
Massenhaftes Sterben im Grabenkrieg: Französischer Angriff auf deutsche Stellungen in der Champagne, 1917.Bild: Wikipedia/PD Vor 100 Jahren begann der «Grosse Krieg»
Millionen von Soldaten starben, Dynastien stürzten, Imperien zerfielen – die alte Welt ging unter: Der «Grosse Krieg» war eine mechanisierte Orgie der Gewalt. Verfolgen Sie das gesamte Kriegsgeschehen in einem «Liveticker».
24.07.2014, 00:0005.05.2022, 16:13
Keiner, der 1918 noch lebte, hatte 1914 geahnt, wie furchtbar dieser Krieg werden würde. Dass er kommen würde, hatte nach den Schüssen von Sarajevo so mancher vorhergesehen. Aber das ungeheure Ausmass des Gemetzels überstieg das Vorstellungsvermögen aller Beteiligten.
Dieser Krieg setzte neue Massstäbe. Er verschmolz die Effizienz der industrialisierten Moderne mit den archaischen Instinkten von Hass und Rache. Das Ergebnis waren 17 Millionen Tote, verwüstete Landstriche – und eine Welt, die nicht mehr so war wie zuvor.
Vom Attentat auf Franz Ferdinand bis zum Waffenstillstand von Compiègne: In diesem Überblick sehen Sie die wichtigsten Stationen dieser – um die vielzitierte Formulierung von George F. Kennan zu bemühen – «Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts».
In Sarajevo herrscht strahlendes Wetter. Der
österreichische Thronfolger Franz Ferdinand besucht mit seiner Gemahlin Sophie die bosnische Hauptstadt. Sie werden in einem offenen Wagen durch die Strassen kutschiert.

Bild: AP
Der Erzherzog ist nicht willkommen; mehrere Attentäter lauern in der Menge der Zuschauer. Einer von ihnen, der 19-jährige serbische Nationalist Gavrilo Princip, schiesst: Franz Ferdinand und seine Frau werden tödlich getroffen. Die letzten Worte des Thronfolgers sind: «Es ist nichts, es ist nichts ...»
Doch es ist nicht nichts: Die vom Zwist der Nationalitäten zermürbte Donaumonarchie nimmt das Attentat zum Anlass, ihren bedrohten Grossmachtstatus unter Beweis zu stellen. Wien, von Berlin bestärkt, stellt Serbien ein Ultimatum, Russland eilt dem slawischen Brudervolk zu Hilfe – das Verhängnis nimmt seinen Lauf.
Rap-Battle der wichtigsten Protagonisten (Youtube/BBC)
Österreich-Ungarn erklärt Serbien den Krieg und eröffnet damit den Reigen der Kriegserklärungen. Diplomatisches Versagen, Bündnisautomatik und die Zwänge der militärischen Planung führen die europäischen Mächte in den Grossen Krieg, der alles ändern wird.

Der deutsche Kaiser Wilhelm II. verordnet den Kriegszustand.
Für den Fall eines Zweifrontenkriegs, wie er dem Deutschen Reich in seiner Mittellage droht, hat der deutsche Generalstab den sogenannten Schlieffenplan entwickelt. Er sieht vor, zuerst im Westen Frankreich in nur sechs Wochen zu schlagen und danach Russland im Osten. Den schnellen Sieg im Westen soll ein Umfassungsangriff des nördlichen (rechten) Heeresflügels durch Belgien und Nordfrankreich bringen, der die französischen Armeen einkesseln soll.

Der ursprüngliche Schlieffen-Plan, 1905. Er sah auch einen Durchmarsch durch die Niederlande vor und griff noch weiter nach Westen aus. (Wikipedia/Furfur)
In der Nacht auf den 4. August marschieren deutsche Truppen in Belgien ein und verletzen damit
völkerrechtswidrig dessen Neutralität. Grossbritannien reagiert darauf umgehend mit der
Kriegserklärung.
Die deutschen Truppen stossen auf unerwartet zähen Widerstand, besonders bei der Festung Lüttich. Schon jetzt verliert Deutschland den
Propagandakrieg, auch weil deutsche Truppen tausende von Zivilisten als
Geiseln erschiessen, als Vergeltung für das Feuer von vermeintlichen Heckenschützen – in Wahrheit vermutlich «friendly Fire».

