Sport
Velo

Tour de France: Was tun Fahrer, wenn sie pinkeln oder aufs WC müssen?

Tour de France 2025 Stage 10 LE MONT-DORE PUY DE SANCY, FRANCE - JULY 14 : Woods Michael CAN of Israel - Premier Tech, Quinn Sean USA of EF Education - EasyPost in action during stage 10 of the 112th  ...
Michael Woods an der Spitze der Ausreisser.Bild: www.imago-images.de

Michael Woods und das Wohnmobil – wenn der Darm lauter schreit als die Fans

An der Tour de France stehen fast an jedem Meter der Strecke Menschen. Doch wo Fans jubeln, wird selbst ein dringendes Bedürfnis zum öffentlichen Problem. Michael Woods hat das Problem in eine Lösung verwandelt.
21.07.2025, 14:3621.07.2025, 15:34
Mehr «Sport»

Am französischen Nationalfeiertag fühlt sich Michael Woods sehr gut. Dem Kanadier gelingt es, an der Tour de France in die Fluchtgruppe des Tages zu kommen. Der Traum vom Etappensieg endet im Wohnmobil eines Zuschauers.

Doch der Reihe nach. «Ich hatte eine gewisse Leichtigkeit in meinem Pedaltritt und war mit zwei Teamkollegen in der Fluchtgruppe», schrieb Woods in seinem Blog. «Ich war optimistisch, was unsere Chancen betraf.»

Tour de France 2025 Stage 9 CHATEAUROUX, FRANCE - JULY 13 : Woods Michael CAN of Israel - Premier Tech during stage 9 of the 112th edition of Tour de France an UCI World Tour 2.UWT cycling road race s ...
Nachschub: Woods erhält vom sportlichen Leiter einen Verpflegungsbeutel.Bild: www.imago-images.de

Viele Gels, hohes Tempo

Das Problem des 38-jährigen Kanadiers und seiner Mitstreiter: Das Feld liess nicht locker. Entsprechend hart war die Arbeit, um vorne zu bleiben.

Ihre hohe Geschwindigkeit sei nur deshalb möglich gewesen, weil bei der Verpflegung in den letzten Jahren eine grosse Entwicklung stattgefunden hat, hielt Woods fest. «Früher wäre unser Tempo nicht zu halten gewesen, aber wir traten einfach härter in die Pedale und schoben die Gels hinunter.»

Er habe kaum glauben können, wie schnell sie gefahren seien, schrieb der Routinier vom Team Israel Premier Tech. «Vielleicht lag es an der Tatsache, dass ich wegen eines Schlüsselbeinbruchs und einer Krankheit in diesem Jahr nicht viele Rennen bestritten habe. Vielleicht auch daran, dass ich einfach alt werde.»

«Mir wurde klar, dass ich meinen Dumoulin-Moment haben würde»

Die vielen Gels fanden zwar ihren Weg in seinen Hals, doch so wie Woods sich vom Feld abgesetzt hatte, starteten nun auch sie einen Fluchtversuch. Nach etwa 135 Kilometern habe er Krämpfe in den Beinen gehabt und sein Magen habe zu glucksen begonnen, beschreibt «Rusty» Woods. Er konnte nicht mehr mithalten.

Auch wenn er nun langsamer trat: «Der Knoten in meinem Magen wurde schlimmer. Ich versuchte zu atmen und durchzuhalten, aber dann wurde mir klar, dass ich gleich meinen Dumoulin-Moment haben würde.»

Dumoulin kann es nicht mehr halten.Video: YouTube/Chris Keen

Dumoulin-Moment? Der Niederländer Tom Dumoulin sorgte auf dem Weg zum Gesamtsieg des Giro d'Italia 2017 für eine unvergessene Einlage. Der Träger der Maglia Rosa musste absteigen und sich erleichtern, die TV-Regie schnitt gerade noch rechtzeitig um. Woods erinnert sich: «Unser sportlicher Leiter funkte uns: ‹Dumoulin hat gerade angehalten, um zu scheissen!› Diesen Moment werde ich nie vergessen. Er lachte und ich lachte auch.»

Ein Geistesblitz als Rettung

Das Problem der Gels mit ihren vielen Kohlenhydraten ist, dass der Magen manchmal rebelliert, weil er es nicht gewohnt ist, derart grosse Mengen aufzunehmen, und der Körper dazu am Limit ist, wenn der Fahrer in einer Ausreissergruppe stundenlang Gas gibt. Woods schrieb, er habe damals 30 bis 40 Gramm Kohlenhydate pro Stunde zu sich genommen – heute ist es drei Mal mehr.

