Wie die grosse SCB-Krise Marc Lüthi rat- aber nicht sprachlos macht
Was tut der mitfühlende und jeder Polemik abholde Chronist am Tag nach dem 4:5 gegen Ajoie, der vielleicht schmächlichsten Niederlage seit dem SCB-Aufstieg am grünen Tisch im Frühjahr 1986? Er erkundigt sich um 8.20 Uhr bei Marc Lüthi nach dem Befinden.
Aber der grosse SCB-Zampano nimmt das Hosentelefon nicht ab. Die automatische Rückmeldung poppt auf: «in a Meeting – call you asap» Aha! Krisensitzung! Jetzt rockt der Bär! Vielleicht doch Stoff für eine Polemik!
Um 9.50 Uhr der Rückruf.
Zu welchen Erkenntnissen sind Sie bei der Krisensitzung gekommen?
Mark Lüthi: Es war keine Krisensitzung. Es war ein Meeting mit einem Sponsor.
Um den Geldgeber zu beruhigen?
Nein. Es geht um einen neuen Vertrag.
Zwischenbemerkung: Das ist doch beruhigend. In der Sportabteilung ist Feuer im Dach. Das Geschäft beim Hockey-Gastro-Konzern SCB brummt trotzdem.
Aber der sportliche Offenbarungseid gegen Ajoie lässt Sie nicht kalt – oder?
Ich bin ratlos und ich habe keine Erklärung, warum wir mit der gleichen Rumpfmannschaft gegen Ajoie verlieren, mit der wir zuvor in Fribourg gewonnen haben. Ich verstehe es einfach nicht.
Zwischenbemerkung: Zum ersten Mal seit seinem Einstieg ins Hockeybusiness am Ende des letzten Jahrhunderts ist Marc Lüthi ratlos.
Was ist Ihre Message an die Fans? Immerhin mobilisiert der SCB nach wie vor mit Abstand am meisten Publikum (aktueller Schnitt: 14'950 pro Partie).
Meine Worte wären nicht druckreif.
Zwischenbemerkung: Nach der letzten Heimniederlage gegen Ajoie am 25. Februar 2023 (2:3 n.V) ging eine Ära zu Ende. Am 21. April feuerte Präsident Marc Lüthi seinen Nachfolger Raëto Raffainer und seither managt er wieder den SCB.
Geht nun erneut eine Ära zu Ende? Vielleicht die von Obersportchef Martin Plüss und Untersportchef Diego Piceci?
Nein.
Zwischenbemerkung: Marc Lüthi sagt das Nein nicht im Konjunktiv. Im Imperativ.
Also hat der schmähliche Auftritt gegen Ajoie keine Konsequenzen? 
Keine auf der Ebene Management oder Trainer.
Geht es also weiter, als wäre nichts gewesen?
Nein. Es gibt unfreundliche Massnahmen gegenüber der Mannschaft.
Das tönt gut fürs Publikum. Aber es ist ja gar nicht möglich, an bestehenden Spielerverträgen herumzuschrauben.
Das stimmt. Aber es geht darum, diesen Ungeist endlich zu vertreiben.
Zwischenbemerkung: Es handelt sich um den Ungeist, der sich in der legendären Aussage von Ramon Untersander auf den Punkt bringen lässt: «Müssen wir denn Erster sein?» Eine Aussage, die vom damaligen SCB-Kommunikationschef abgesegnet worden ist und zeigt, wie tief der «Ungeist» in der Organisation verankert ist. Dazu sagt Marc Lüthi: «Sie reissen diese Aussage aus dem Zusammenhang. Aber ein wenig geht es in diese Richtung.»
Das Zwiegespräch geht weiter. Also: Welche unfreundlichen Massnahmen wollen Sie ergreifen?
Wir werden sehen.
Könnte die Krise nicht auch die Folge des «Verantwortungs-Tennis» in der Sportabteilung sein? Die Verantwortung wird vom Obersportchef zum Untersportchef hin und her übers Netz gespielt: «Da ist der Martin zuständig» – «Sie müssen den Diego fragen». Bei anderen Klubs steht der Sportchef hin und übernimmt die Verantwortung. Wie Martin Steinegger in Biel, Pascal Müller in Langnau, oder Sven Leuenberger in Zürich.
Das mag gegen aussen so aussehen. Aber intern ist es ganz sicher nicht so.
Ende des Zwiegesprächs. Beginn einer kleinen Polemik. Der SCB hat ganz einfach eine viel zu gut entwickelte Ausredenkultur. Und es gibt keine «unfreundliche Massnahmen», die den «Ungeist» austreiben werden. Es gibt in solchen Fällen zur Erneuerung der Leistungskultur nur eine klare, wahre und wirkungsvolle Massnahme: Persönliche Konsequenzen auf zwei Ebenen:
Erstens auf der Ebene der Mannschaft durch Nichtverlängerung oder vorzeitige Auflösung von Spielerverträgen und auf der Ebene Management durch Neubesetzung von Schlüsselstellen durch kompetentes Personal.
Es ist nicht blasphemisch zu der grössten SCB-Krise seit dem Wiederaufstieg am grünen Tisch das Buch der Bücher zu zitieren: «Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.» Der Satz trifft den wunden Punkt und wir können im übertragenen Sinn sagen: «Eher kriecht der Berner Bär durch ein Nadelöhr, als dass der grosse SCB bescheiden wird, scheitern eingesteht und den Mut zum Neuaufbau mit allen Konsequenzen hat.» Über den Aufstieg und den Fall grosser Imperien sind schon viele kluge Bücher geschrieben worden.
Was sich im richtigen Leben über Jahrhunderte hinzieht, passiert im Hockey in wenigen Jahren: Aufstieg und Untergang – und Wiederaufstieg! – grosser Mannschaften. Der HCD hat sogar einen Umweg über die höchste Amateurliga nehmen müssen, um nach den Titeln von 1984 und 1985 wieder meisterlich zu werden.
Biel ist gerade daran, nach den Jahren des Ruhmes (Playoff-Final 2023) ein neues Team aufzubauen – und das Publikum zieht mit. Der Publikumsaufmarsch ist in der aktuellen Saison (5916 pro Partie) sogar grösser als während der Qualifikation der sportlich besten Saison 2022/23 (5843).
Ein Neuaufbau ist auch beim SC Bern – im Selbstverständnis ein Bayern München des Hockeys – möglich. Mit kompetentem Personal im sportlichen Management und einer dem Publikum klug erklärten Strategie, der nachgelebt wird.
Aber so lange die sportliche Führung nicht fähig ist, mindestens vier von sechs Ausländerpositionen exzellent zu besetzen und wenigstens einmal in sechs Jahren den richtigen Trainer zu finden, gibt es keinen erfolgreichen Neuaufbau. Der SCB ist vorläufig nicht mehr das Bayern München des Hockeys. Sondern das Ajoie der reichen Leute. Wobei Ajoie seit Jahren das bessere ausländische Personal rekrutiert als der SCB. Ende der kleinen Polemik.
Aktuelle 
 Note
- 7 - Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht. 
- 6-7 - Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist. 
- 5-6 - Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen. 
- 4-5 - Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling. 
- 3-4 - Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich. 
- Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend. 
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
- 
                        
                        Er ist 
- 
                        
                        Er kann 
- 
                        
                        Erwarte 
Das ganze Programm von TV24, 3+ und oneplus findest du hier.