Das US-Propagandaplakat von 1918 erinnert an deutsche Gräuel in Belgien. (Wikipedia/PD)
Die Schweizer Armee macht mobil. Gleichentags wählt die Bundesversammlung Ulrich Wille zum General. Die aktive Feldarmee hat eine Gesamtstärke von 250'000 Mann, dazu kommen 77'000 Pferde. Am 4. August erklärt der Bundesrat die strikte Neutralität der Schweiz.

Artillerie-Einheit bei Bülach ZH (Schweizerisches Bundesarchiv)
Der deutsche Sieg über die überraschend schnell nach Ostdeutschland vorgestossenen russischen Armeen bei Tannenberg stoppt den russischen Vormarsch in Ostpreussen und begründet den Hindenburg-Mythos.
Der deutsche Vormarsch nähert sich Paris, doch dabei entsteht zwischen zwei deutschen Armeen eine Lücke, in die ab dem 5. September französische und britische Truppen hineinstossen. In der Marne-Schlacht stoppen die Alliierten den deutschen Vorstoss. Die Franzosen verlegen Truppen aus Lothringen an die Marne und karren sogar mit Pariser Taxis Soldaten an die Front, während die Deutschen aus Angst vor dem unerwartet schnellen russischen Vormarsch Truppen nach Osten abziehen. Am 9. September ziehen sich die Deutschen rund 80 Kilometer hinter die Aisne zurück – was die Franzosen das «Wunder an der Marne» nennen.

Französische Soldaten 1914 an der Westfront (Wikipedia/PD)
Mit diesem taktischen Rückzug ist der
Schlieffenplan gescheitert. Generalstabschef Helmuth von Moltke erleidet einen Nervenzusammenbruch und wird durch Erich von Falkenhayn ersetzt.
Fehler der Kriegführenden im August und September 1914 (Youtube/Thomas D.) Falkenhayn versucht, mit dem Vorstoss zur Kanalküste («Wettlauf zum Meer») die militärische Initiative zurückzugewinnen, die britischen und französischen Armeen an der Flanke zu umfassen und die Kanalküste an der Strasse von Dover unter Kontrolle zu bringen. Nach dem 19. Oktober geht der Bewegungskrieg an der Westfront endgültig in einen Stellungskrieg über. Das zeigt sich in der Ersten Flandernschlacht um die strategisch wichtige belgische Stadt Ypern.
Das Osmanische Reich – aufgrund seiner sich im 19. Jahrhundert immer deutlicher offenbarenden Schwäche oft als «kranker Mann am Bosporus» tituliert – tritt auf Seiten der Mittelmächte in den Krieg ein.

Osmanische Soldaten um 1914 (PD)
Der angesehene Dichter und spätere Nobelpreisträger
Carl Spitteler warnt
in einem Vortrag zur Neutralität der Schweiz vor der möglichen Spaltung des Landes. Der nationale
Zusammenhalt zwischen Deutschschweiz und Romandie sei durch den Krieg
gefährdet.

Bild: Wikipedia/PD
Spitteler 1905 (Wikipedia/PD)
Zuerst schiessen sie aufeinander, nun feiern sie miteinander: An einigen Abschnitten der Westfront in Flandern schliessen – hauptsächlich britische und deutsche – Soldaten spontan und inoffiziell einen temporären Waffenstillstand, um gemeinsam Weihnachten zu feiern.

