin, die von den Delegierten am 26. Februar geschluckt werden muss, mit einem Zückerchen versüsst. Heute sitzt im Exekutiv-Rat bloss eine Frau. Im neuen FIFA-Rat müssen 6 Frauen vertreten sein. Jeder Kontinentalverband muss zwingend eine Frau ins Gremium entsenden. Frauenquote! Frauenförderung! Bravo! Bravo! Bravo! Das ist politisch korrekt, vorbildlich und lobenswert.
Niemand wird beim Kongress dagegen seine Stimme erheben. Aber 6 Frauen werden gegen 30 Männer nichts ausrichten. Sie können keine Mehrheit bilden und da jede von einem anderen Kontinentalverband kommt, wird es schon schwierig sein, untereinander einig zu sein. Mit der FIFA-Frauenquote ist es wie mit dem Blumenschmuck der Bauernhäuser. Wunderschön, aber ohne jeden Einfluss auf den Agrarbetrieb. Männer werden die FIFA reformieren.
Aber wir sollten doch auch die wahren Reformer der FIFA würdigen. Wir lernen ja aus der Geschichte, dass es grossen Organisationen oder politischen Systemen fast unmöglich ist, sich selbst zu reformieren. Weil niemand seiner eigenen Entmachtung, dem Verlust seiner Privilegien zustimmt. Es braucht eine Revolution um die alte Ordnung zu stürzen. Oder doch starken Einfluss von aussen.
Die FIFA könnte die Ausnahme von dieser Regel werden – falls die Reformen vom Kongress am 26. Februar abgesegnet werden. Es sind ja kluge Reformen, die der FIFA die heute üblichen Strukturen für Organisationen dieser Art verpassen.
Aber eben: Ganz von alleine hat sich die FIFA allerdings nicht zu diesem Reformprozess durchgerungen. Die US-Justiz, die in Zürich laufend die der Korruption verdächtigen Funktionäre verhaften lässt, zwingt die FIFA, sich zu bessern.
Es wäre allerdings naiv zu glauben, dass die neuen Strukturen das Böse automatisch vertreiben und die FIFA zu einer Organisation aus lauter Lichtgestalten wird. Die Kultur der FIFA wird weiterhin von den 209 Mitgliederländern geprägt. Das Problem wird zwar nicht mehr das System sein, sondern die Personen, die in diesem System diese neue FIFA leben.
Wer behauptet, das böse Spiel gehe weiter, aber einfach mit einer neuen Mannschaftsaufstellung, ist nicht einmal ein Zyniker. So wird es tatsächlich sein. Aber so arg wie Sepp Blatter und seine Spiessgesellen werden es die künftigen FIFA-Herren nach der Reform nicht mehr treiben. Es wird Licht in die dunklen Hinterzimmer kommen.
Alleine wegen der US-Justiz kann jemand, der wirklich korrupt ist, kein hohes FIFA-Amt mehr ausüben. Weil er sonst in Zürich vom Bett im Luxushotel direkt in die Zelle geleitet wird. Und wer in der FIFA etwas werden will, muss nach Zürich reisen. Die wahren FIFA-Reformer sind die in New York domizilierten US-Justizbeamten.
Guido Tognoni hat die Medienkonferenz bei sich zu Hause in der warmen Stube übers Internet verfolgt. Der Prophet des FIFA-Unterganges sagt versöhnlich: «Es ist ein guter Anfang. Man sollte diese Reform nicht gleich niedermachen.» Also wenn es dieser freundliche Zyniker so sagt, dann wird es wohl doch so sein.