Die chinesische Wirtschaft tickt in mancher Hinsicht anders als die westliche. Doch in einem Punkt gibt es keinen Unterschied: «Wenn eine Immobilienblase platzt, sind die ökonomischen Auswirkungen die gleichen wie überall auf der Welt», stellt George Magnus, Ex-Chefökonom der UBS, in der Financial Times fest. Ein Immobiliencrash im Reich der Mitte wird schon lange befürchtet. Jetzt zeichnet er sich in Raten ab. Die chinesische Regierung hat bekannt gegeben, dass die Häuserpreise zwischen April 2013 und April 2014 durchschnittlich um 25 Prozent gesunken sind.
Der chinesische Immobilienmarkt gilt schon längere Zeit als eine der grössten Gefahren für die Weltwirtschaft. Er gilt als «Mutter aller Immobilienblasen». In den letzten fünf Jahren haben sich die Preise verdoppelt. Wer Geld hatte, investierte in Immobilien. Spassvögel erklärten Baukräne gar zum neuen Wappentier Chinas.
Zwei Drittel aller Spargelder sind landesweit für diesen Zweck verwendet worden, in der Hauptstadt Beijing waren es gar über 80 Prozent. Das Resultat waren Geisterstädte und Siedlungen im Niemandsland. Der Bauboom wurde selbst der Regierung unheimlich. Deshalb hat sie Massnahmen ergriffen, um den überhitzten Immobilienmarkt abzukühlen. Dabei hat sie möglicherweise zu viel des Guten getan und eine gefährliche Negativspirale in Gang gesetzt. «Dieses Mal könnte die Blase wirklich platzen», warnt Magnus.
2008 führte der amerikanische Immobiliencrash zu einer Bankenkrise und kurz darauf zu einer Beinahe-Kernschmelze des internationalen Finanzsystems. Diese Gefahr besteht derzeit nicht. Chinesische Banken verlangen von Käufern von Wohneigentum ein Eigenkapitalpolster zwischen 20 und 40 Prozent und sind daher gut abgesichert – zumindest vorläufig. Fallende Häuserpreise bedeuten jedoch auch in China fallender Konsum.
Das kommt äusserst ungelegen. Chinas Wirtschaft ist dabei, sich von der reinen Orientierung auf den Export zu befreien und die Binnennachfrage anzukurbeln. Daher droht nun eine markante Abkühlung des Wirtschaftswachstums. «Im besten Fall beginnt in China eine Phase der Deflation zu einem Zeitpunkt, in dem der Zustand der Weltwirtschaft noch sehr fragil ist», stellt Magnus fest.
Die New York Times warnt vor den politischen Folgen: «Weil so viele Vermögenswerte in den Immobilien festsitzen, steigen die Sorgen, dass es zu heftigen Protesten und Unruhen kommen wird, wenn die Preise weiter fallen.» China ist inzwischen die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt, nach Kaufkraft gerechnet werden die Chinesen gar bald die Amerikaner überholen.
Ein Immobiliencrash wäre daher auch ein Problem für die Weltwirtschaft. Es würde bedeuten, dass die Preise für Rohstoffe in den Keller rasseln würden, dass China versuchen würde, mit einer gezielten Abwertung seiner Währung seine Exporte anzukurbeln und damit neue Spannungen hervorrufen würde. Nicht nur in Beijing schaut man daher leicht nervös auf die weitere Entwicklung der Immobilienpreise.