Deutsche und britische Soldaten während des Weihnachtsfriedens (Wikipedia/PD)
Eine gemeinsame grosse Offensive der Briten und Franzosen in der Champagne soll den bedrängten Bündnispartner Russland entlasten. Der Angriff wird nach fürchterlichen Verlusten am 20. März abgebrochen. Allein die Franzosen verlieren etwa 240'000 Soldaten – Tote, Verwundete und Gefangene.
Nachdem britische und französische Kriegsschiffe im Februar und im März die
türkischen Stellungen an den Dardanellen erfolglos angegriffen haben, soll Ende April ein
Landungsunternehmen die osmanische Artillerie ausschalten. Das Ziel der Entente ist, die von den Türken gesperrten
Meerengen wieder für den Nachschub nach Russland zu öffnen.
Der Widerstand der osmanischen Truppen ist aber wider Erwarten zäh; zugleich spielt den Verteidigern unter dem
Kommando Mustafa Kemal Atatürks die Arroganz der britischen Offiziere in die Hände, die ihren Gegner unterschätzen. Bis zum August verlieren die Angreifer – vornehmlich
Australier und Neuseeländer – bei
Gallipoli 180'000 Mann. Dennoch werden die letzten Truppen erst am 9. Januar 1916 abgezogen.
Gallipoli – Der Kampf um die Dardanellen (Youtube/Reportagen007)Eine neue Waffe soll die Erstarrung der Fronten, Folge des Übergewichts der defensiven Mittel (Maschinengewehr und Stacheldrahtverhau), überwinden: Gas. Zuerst setzen die Franzosen Tränengas gegen die Deutschen ein, dann die Deutschen gegen die Russen – ohne Erfolg.
Doch am ersten Tag der Zweiten Flandernschlacht lassen deutsche Truppen bei Poelkapelle in wenigen Minuten 150 Tonnen Chlorgas aus 6000 Stahlflaschen ab. Die Folgen sind verheerend: Die nicht mit Gasmasken ausgerüsteten französischen Soldaten fliehen; tausende kommen um. Von da an gehört die Angst vor dem Gaskrieg zum Alltag der ohnehin geplagten Soldaten.

Von Tränengas geblendete britische Soldaten im April 1918 (Wikipedia/PD)
Der
erste grosse strategische Durchbruch gegen ein befestigtes Grabensystem im Ersten Weltkrieg ermöglicht den Mittelmächten, die russische Linie in den folgenden Wochen etwa 100 Kilometer zurückzuwerfen und am 22. Juni 1915 Lemberg zu erobern. Die russischen Truppen werden zum
Rückzug aus Galizien gezwungen.
World War I: Gorlice Tarnow Offensive 1/4 (engl.) (Youtube/mengutimur)Vor der Südküste Irlands torpediert ein deutsches U-Boot die «Lusitania». Der britische Passagierdampfer – einst das grösste Schiff der Welt – sinkt; in den Fluten kommen rund 1200 Menschen um. Unter den Opfern befinden sich 128 Amerikaner. Die Proteste der USA bewegen die deutsche Führung dazu, den seit Ende Februar erklärten uneingeschränkten U-Boot-Krieg wieder einzustellen.

Deutsche Illustration des Untergangs der «Lusitania» (Wikipedia/Bundesarchiv DVM 10 Bild-23-61-17)
Obwohl Italien vor dem Krieg im geheimen Dreibund mit Deutschland und Österreich-Ungarn verbündet war, tritt es nun auf Seiten der Entente in den Krieg ein. Diese verspricht Rom umfangreiche Gebietsgewinne: Italien soll nach dem Krieg das Tirol bis zum Brenner, Triest und Istrien ausser Rijeka (Fiume) sowie das nördliche und mittlere Dalmatien mit den vorgelagerten Inseln erhalten.
Mit dem Deportationsgesetz oder Tehcir-Gesetz fasst die Regierung des Osmanischen Reiches die Umsiedlung der Armenier und Assyrer in einen juristischen Rahmen. Damit beginnt die systematische Phase des Völkermords an den Armeniern und an den Assyrern.

Armenische Flüchtlingskinder (PD)
Erneut versuchen die Armeen der Entente, die deutschen Linien mit einem durch massives Trommelfeuer vorbereiteten Frontalangriff zu durchbrechen. Bis zum 6. November rennen die Alliierten gegen die deutschen Stellungen an. Die Folge sind gewaltige Verluste, aber keine greifbaren Resultate. Dies führt zu einer innenpolitischen Krise; Premierminister René Viviani wird durch Aristide Briand abgelöst. Auch der Oberbefehlshaber der British Expeditionary Force (BEF), John French, wird am 19. Dezember durch Douglas Haig ersetzt.
Das über den Ausgang des Zweiten Balkankriegs unzufriedene Bulgarien tritt auf Seiten der Mittelmächte in den Krieg ein. Die Mittelmächte erobern in der Folge bis zum Jahresende Serbien, Montenegro und Albanien und stellen so die Landverbindung zur verbündeten Türkei her. Die Entente besetzt darauf das bis dahin neutrale Griechenland.
Ausgerechnet eine der stärksten französischen Stellungen wählt Erich von Falkenhayn für seine Grossoffensive, die an der Westfront die Entscheidung bringen soll: Verdun. Der deutsche Generalstabschef will die französischen Truppen in einer gewaltigen Abnutzungsschlacht «ausbluten»; zudem hofft er auf überhastete Gegenangriffe der Briten zur Entlastung der Franzosen.

