Grösste Uber-Demo der Schweiz: «Es reicht nicht mehr zum Leben»
Am Montagmorgen kam es in Zürich zur grössten Demonstration gegen Uber in der Geschichte der Schweiz. Gemeinsam protestierten rund 300 Fahrerinnen und Fahrer gegen die tiefen Fahrpreise und hohen Kommissionsanteile von Uber und Bolt.
Ihre Kritik: Wer heute mit dem Auto Fahrgäste durch Zürich fährt, verdient kaum mehr genug zum Leben. Zudem klassifiziert Uber Fahrer als Selbständige und übernimmt deshalb weder Sozialabgaben noch Versicherungen. Bolt funktioniert gleich. Seit dem Schweizer Markteintritt des estnischen Konkurrenten Bolt im Frühling 2024 hat sich die Situation weiter verschärft. Um konkurrenzfähig zu bleiben, senkte Uber die Preise erneut – auf Kosten der Fahrer, deren Einkommen seither massiv eingebrochen ist.
Immer wieder wird weltweit über Einschränkungen oder gar Verbote von Uber diskutiert, von London bis Brüssel, von Paris bis Genf. Auch in Zürich fordern nun immer mehr Fahrerinnen und Fahrer klare Regeln und bessere Preise.
«Früher noch 7000 Franken verdient»
Abdo Amjad (45) fährt seit 2009 Taxi, früher auch über Uber und Bolt, heute als selbständiger Taxifahrer. Er sagt: «Die App von Uber ist wirklich super, das muss man ihnen lassen. Aber die Preise sind viel zu tief, und Uber kassiert von jeder Fahrt 25 Prozent.» Die Schattenseiten davon: «Viele Uber-Fahrer sind offiziell selbständig, machen aber Schwarzarbeit. Ich kenne Leute, die für Uber fahren und gleichzeitig beim Sozialamt gemeldet sind. Auto und Konto laufen dann über Verwandte.»
Amjad selbst ist offiziell registriert, hat einen Schweizer Taxiausweis und seine eigene Firma. «Wenn du heute 12 Stunden für Uber arbeitest, verdienst du vielleicht 200 Franken brutto pro Tag. Früher, vor Uber, konntest du als selbständiger Taxifahrer mit sehr viel Arbeit 7000 bis 8000 Franken im Monat machen.»
Die Situation werde «immer schlimmer», weil Bolt und Uber ihre Preise gegenseitig runterdrücken. «Ich verstehe nicht, warum die Schweiz nichts unternimmt gegen diese Apps. Wir sollten eine eigene Schweizer App haben für Taxidienste.»
Einkommen um 60 Prozent eingebrochen
Katharina Toth (49) fährt seit sechs Jahren für Uber und seit 2024 auch für Bolt. «Wir dürfen eigentlich nur neun Stunden pro Tag fahren, aber das reicht nicht zum Überleben», sagt sie.
Am Ende des Monats bleibe praktisch nichts übrig. «Wir müssen Sozialbeiträge selbst bezahlen, Uber beteiligt sich an nichts. Dafür braucht man in Zürich mindestens 4000 Franken netto. Aber wir verdienen pro Kilometer nicht einmal 50 Rappen.»
Für sie ist klar: «Die Preise müssen gesetzlich reguliert werden. Es kann nicht sein, dass Menschen zwölf Stunden am Tag arbeiten und trotzdem kein ausreichendes Einkommen haben.» Seit sie als Taxifahrerin begonnen habe, seien die Preise wegen der Plattformen um knapp 60 Prozent eingebrochen. «Ich verdiene immer weniger, während das Leben in Zürich immer teurer wird», sagt Toth.
4000 Fahrer bedroht
Sebastiano Guarino (60) fährt seit 20 Jahren Taxi. Früher war er bei einer Limousinen-Firma angestellt, heute arbeitet er selbständig und nimmt zwischendurch Uber-Aufträge, wenn Flaute herrscht. «Uber und Bolt haben die ganze Branche ruiniert», sagt er. «Als Taxifahrer bekommst du kaum noch Kunden. Über Uber hast du fünfmal so viele, aber die Preise sind absurd tief. Mein Auto kostet mich 1.30 Franken pro Kilometer, und Uber deckt nicht einmal die Fixkosten.»
Guarino war einer der Mitorganisatoren der Demonstration in Zürich. Er habe sich entschlossen, selbst aktiv zu werden, «weil sich einfach nichts bewegt». Einige Kollegen hätten ihm im Vorfeld geschrieben, der Versuch sei ohnehin nutzlos. «Aber ich fand: Wenn wir uns nicht vereinen, ändert sich gar nichts. Wir müssen unsere Botschaft an die Schweizer Politik richten, denn Uber selbst wird sowieso nichts unternehmen.»
Dass so viele Fahrer gekommen sind, habe ihn gefreut. «Es zeigt, wie sehr das Thema die ganze Branche beschäftigt. Das Problem ist, dass die Fahrerinnen und Fahrer keine Stimme, keine Lobby haben.»
Guarino fordert, dass die Behörden endlich eingreifen: «In Zürich gibt es rund 4000 Taxifahrerinnen und -fahrer. Wenn das so weitergeht, landen viele bei der Sozialhilfe – und dann zahlt die Allgemeinheit. Ich bin 60, ich kann nichts anderes mehr machen. Der Staat muss die Augen öffnen.»
Uber gibt sich gelassen
Uber zeigt sich entspannt bezüglich des Streiks. Sie erwarten am Montag keine grösseren Auswirkungen auf ihr Angebot, sagt ein Sprecher gegenüber Blick.
Er verweist auf ein «neues Modell», das den Fahrerinnen und Fahrern mehr Freiheit geben soll. Er führt aus: «Selbstständige, lizenzierte Fahrer können ihre Preise jederzeit anpassen und selbst auf die Marktsituation reagieren.»
Für die Fahrer ist jedoch klar: Die Möglichkeit, die Preise selbst zu bestimmen, hilft wenig, wenn der Markt sie nach unten drückt.
