Liverpools Krise droht historisch zu werden: «Herausforderungen gehören dazu»
Der FC Liverpool ist in eine Minikrise gerutscht, die fast schon historische Ausmasse annimmt. Das bittere 1:2 zuhause gegen Manchester United war die vierte Niederlage in Serie für die Reds – drei in der Liga, eine in der Champions League gegen Galatasaray Istanbul. Als das zum letzten Mal passierte, schrieben wir das Jahr 2014. An der Seitenlinie stand Brendan Rodgers, auf dem Platz Spieler wie Mario Balotelli, Raheem Sterling, Emre Can, Martin Skrtel oder Steven Gerrard und Liverpool war nur auf Platz 12 zu finden.
So schlimm ist es heuer noch nicht. Mit den drei Premier-League-Pleiten in Folge hat das Team von Trainer Arne Slot zwar den Anschluss an Leader Arsenal verloren, ist aber gemeinsam mit Bournemouth immer noch auf Rang 3 zu finden. Sorgen macht sich deshalb auch Slot noch keine: «Wir haben viermal in Folge verloren, das ist eine Herausforderung. Aber Herausforderungen gehören zum Leben eines Fussballtrainers.»
Der Niederländer glaubt auch nicht, dass seine Spieler jetzt das Selbstvertrauen verlieren. «Bei jeder unserer Niederlagen haben wir in der zweiten Halbzeit unfassbar viele Chancen kreiert», erklärte Slot seinen Gedankengang. Wenn ihnen das weiterhin gelänge und sie gleichzeitig andere, kleine Dinge verbessern könnten, dann würden sie auch wieder Spiele gewinnen, ist sich Slot sicher.
Was der Liverpool-Trainer dabei verschweigt, ist Liverpools grösste Schwäche in dieser Saison: die Verteidigung. In der letztjährigen Meistersaison haben die Reds in den ersten acht Spielen nur drei Tore kassiert. Heuer steht die Anzahl der Gegentreffer zum gleichen Zeitpunkt bereits bei elf. Liverpool ist hinten zu anfällig – sowohl aus dem Spiel heraus, als auch bei Standardsituationen.
Gemäss einer Analyse von The Athletic lässt Slots Team in der Premier League die viertmeisten Gegentore nach ruhenden Bällen zu. Mit 7,1 Gegentoren pro 100 Standardsituationen sind nur noch Nottingham Forest, West Ham und Leeds schlechter. Aber eben auch aus dem Spiel heraus ist Liverpool anfällig – was gegen Manchester United ebenfalls sichtbar war.
«Wir haben einige falsche Entscheidungen getroffen. Nach Ballverlusten standen wir viel zu offen. Es war ein enttäuschender Tag», analysierte Abwehrchef und Capain Virgil van Dijk die Niederlage gegen Manchester United. Die Statistiken bestätigen das. Beiden Teams wurden am Ende des Spiels fünf grosse Chancen angerechnet.
Slot hat also recht, dass seine Mannschaft sehr oft zu vielen Chancen kommt. Dafür muss Liverpool aber auch offen stehen. Gemäss understat.com lassen die Reds am sechstmeisten gegnerische Chancen in der Premier League zu. Die 12,21 Expected Goals Against aus den ersten acht Spielen sind deutlich höher als bei den beiden anderen Spitzenteams Manchester City (8,24) oder Arsenal (5,54).
Diese defensive Anfälligkeit wird derzeit mit einer auffälligen Ineffizienz der Liverpool-Angreifer gepaart. Mo Salah hat nach elf wettbewerbsübergreifenden Pflichtspielen erst drei Tore auf dem Konto. Die teuren Einkäufe Alexander Isak (145 Millionen Euro) und Florian Wirtz (125 Millionen Euro) stehen mit erst einem, respektive noch gar keinem Saisontor da. Slot hat eine Idee: «Vielleicht sollten wir weniger kreieren und mehr skoren.» Wenn es denn so einfach wäre.
Auch den Spielern ist klar, dass nun eine Reaktion folgen muss. Selbst wenn Van Dijk sagt: «Man muss die Dinge relativieren: Wir befinden uns erst im Oktober, es kann also noch viel passieren.» Trotzdem steht Liverpool unter Druck, wenn es am Mittwoch zum Auswärtsspiel in der Champions League bei Eintracht Frankfurt antritt. Eine weitere Pleite wäre dann tatsächlich historisch: Zum letzten Mal fünf Spiele hintereinander verlor der FC Liverpool im Jahr 1953.