Deutsche Infanteristen verlassen die Schützengräben, um die Höhe Toter Mann zu erstürmen. (Wikipedia/PD)
Das mörderische Ringen um wenige Meter, das zum
Inbegriff des Stellungskriegs und der Materialschlachten an der Westfront wird, dauert bis zum 19. Dezember. Bis dahin verschlingt die «Blutpumpe», wie die Soldaten Verdun nennen, hunderttausende von Menschenleben: 167'000 Franzosen und 150'000 Deutsche fallen im Kampf um die Festung.
Die Schlacht um Verdun (Youtube/GeschichtsDokus) Wider Erwarten spielt die deutsche Hochseeflotte im Krieg kaum eine Rolle – dabei hat der Flottenwettlauf mit Grossbritannien Unsummen verschlungen und das Verhältnis zur stärksten Seemacht nachhaltig getrübt. Nun dümpelt des Kaisers Stolz nutzlos in den Heimathäfen.
Erst durch die offensivere Seekriegsführung des deutschen Vizeadmiral Reinhard Scheer kommt es Ende Mai 1916 zu einem Gefecht mit der britischen Grand Fleet vor Jütland. An der grössten Seeschlacht von Grosskampfschiffen der Geschichte sind rund 250 Schiffe beteiligt, wobei die Briten etwa im Verhältnis 8:5 überlegen sind. Obwohl die Grand Fleet höhere Verluste erleidet, endet die Skagerrakschlacht als Patt: Der deutschen Flotte gelingt es nicht, die britische Überlegenheit zu brechen. Die britische Seeblockade bleibt bestehen.

Ein Schiff feuert während der Skagerrakschlacht eine Breitseite ab. (PD)
Mit der Taktik, die feindliche Front auf grosser Breite zugleich anzugreifen, damit der Gegner seine Reserven nicht konzentriert einsetzen kann, erzielt der russische General Alexei Brussilow den grössten militärischen Erfolg Russlands während des gesamten Krieges. Die nach ihm benannte Offensive entlastet die westlichen Alliierten – die Deutschen müssen Truppen von Verdun abziehen – und drängt bis zum 20. September die Linien der Mittelmächte in Wolhynien und Galizien zurück. Besonders die österreichisch-ungarischen Verbände erleiden gewaltige Verluste, aber auch die Russen verlieren rund eine Million Mann. Dieser Aderlass beschleunigt die Demoralisierung des russischen Heeres.

Österreichisch-ungarische Maschinengewehr-Stellung in Wolhynien (Österreichisches Staatsarchiv) Nach
einer Woche Trommelfeuer beginnt die britischen
Offensive an der Somme, die bis zum 18. November dauern wird. Es ist die
verlustreichste Einzelschlacht des Krieges; über 620'000 Mann auf Seiten der Entente sind danach tot, verwundet oder vermisst, fast 500'000 Mann auf deutscher Seite. Allein am ersten Tag der Schlacht, dem
«schwärzesten Tag der britischen Militärgeschichte», fallen über 19'000 britische Soldaten, davon 8000 in der ersten halben Stunde.
Während dieser grössten Schlacht des Ersten Weltkriegs setzen die Briten am 15. September
erstmals Panzer ein. Die aus Geheimhaltungsgründen «Tanks» genannten Kampfwagen sollen das tödliche Patt des Stellungskrieges überwinden – vorerst ohne Erfolg.
«Die Höllen-Schlacht: Somme 1916», Teil 1 (Youtube/politikpestreload)Lange ist Rumänien neutral geblieben und hat sich von beiden Kriegsparteien umwerben lassen. Unter dem Eindruck der russischen Erfolge zu Beginn der Brussilow-Offensive entschliesst sich Bukarest nun zum Kriegseintritt auf Seiten der Entente. Deren Versprechungen sind naturgemäss attraktiver: Der neue Bündnispartner soll zu Lasten von Österreich-Ungarn Siebenbürgen und das Banat erhalten. Überdies sichern die Allierten Rumänien Teile der Bukowina zu.
Der glücklose Generalstabschef Erich von Falkenhayn muss gehen – seine Nachfolge tritt die sogenannte 3. OHL (Oberste Heeresleitung) an. Sie besteht aus Stabschef Paul von Hindenburg, dem «Helden von Tannenberg», und dem ersten Generalquartiermeister Erich Ludendorff, dem eigentlichen Kopf des Gespanns. Die neue militärische Führung, deren Ernennung auch eine politische Wende – hin zur faktischen Militärdiktatur – bedeutet, bricht die Offensivaktionen gegen Verdun ab.

