Die Geschichte ist komplex, der Inhalt brisant. Wie die Rundschau und der Tages-Anzeiger übereinstimmend berichten, steht der SVP-Nationalrat Pirmin Schwander im Visier der Justiz.
Der Kritiker der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) soll einer Frau aus Biel geholfen haben, die ihre eigene Tochter entführte. Er und weitere Kritiker liessen der Frau Geld zukommen, verschafften ihr ein Versteck in Spanien und besuchten sie dort mehr als einmal.
Schwander bestätigte, mit der Frau in Kontakt gekommen und ihr Geld gegeben zu haben. «Die Frau hat Hilfe gebraucht», sagte er in der «Rundschau». Kinder dürften den Eltern «nur im äussersten Notfall» weggenommen werden.
Der erste Kontakt zur Mutter sei Ende Januar 2016 zustande gekommen - er hätte sich gern früher gekümmert. In ihrem Fall sei «alles schief gelaufen», alle Behörden hätten versagt.
Acht Monate lang hielt die Mutter ihre eineinhalbjährige Tochter in Spanien, Frankreich und Italien versteckt, bevor die französische Polizei sie verhaftete. Beide waren wohlauf, wie es heisst.
Details gibt es wenige, es laufen Ermittlungen gegen mehrere Personen, unter ihnen ist Schwander. Ihm wird vorgeworfen, er habe die Mutter über ihren Anwalt mit 7000 Franken unterstützt.
Schwander hat nun gegenüber der Rundschau zugegeben, dass er dem Anwalt der Frau Geld gegeben hat. Dieser sei unangemeldet vor seiner Türe aufgetaucht, so der SVP-Mann. Es sei eine spontane Handlung gewesen: «Die Situation hat mir ziemlich leid getan, die Mutter und ihr Kind. Und auf der anderen Seite, der Anwalt, der in diesem Fall noch nie Geld gesehen hatte. Deshalb habe ich ihm entsprechend Geld gegeben.»
Der Anwalt der Mutter und seine Sekretärin waren zwei Monate lang in Untersuchungshaft. Gegen Schwander wird wegen Gehilfenschaft in dem Entführungsfall ermittelt, die mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug bestraft werden kann, wie es im TA-Artikel heisst.
Schwander hat sich voll und ganz dem Kampf gegen die KESB verschrieben, wie die «Rundschau» von Mittwochabend deutlich macht. Er investiert vier Stunden täglich, um gegen die Behörde zu kämpfen. Auch am Wochenende.
Nun plant der SVP-Nationalrat zusammen mit dem Verleger der Rapperswiler «Obersee Nachrichten» einen Rechtsschutz anzulegen: Für Leute, die sich mit der KESB anlegen. Auch eine Anti-KESB-Initiative im Kanton Schwyz hat Schwander schon auf die Beine gestellt. «Ich kann nicht mehr alles alleine machen», so Schwander in der «Rundschau».
Denn wie in der SRF-Reportage zu sehen ist, kümmert sich Schwander nicht nur um die Frau aus Biel. In Begleitung von Kameras besucht er in der Sendung eine demente Frau, die sich ebenfalls gegen einen KESB-Entscheid wehrt. Um wie viele Einzelfälle sich Schwander kümmert, bleibt unklar. Es dürften einige sein.
Die Bieler Mutter sitzt weiter in Haft. Sie hat neben der Tochter, die jetzt drei Jahre alt ist, einen Sohn im Primarschulalter. Die Kinder stammen von verschiedenen Partnern, von beiden trennte sie sich, bevor die Kinder zur Welt kamen.
Der Vater des Sohnes, ein Asylbewerber aus Indien, ist den Strafbehörden bekannt. Weil er mit einem Beil auf einen Mann los ging und diesen schwer verletzte, wurde er wegen vorsätzlicher Tötung zu fünfeinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Mutter sagte immer wieder, der Vater könnte den Sohn entführen und weigerte sich, ihn in Kindergarten und Schule zu schicken. Der Knabe wurde ihr entzogen.
2014 entschied die KESB, auch die neugeborene Tochter in einem Heim zu platzieren. Dort besuchte sie sie regelmässig, bis sie sie schliesslich nicht mehr zurückbrachte.
Gemäss dem «Tages-Anzeiger» kann Schwander im Fall des entführten Mädchens nicht auf seine parlamentarische Immunität vertrauen. Schwander wird vom bekannten Anwalt Valentin Landmann vertreten. Schwander sagt, er werde in seiner Arbeit gegen die KESB gestört. Seit gegen ihn ermittelt wird, könne er nicht mehr schlafen. (cma/feb/sda)