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Zuwanderung in die Schweiz macht keine Probleme – sie löst Probleme

Zuwanderung in die Schweiz macht keine Probleme – sie löst Probleme

04.07.2017, 11:0004.07.2017, 12:39
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Die hohe Zuwanderung verdrängt die einheimische Bevölkerung nicht aus dem Arbeitsmarkt und führt kaum zu Lohndumping. Zu diesem Schluss kommt das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) auch in seinem jüngsten Bericht.

Die hohe Zuwanderung führt zwar seit Jahren zu politischen Kontroversen, aber nicht zu mehr Arbeitslosigkeit. Die Erwerbsbeteiligung hat in den letzten 15 Jahren zugenommen – sowohl bei den Schweizerinnen und Schweizern als auch bei den Zuwanderern, wobei Zuwanderer ein erhöhtes Erwerbslosigkeitsrisiko haben.

Die Zuwanderung hat mit dem freien Personenverkehr deutlich zugenommen. Vergangenes Jahr wanderten unter dem Strich 56'300 Personen ein. Seit Einführung der Personenfreizügigkeit waren es im Durchschnitt 65'500 Personen jährlich, knapp zwei Drittel aus der EU.

Arbeitskräftemangel verhindert

Das SECO erklärt die hohe Zuwanderung mit der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung in der Schweiz. Die Wirtschaft hat einen grossen Bedarf an Arbeitskräften, die seit der Einführung der Personenfreizügigkeit im EU-Raum rekrutiert werden können.

Zuwanderer belasten die Arbeitslosenversicherung

Die Zuwanderung beflügelt die Wirtschaft und stützt die Altersvorsorge. Für die Arbeitslosenversicherung (ALV) hingegen ist sie ein Verlustgeschäft. Selbst Bürgerinnen und Bürger von EU- und EFTA-Ländern beziehen mehr Leistungen, als sie einzahlen. 2015 lagen die geleisteten ALV-Beiträge 20 Prozent tiefer als die bezogenen Arbeitslosengelder. Das zeigt eine Bilanz zur Personenfreizügigkeit mit der EU, die das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) am Dienstag veröffentlicht hat. (sda)

Besonders gross ist die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften. Ohne Personenfreizügigkeit wäre es laut dem Bericht zu einem Fachkräftemangel gekommen. In den entsprechenden Branchen sind 16 Prozent der Beschäftigten EU-Zuwanderer, über alle Wirtschaftszweige beträgt der Anteil 12 Prozent.

Die Reallöhne seien mit durchschnittlich 0,8 Prozent pro Jahr robust gewachsen, schreibt das SECO. Am ehesten deute ein leicht gedämpftes Lohnwachstum bei den Hochqualifizierten auf einen möglichen Zusammenhang mit der Zuwanderung hin. Bei den tiefen Löhnen hätten sich die flankierenden Massnahmen als wirksames Instrument zum Schutz der Löhne erwiesen.

Zunehmend aus Süd- und Osteuropa

Aus welchen Ländern Personen einwandern, hängt von der wirtschaftlichen Situation in den Herkunftsländern ab. Während in den Jahren vor der Krise viele aus Deutschland einwanderten, gewann in den Jahren danach die Zuwanderung aus Süd- und Osteuropa an Bedeutung.

Mit der Ventilklausel wird die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien vorübergehend wieder gesteuert. Zudem sieht das SECO ein begrenztes Potenzial für künftige Wanderungen aus diesen Ländern, weil die Erwerbsbevölkerung wegen der starken Abwanderung bereits beachtlich geschrumpft ist.

Künftig gibt es ein weiteres Instrument, das negative Auswirkungen der Zuwanderungen abfedern soll: Die Stellenmeldepflicht in Berufsgruppen mit erhöhter Arbeitslosigkeit, die das Parlament zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative beschlossen hat. Diese ergänze die bestehenden flankierenden Massnahmen zum Schutz der Lohn- und Arbeitsbedingungen, hält das SECO fest. (whr/sda)

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73 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Madison Pierce
04.07.2017 11:44registriert September 2015
Das ist bezogen auf die Wirtschaft sicher richtig. Aber die Schweiz besteht nicht nur aus der Wirtschaft. Die anderen, teils negativen, Folgen der Zuwanderung wurden ausgeblendet: Dichtestress, überlastete Strassen und Züge, unerschwingliche Preise für Wohneigentum etc.

Ich würde gerne einmal eine Rechnung sehen, die alles berücksichtigt. Nur so kann man entscheiden, ob einem das Wirtschaftswachstum die Nachteile wert ist oder ob man lieber mit weniger Bruttosozialprodukt, dafür weniger Einwohnerdichte leben würde.

Ein Ferrari ist immer besser als ein Golf, wenn man nur die PS vergleicht...
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Menel
04.07.2017 11:18registriert Februar 2015
"Besonders gross ist die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften."

Aber schön weiterhin die Lehrberufe in den Himmel loben (obwohl in den Sektoren die meisten Arbeitsplätze verschwinden), weiter bei Bildung sparen, Studenten noch mehr Steine in den Weg legen, gut ausgebildete Frauen nach Familiengründung vom Arbeitsmarkt wegdrücken und es Erwachsenen finanziell weiterhin fast verunmöglichen sich weiter zu bilden.
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Theor
04.07.2017 11:27registriert Dezember 2015
"Fachkräfte" ist für mich das Unwort des Jahrhunderts.
Die Gegner verfluchen es. Die Befürworter bejubeln es. Keiner weiss, was darunter verstanden wird.

Ich würde meinen Kindern gerne mal sagen können, was sie studieren sollen, weil man es in der Schweiz seit 20 Jahren vergeblich sucht. aber ich weiss einfach nicht, was für ein Studium das nun sein soll. Nur dass es in der Schweiz angeblich nie davon hat, sondern nur im Ausland.
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