Hindenburg, Kaiser Wilhelm II. und Ludendorff (v.l.n.r.) 1917 (PD)
Auch der Oberbefehl des französischen Heers wechselt angesichts der Erfolglosigkeit der französischen Kriegführung: Im Dezember 1916 löst General Georges Robert Nivelle General Joseph Joffre ab.
Nach einer desaströsen Offensive wird die schlecht ausgerüstete und ausgebildete rumänische Armee von deutschen, österreichischen und bulgarischen Truppen zurückgedrängt. Trotz russischer Unterstützung kann Rumänien dem Angriff der Mittelmächte nicht standhalten; am 6. Dezember erobert die Heeresgruppe Mackensen die rumänische Hauptstadt.
Der Fall Rumäniens bringt die russische Armee in Schwierigkeiten, die nun mit einem Drittel ihres Truppenbestandes die neue Front im Süden verteidigen muss.

Kavallerieeinheiten der Mittelmächte marschieren in Bukarest ein. (Wikipedia/PD)
Nach der Eroberung Rumäniens drängt die Donaumonarchie darauf, der Entente ein Friedensangebot zu unterbreiten. Die Friedensnote an den US-Präsidenten Woodrow Wilson soll die kriegsmüden Länder der Entente entzweien und die Position der Mittelmächte gegenüber den neutralen Staaten (d.h. vornehmlich den USA) stärken.
Da der Ton der Note unverbindlich gehalten und vor allem keine Bereitschaft Deutschlands erkennbar ist, die besetzten Gebiete zu räumen, ist das Angebot für die Entente unannehmbar. Sie lehnt es am 30. Dezember ab.
Die britische Seeblockade trifft Deutschland schwer, das vor dem Krieg rund ein Drittel seiner Lebensmittel importieren musste. Dazu kommt eine Kartoffelfäule im Herbst 1916, so dass für den grössten Teil der Bevölkerung die Steckrübe, eine Kohlart, zum wichtigsten Nahrungsmittel wird. Es gibt Steckrübensuppe, Steckrübenauflauf, Steckrübenkoteletts, Steckrübenpudding, Steckrübenmarmelade und Steckrübenbrot. Dennoch leidet ein beträchtlicher Teil der Deutschen unter der katastrophalen Ernährungslage. Zwischen 1914 und 1918 sterben in Deutschland schätzungsweise 800'000 Menschen an Hunger und Unterernährung.

Warteschlange vor einem Kartoffelladen (Stadtarchiv Düsseldorf)
Auf Druck der Marineleitung und annexionistischer Kreise nimmt Deutschland den seit September 1915 abgebrochenen uneingeschränkten U-Boot-Krieg – also die Versenkung von Handelsschiffen ohne Vorwarnung – wieder auf, obwohl dadurch mit einer amerikanischen Kriegserklärung gerechnet werden muss. Die deutsche Admiralität ist indes optimistisch: England könne innerhalb von fünf Monaten «in die Knie gezwungen» werden, noch bevor ein eventueller Kriegseintritt der USA sich auswirken werde.
Am 3. Februar brechen die USA die diplomatischen Beziehungen zum Reich ab.

