Das von einer deutschen Firma entwickelte Programm Precobs, berechnet die Wahrscheinlichkeit von zukünftigen Straftaten, basierend auf Delikten der vergangenen fünf Jahre. Mit der heutigen Software werden Einbrüche in städtischen Gebieten prognostiziert.
Auch wenn Sie kein professioneller Einbrecher oder besorgter Hausbesitzer sind: Neue Technologien, die Verbrechen vorhersagen, betreffen uns alle. Die Polizei plant ihre Einsätze vermehrt aufgrund von Computer-Algorithmen. In der Folge steigen in «gefährdeten» Gebieten die Personenkontrollen und Patrouillen, in «harmlosen» Gegenden hingegen dürfte die Polizeipräsenz abnehmen.
In Zürich und Basel. Ein dritter Kanton steht laut der Precobs-Entwicklerfirma kurz davor, die Software einzusetzen.
Wie es scheint, führen Schweizer Polizeibehörden die neue Software quasi durch die Hintertür ein, ohne öffentliche Diskussion. Dadurch sind Unsicherheiten in der Bevölkerung vorprogrammiert.
Zwar wertet die Prognose-Software Precobs laut ihrem Erfinder ausschliesslich anonymisierte Polizei-Daten zu vergangenen Straftaten aus. Im engeren Sinn handelt es sich demnach nicht um Big Data, also die Auswertung grosser Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen. Man muss aber kein Prophet sein, um zu sagen, dass die Begehrlichkeiten diesbezüglich wachsen werden.
In Zukunft könnten etwa auch Mobilfunk-Daten ausgewertet werden. Wer ein Handy mit sich trägt, hinterlässt automatisch Spuren. Durch geschicktes Verknüpfen mit anderen Datensätzen liessen sich – aus Sicht der Ermittler – noch wertvollere Rückschlüsse ziehen.
Ja, aber das ist nur der Anfang. Algorithmen arbeiten günstiger und um Welten effizienter als Menschen, was die Analyse grosser Datenmengen betrifft. Neben Einbrüchen können Computer in Zukunft auch andere Delikte wie Raub oder Brandstiftung prognostizieren.
Laut der Precobs-Entwicklerfirma werden keine personenbezogenen Daten verarbeitet, sondern ausschliesslich Polizei-interne Daten zu vergangenen Straftaten. In einer Datenbank sind anonymisierte Angaben zu Einbrüchen gespeichert, inklusive genauem Ort, Tatzeit sowie Modus Moderandi, also der Vorgehensweise der Täter.
Die Polizei gehört zum Verwaltungsapparat und wird durch Steuergelder finanziert. Die Aufsicht obliegt der Politik und Justiz.
Grundsätzlich gilt: Bevor die Polizei eine neue Software zur Datenverarbeitung einführt, kann sie diese durch den zuständigen Datenschützer prüfen und für unbedenklich erklären lassen.
Bei Precobs war dies offenbar nicht der Fall. Die Stadtzürcher Datenschutzstelle erfuhr erst durch watson vom Einsatz bei der Stadtpolizei. Das ist störend, auch wenn die derzeit eingesetzte Software nicht gegen Datenschutz-Bestimmungen verstossen dürfte, weil keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden.
Das Büro des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten, Hanspeter Thür, erklärt sich auf Anfrage für nicht direkt zuständig. Grund: Die Kantone haben die Polizei-Hoheit und verantworten den Einsatz von Precobs und anderen Software-Tools zur Verbrechensbekämpfung.
Der oberste Datenschützer des Landes fordert in seinen allgemeinen Erläuterungen zu Big Data, «dass Datenschutzfragen schon bei der Entwicklung neuer Technologien geprüft werden». Der Datenschutz müsse von vornherein in die Gesamtkonzeption neuer Software einbezogen werden («Privacy by Design») anstatt Datenschutzprobleme im Nachhinein mühsam und mit viel Kosten und Zeitaufwand zu beheben.
Der immer populärer werdende Begriff bezieht sich auf die Erfassung, Speicherung und Auswertung grosser Datenmengen, die aus unterschiedlichen Quellen stammen. Durch das geschickte Verknüpfen von Informationen sollen neue Erkenntnisse gewonnen werden.
Die Schwierigkeit bei Big Data mit «Sachdaten» oder «anonymisierten» Daten besteht laut Datenschützer darin, dass nicht ausgeschlossen werden könne, «dass bei der Zusammenführung von mehreren Datenbeständen eine De-Anonymisierung erfolgt».
Bei Precobs (in der aktuellen Version) besteht scheinbar keine Gefahr. Allerdings stellt sich gemäss Datenschützer ein Problem in Zusammenhang mit der Voraussehbarkeit der technologischen Entwicklung: Was heute als «anonym» gelte, könne morgen eventuell aufgrund des rapiden Fortschritts und zusätzlicher Datenquellen ohne grossen Aufwand einer bestimmten Person zugeordnet werden und so möglicherweise eine grobe Persönlichkeitsverletzung darstellen.
Im Zeitalter der NSA-Schnüffler und anderer umstrittener Methoden zur Massenüberwachung wecken neue Technologien Ängste. Durch eine aktive und offene Kommunikation könnten die verantwortlichen Stellen zur Beruhigung beitragen und Missverständnisse vorbeugen.
Laut Gesetzt hat jede Person das Recht zu wissen, wer welche Daten über sie zu welchem Zweck bearbeitet. Bei Big Data ist die Datenbearbeitung und die Verknüpfung von Daten aus unterschiedlichen Quellen laut Datenschützer «sehr unübersichtlich und für die betroffenen Personen kaum nachvollziehbar». Deshalb seien Transparenz und Information der betroffenen Personen besonders wichtig.
Nicht alles, was technisch machbar ist, ist aus gesellschaftlicher Sicht sinnvoll. Darum ist die politische Diskussion wichtig. Wie eng muss der Einsatz neuartiger Technologien durch unabhängige Dritte kontrolliert werden. Und braucht es eine Anpassung der Gesetze?