Nun also war sein Dumoulin-Moment gekommen. Selbst das Stoppen, um zu pinkeln, ist an der Tour de France schwierig, weil überall Leute stehen. «Es so wie Dumoulin zu machen, schien mir deshalb unmöglich. Ich fragte mich: Werde ich mir bald in die Hose machen?»

Doch dann habe er «eine wunderbare Erkenntnis» gehabt. «Wohnmobile haben Toiletten und auf der Tour gibt es mehr Wohnmobile als beim Burning Man. Innerhalb von Sekunden hielt ich an und rief: ‹Toilette, toilette, toilette!›»

Wenig später war Michael Woods erleichtert, in jeder Hinsicht. «Dem armen, sehr freundlichen und verblüfften Mann, der mir die Tür seines Wohnmobils geöffnet hat, möchte ich zunächst danken, mich aber auch für den Zustand entschuldigen, in dem ich sein Bad hinterlassen habe. Sagen wir einfach, 120 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde während vier Stunden flutschen nicht besonders ansehnlich raus.»

Lachen mit Alaphilippe

Weil der Etappensieg sowieso nicht mehr zu erreichen war, liess sich Woods bei seinem Geschäft Zeit. Als er sich, unter den Blicken verwirrter Fans, wieder auf die Strecke machte, habe ihn nach einer Weile eine Gruppe Fahrer eingeholt. «Ich sagte zu Julian Alaphilippe, ich hätte keine Ahnung, ob ich noch vor dem Feld liege oder dahinter. Als ich ihm den Grund für meine Verwirrung nannte, lachten wir beide und sprachen dann darüber, wie viel einfacher die Rennen früher waren.»

Seither gelang Michael Woods auch in den folgenden Tagen kein Etappensieg, anders als 2023, als er hinauf zum mythischen Puy de Dôme triumphierte. Dafür befindet er sich in der Bergpreis-Wertung noch auf Schlagdistanz. Und sollte der Magen noch einmal rebellieren, kann er sich darauf verlassen, dass auch die Pässe in den Alpen von vielen Wohnmobilen der Fans gesäumt sind.

So geht die Tour weiter
Nach dem Ruhetag steht am Dienstag ein Höhepunkt der Tour de France an: Es geht auf den Mont Ventoux. Auf dem kahlen Riesen der Provence befindet sich das Ziel einer ansonsten flachen Etappe. In der Gesamtwertung führt Vorjahressieger Tadej Pogacar mit mehr als vier Minuten Vorsprung auf Jonas Vingegaard. Rang 3 belegt aktuell der Deutsche Florian Lipowitz.
Magenprobleme: Der Deutsche Nils Politt muss während des olympischen Strassenrennens in Paris ein Café aufsuchen.Video: YouTube/t-online
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Pinkelnde Fahrer an der Tour de France
1 / 14
Pinkelnde Fahrer an der Tour de France
Du fragst dich, wie sich Velorennfahrer während der stundenlangen Etappen an der Tour de France erleichtern? So!
quelle: epa / gero breloer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Wir können im Stehen Pinkeln!» – watson-Männer im Privilegien-Check
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
8 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
NixMussAllesKann
21.07.2025 15:11registriert Dezember 2020
Genau solche Geschichten machen den Radsport sympatisch!
6211
Melden
Zum Kommentar
avatar
FBN90
21.07.2025 15:32registriert Mai 2023
Könnten die Organisatoren nicht 1-2 Stationen pro Etappe einrichten wo sich die Fahrer ungestört erleichtern könnten? Schon eine blöde Situation als Fahrer
425
Melden
Zum Kommentar
avatar
Purple Hibiscus
21.07.2025 16:15registriert September 2023
Shit happens🤷🏻‍♀️☺️
201
Melden
Zum Kommentar
8
Der Gegnerin an den Haaren gezogen – deshalb war Deutschland so früh in Unterzahl
Was für eine unnötige Aktion der deutschen Verteidigerin Kathrin Hendrich: Im EM-Viertelfinal zieht die 33-Jährige an den Haaren ihrer Gegnerin und verschuldet nicht nur einen Elfmeter, sondern wird auch noch vom Platz gestellt.
Buchstäblich aus dem Nichts meldete sich in Basel beim EM-Viertelfinal zwischen Frankreich und Deutschland der Video Assistant Referee in der elften Spielminute. Wie sich herausstellte, wurde die schwedische Schiedsrichterin Tess Olofsson völlig zu Recht vor den Bildschirm gerufen.
Zur Story