Deutsches U-Boot der UC-1-Klasse mit seiner Besatzung (Wikipedia/PD)
Die Februarrevolution in Russland (am 23. Februar nach dem julianischen Kalender) zwingt Zar Nikolaus II. zur Abdankung. Die Zarenherrschaft in Russland ist damit beendet. Die provisorische Regierung Kerenski führt den Krieg jedoch weiter.
Die deutschen Truppen an der Westfront ziehen sich – für die Alliierten überraschend – auf die stark ausgebaute Siegfriedstellung zurück. Der taktische Rückzug unter dem Codenamen «Alberich» verkürzt die Frontlinien und verbessert die Lage des angeschlagenen deutschen Heeres. Der geräumte Landstrich in Nordfrankreich wird dabei systematisch verwüstet, die Bevölkerung zwangsevakuiert.

Siegfriedstellung bei Bullecourt (Wikipedia/PD)
Nach der Wiederaufnahme des zwischenzeitlich abgebrochenen uneingeschränkten U-Boot-Krieges erklären die USA, die ohnehin schon seit Herbst 1914 Grossbritannien unterstützen, Deutschland den Krieg. «Recht ist kostbarer als Frieden», erklärt Präsident Wilson. Neben dem «maritimen Terror» des U-Boot-Kriegs erzürnt auch die Zimmermann-Depesche das Weisse Haus: Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt in Berlin hat Mexiko Gebiete in Texas, Neu-Mexiko und Arizona versprochen, wenn es den USA den Krieg erklärt. Die Briten fangen das Telegramm ab und informieren Washington.
Der Kriegseintritt der damals schon grössten Wirtschaftsmacht verstärkt das materielle Übergewicht der ohnehin an Ressourcen bereits überlegenen Entente enorm. Im Mai führen die USA die Wehrpflicht ein. Militärisch kommt der amerikanische Kriegseintritt vorerst jedoch kaum zum Tragen.
Der neue französische Oberbefehlshaber Robert George Nivelle befiehlt eine Grossoffensive gegen den Höhenzug Chemin des Dames an der Aisne im zentralen Abschnitt der Westfront. Nivelles Rezept: Mehr vom Gleichen: mehr Soldaten, mehr Artillerie, mehr Granaten. Fast eine Million Soldaten greifen die deutschen Stellungen an. Bis zum 25. April summieren sich die französischen Verluste auf etwa 30'000 Tote und 100'000 Verwundete.
Im Mai kommt es zu Befehlsverweigerungen im französischen Heer: Mehrere französische Fronteinheiten meutern offen. Die Offensive muss abgebrochen werden.
Mitte Mai wird Philippe Pétain anstelle des «Blutsäufers» Nivelle Oberbefehlshaber der Westfront. Mit brutalen Strafmassnahmen wie Todesurteilen gelingt es ihm, die Meuterei zu beenden.

General Nivelle (Wikipedia/PD)
Die ersten 14'000 Soldaten der American Expeditionary Forces (AEF) landen in Europa. Zunächst werden die Truppen aber ausgebildet; erst im Oktober 1917 kommen die ersten amerikanischen Einheiten an die Front. Bis März 1918 kommen drei weitere Divisonen in Frankreich an, doch erst ab Mai 1918 werden die AEF zu einem gewichtigen Faktor an der Westfront: Dann stehen etwa eine Million amerikanische Soldaten in Frankreich, die Hälfte davon an der Front.

Soldaten der AEF nach der Schlacht von St. Mihiel im September 1918 (Wikipedia/PD)
Beginn der Parlamentarisierung des Deutschen Reiches: Im Reichstag formiert sich der sogenannte Interfraktionelle Ausschuss, ein Gremium, das die Zusammenarbeit von Sozialdemokratischer Partei (SPD), Fortschrittlicher Volkspartei (FVP) und Zentrumspartei koordinieren soll. Diese Parteien verfügen seit den Wahlen von 1912 über die Mehrheit im Parlament.
Am 14. Juli tritt Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg zurück.
Erneut versuchen die Alliierten, bei Ypern die deutsche Front zu durchbrechen. Bei den Kämpfen sind die Verluste enorm und die Geländegewinne gering. Den kanadischen und britischen Truppen gelingt am 6. November die Einnahme des Dorfes Paeschendaele; damit endet die Schlacht.
Bilder von der Schlacht um Paeschendaele (Youtube/Hugh Little):
In den Befestigungsanlagen von Schloss Vincennes nahe Paris richtet ein französisches Erschiessungskommando die «exotische Tänzerin» Mata Hari hin. Die aus den Niederlanden stammende Margaretha Geertruida Zelle, wie sie mit bürgerlichem Namen heisst, soll für die Deutschen spioniert haben. Mit ihrem Tod im Morgengrauen beginnt der Mythos Mata Hari.

