
Leonardo Genoni stoppte gestern 52 von 54 Schüssen.Bild: KEYSTONE
Eismeister Zaugg
Ein grosser Goalie und ein Winkelried auf glattem
Eis machen es möglich: Der HC Davos gewinnt in
Zürich 3:2 n.P. und führt im Finale 2:1. Doch die
ZSC Lions bleiben Titel-Favoriten.
07.04.2015, 07:0307.04.2015, 08:59
Dieses dramatische dritte Finalspiel mahnt uns
vom Verlauf her ein wenig an jenen längst zum
Mythos verklärten Heldentag von Sempach (1386).
Damals gerieten die um ihre Freiheit ringenden
Eidgenossen gegen die zahlenmässig überlegenen
Habsburger in arge Bedrängnis. Da fasste sich
Arnold Winkelried ein Herz, riss einen Arm voll
gegnerischer Spiesse an sich und bahnte seinen
Kameraden die Lücke, durch die sie in die Abwehr
des Gegners eindringen konnten («Ich will euch
eine Gasse bahnen»). Am Ende standen ein
grandioser Sieg und die Freiheit der Schweiz.
Am späten Montagnachmittag standen die Davoser
im Hallenstadion so arg unter Druck wie damals
die Eidgenossen. Am Ende sollten die Statistiker
inklusive der Verlängerung ein Torschussverhältnis
von 54:16 (9:5, 13:4, 16:4, 16:3) für den
Titelverteidiger notieren. Eines der einseitigsten,
aber auch eines der dramatischsten, intensivsten und
schnellsten Finalspiele die wir seit 1986 gesehen
haben.
Ambühl wie einst Winkelried
Aber in diese gegnerische Überlegenheit hinein
stach HCD-Leitwolf Andres Ambühl mit seinem
Sololauf übers ganze Eisfeld wie Arnold Winkelried
einst in die undurchdringliche Wand der
habsburgischen Spiesse. Er schloss diese famose
Einzelleistung, die ihn wahrlich zu einem «Winkelried des Eishockeys» macht, mit dem
überraschenden 1:0 ab.
Ambühls Wunder-Solo zum 1:0.gif: srf
Er bahnte seinen
Kameraden aus den Bergen die Gasse, durch die
sie 87 Sekunden später auch noch zum 2:0
stürmten. Andres Ambühls Kommunikation ist so
geradlinig wie sein Sololauf. Er sagt zum
wahrscheinlich schönsten Tor seiner Karriere: «Es
hat gepasst, von vorne bis hinten.»
Überragender Genoni
Das 2:0 nach 37 Minuten war der Vorsprung, den
die Davoser brauchten, um den gewaltigen
Ansturm des Gegners im Schlussdrittel zu
überstehen und sich durch die Verlängerung ins
Penalty-Schiessen zu retten. Dort vollendete
Torhüter Leonardo Genoni seine
Weltklasseleistung. Er stoppte alle vier Versuche
der Zürcher (Ryan Shannon, Mike Künzle, Robert
Nilsson, Patrik Bärtschi) und der HCD gewann das
Penalty-Schiessen durch die Treffer von Samuel
Walser und Félicien Du Bois 2:0.
Der ehemalige ZSC-Junior im HCD-Tor ist in dieser
Form der beste Schweizer Goalie ausserhalb der
NHL. Er kann die grosse, mächtige
Hockeymaschine der ZSC Lions aufhalten. Er ist
trotz der famosen Einzelleistung von Andres
Ambühl der wichtigste Einzelspieler beim HC
Davos.

Genoni stopfte den Löwen gestern das Maul. Bild: Patrick Straub/freshfocus
Die ZSC Lions haben in diesem Finale die erste
Partie dominiert und 3:0 gewonnen, die zweite in
Davos 2:5 verloren und jetzt eine überraschende
und vermeidbare Heimniederlage erlitten. Aber
nach wie vor sind sie Favoriten und die erste
Titelverteidigung seit 2001 (ebenfalls die ZSC
Lions) ist möglich.
Angeschlagene HCD-Ausländer
Denn die grosse Frage ist: Hält der HCD durch? Im
Schlussdrittel fielen mit Tyler Redenbach und
Parttu Lindgren gleich zwei Mittelstürmer aus. In
der Verlängerung erwischte es mit Dick Axelsson
auch noch den ausländischen Flügel. Die Davoser
retteten sich schliesslich mit einer reinen Schweizer
Mannschaft ins Penalty-Schiessen. Trainer Arno Del
Curto sagt: «Alle drei müssen zur Untersuchung ins
Spital. Dann sehen wir weiter.»

Arno Del Curtos Kader wird dünner.Bild: Daniela Frutiger/freshfocus
Am Donnerstag dürfte nun Leitwolf Reto von Arx
(er sass am Montag erstmals im Finale auf der
Tribune) wieder ins Team zurückkehren. Die
Frage, die gar niemand beantworten will: Wo wäre
dieser HC Davos mit vier grossen ausländischen
Spielern? Mit ziemlicher Sicherheit nur noch einen
Sieg vom Titel entfernt. So aber zeichnet sich ein «Zermürbungsfinale» ab. Die grössere Kadertiefe,
die grössere Ausgeglichenheit über vier Linien,
könnten doch noch den Ausschlag für die ZSC
Lions geben. Trotz Winkelried Andres Ambühl und
Wundergoalie Leonardo Genoni.
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