Mata Hari (Wikipedia/PD)
Österreichische und deutsche Truppen – darunter eine Kompanie unter dem Kommando eines Oberleutnants namens
Erwin Rommel – durchbrechen in der
Schlacht von Karfreit (Caporetto) die italienische Front am Isonzo. Der
Rückzug der Italiener verwandelt sich in eine
Massenflucht; ganze Truppenkontingente desertieren. Italien steht am Rand der Niederlage. Erst die Unterstützung französischer und britischer Hilfstruppen kann die Front am Piave wieder stabilisieren.

Deutsche Soldaten und italienische Gefangene (Wikipedia/PD)
Die Bolschewiki ergreifen in der Oktoberrevolution (nach dem julianischen Kalender am 25. Oktober) die Macht in Russland. Nicht zuletzt ihre Forderung nach einem «Frieden um jeden Preis» macht sie beim kriegsmüden Volk populär. Die neuen Machthaber erlassen ein Dekret Dekret über einen «sofortigen Frieden ohne Annexionen und Kontributionen» und nehmen unverzüglich Waffenstillstandsverhandlungen mit den Mittelmächten auf.

Lenin, der Anführer der Bolschewiki (PD)
Präsident Wilson präsentiert mit den
«14 Punkten» die Friedensbedingungen der USA. Neben konkreten Forderungen wie zum Beispiel der
Räumung der besetzten Gebiete in Belgien und Frankreich oder der Rückgabe von Elsass-Lothringen an Frankreich enthält die Liste auch allgemeine («Freiheit der Meere») und zum Teil vage Punkte («autonome Entwicklung» für die Völker Österreich-Ungarns).
Am 24. Januar
lehnen die Mittelmächte die «14 Punkte» ab.

Bild: AP
US-Präsident Wilson (AP)
Nachdem die Ukraine bereits am 9. Februar einen Friedensvertrag mit den Mittelmächten geschlossen hat, unterzeichnen nun auch die Bolschewiki den Friedensvertrag von Brest-Litowsk. Russland wird nach Osten zurückgedrängt; der Vertrag sieht die Bildung von deutschen Vasallenstaaten von der Ukraine bis zum Baltikum vor. Überdies verschafft der Frieden im Osten den Mittelmächten militärische Handlungsfreiheit im Westen.
Das mit aus dem Osten abgezogenen Truppen verstärkte deutsche Heer startet die Frühjahrsoffensive. Sie soll den Krieg im Westen entscheiden, bevor die Masse der amerikanischen Soldaten dort kampfbereit ist. Die insgesamt fünf verschiedenen Offensiven – die letzte beginnt im Juli – bleiben allesamt nach zum Teil beeindruckenden Anfangserfolgen stecken. Das Scheitern dieser letzten Offensive besiegelt die militärische Niederlage des Reiches, dessen Heer keine Ressourcen mehr für weitere Offensiven hat.
Ende Juni scheitert auch die letzte Offensive der Doppelmonarchie am Piave. Italien geht zum Angriff über.

Deutsche Soldaten mit einem Flammenwerfer an der Westfront (PD)
Offenbar mit den amerikanischen Truppen ist eine Krankheit, die ihren Ursprung vermutlich in Asien hatte, nach Europa gekommen: die Spanische Grippe. Ab Sommer 1918 bis 1920 erfasst sie in drei Wellen weite Teile der Welt und kostet insgesamt mindestens 25 Millionen Menschen das Leben. Besonders tödlich ist dabei die zweite Welle im Herbst 1918.
In der Schweiz fordert die Pandemie zwischen Juli 1918 und Juni 1919 knapp 25'000 Todesopfer. 1805 von ihnen sind Soldaten, davon sterben 926 während des Einsatzes gegen den Generalstreik. Die Spanische Grippe ist die grösste demografische Katastrophe der Schweiz im 20. Jahrhundert.

Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV
Ein Truppenarzt untersucht Schweizer Soldaten in einem Krankenzimmer. (Keystone)
Nach der Schlacht bei Meggido bricht die Palästinafront der osmanischen Armee vollständig zusammen. Noch bedrohlicher ist aber die Entwicklung an der Balkanfront: Bulgarien ersucht die Entente am 26. September um einen bedingungslosen Waffenstillstand. Damit droht ein entscheidender Vorstoss der Alliierten auf dem Balkan.

Zerstörter türkischer Munitionstransport (Wikipedia/PD)
Nachdem Ludendorff am Vorabend angesichts der aussichtslosen militärischen Lage einen Nervenzusammenbruch erlitten hat, fordert die Oberste Heeresleitung (OHL) plötzlich die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen. Am 3. Oktober wird mit Max von Baden als Reichskanzler eine neue Regierung – erstmals auf parlamentarischer Basis – gebildet, die den amerikanischen Präsidenten Wilson um die Vermittlung eines sofortigen Waffenstillstands ersucht.
Mit der Ausrufung der Republik in Prag und der Gründung der Tschechoslowakei beschleunigt sich der Auflösungsprozess der Donaumonarchie. In allen Teilen des Habsburgerreiches kommt es zu politischen Unruhen. Am 29. Oktober konstituiert sich der Staat der Slowenen, Kroaten und Serben. Ende Monat kündigt Ungarn die Realunion mit Österreich auf – die Doppelmonarchie hört damit formal zu existieren auf.
Der Krieg, von dem Wien sich die Stabilisierung der morschen Monarchie versprochen hat, ist ihr zum Verhängnis geworden.

Karte: Das Ende Österreich-Ungarns nach den Pariser Vorortverträgen (Wikipedia/AlphaCentauri) So stellt sich die deutsche Admiralität das Kriegsende vor: Die Hochseeflotte läuft aus und sucht die Entscheidungsschlacht gegen die britische Flotte – entweder ein Überraschungserfolg oder eher ein glorreicher Untergang. Die Mannschaften sehen es anders: Sie verweigern den Befehl zum Auslaufen. Die Meuterei entwickelt sich schnell zu einem allgemeinen Matrosenaufstand. Bis zum 7. November erfasst die November-Revolution von den Marinestützpunkten aus alle grösseren Städte in Deutschland.

Bild: wikimedia
Revolutionäre am 9. November 1918 in Berlin (Bundesarchiv Bild 183-B0527-0001-810)
Hunderttausende demonstrieren in Berlin, Soldaten solidarisieren sich mit den Sozialdemokraten. Reichskanzler Max von Baden verkündet die Abdankung des Kaisers, der SPD-Abgeordnete Philipp Scheidemann ruft vom Balkon des Reichstages die Republik aus – es ist das Ende der Monarchie in Deutschland.
Lange zögert er; träumt noch davon, mit dem deutschen Feldheer nach dem Waffenstillstand gegen die Revolution in Deutschland marschieren zu können. Doch der glücklose Kaiser hofft vergeblich auf eine Wendung. Seine Zeit ist um. Er flieht in die Niederlande ins Exil. Dort unterschreibt er, erst am 28. November, seine Abdankungserklärung.

Kaiser Wilhelm II. (4.v.l.) an der belgisch-niederländischen Grenze (Bundesarchiv Bild 183-R12318)
In der Schweiz ruft das Oltener Aktionskomitee (OAK) nach einem Proteststreik am 9. November den unbefristeten Generalstreik für den 12. November aus. Der Bundesrat unterstellt darauf das Bundespersonal der Militärgesetzgebung. Bis zum 14. November schlägt die Armee den Landesstreik nieder. Dabei erschiessen die Soldaten in Grenchen drei Streikende.

Bild: KEYSTONE
Streikende Arbeiter in Bellinzona
In einem Eisenbahnwaggon in Compiègne schliessen die Entente-Mächte mit dem Deutschen Reich einen Waffenstillstand. Damit ist der Erste Weltkrieg beendet.

Nachkolorierte Fotografie aus dem Jahr 1918
In dem vierjährigen Gemetzel sind insgesamt fast zehn Millionen Soldaten umgekommen; über zwanzig Millionen sind verwundet worden. Knapp acht Millionen Zivilisten sind zu Tode gekommen.

Britischer Soldatenfriedhof in Flandern (Shutterstock)
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