Kurz vor Ostern präsentierte das Institut für Wirtschaftsforschung in München (ifo) einen Vergleich der Netto-CO2-Belastung eines Diesel-Mercedes und eines Teslas. Der etwas erstaunliche Befund: Der Diesel-Mercedes soll weniger belastend sein als der Tesla.
Wenige Monate später, Mitte Juni, doppelt das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) mit Sitz in Freiburg (Deutschland) nach. Diese Studie besagt: Wasserstoffautos sind am effizientesten. Wiederum ziehen Batterie-Elektroautos (BEVs) den Kürzeren. Auch gegenüber den Diesel-Fahrzeugen.
Die Resultate sind Wasser auf die Mühlen der Elektroautogegner. Aber sind sie denn auch richtig?
Nein, sagt Auke Hoekstra der technischen Universität Eindhoven. Sein Spezialgebiet ist die Elektromobilität. In Bezug auf die beiden Studien erstellte er eine Liste mit diversen Tricks, wie in Untersuchungen reine Batterieelektroautos (BEVs) schlecht gerechnet werden können.
Die Achillesferse der BEVs ist die Produktion der Batterien. Diese kann in zwei Schritte unterteilt werden: in die Gewinnung der Rohstoffe und den eigentlichen Zusammenbau. Vor allem beim Zusammenbau der Batterie zeigen neuere Studien, dass heutige Verfahren deutlich energieeffizienter sind. Das heisst: Sie benötigen weniger Strom. Dazu kommt, dass immer mehr Produktionsstätten mit Strom aus Erneuerbaren versorgt werden (siehe Gigafactory).
Hoekstra geht deshalb von einer Emission von ca. 65 Kilogramm CO2 pro kWh aus. Sowohl die ifo- wie auch die ISE-Studie berechnen dafür mehr als das Doppelte (145 –195 kg/kWh), weil sie sich auf überholte Studien berufen. Damit legten sie den Grundstein des schlechten Abschneidens der BEVs.
Der Motor eines BEVs ist im Vergleich zum Verbrennungsmotor klein und einfach herzustellen. Ausserdem fallen diverse Getriebeteile und der Tank weg. Dies muss in einer seriösen Studie entsprechend berücksichtigt werden. Hoekstra glaubt an eine Einsparung von 1-2 Tonnen CO2 pro BEV.
ifo wie auch ISE glauben an ein Batterieleben von 150'000 Kilometern. Danach wird der gesamte Wagen entsorgt und recyclet. Sowohl Verbrenner wie auch BEVs halten aber deutlich länger durch. Für Elektrofahrzeuge liegen noch keine empirischen Zahlen vor. Ein Tesla-Fahrzeug eines US-Taxi-Unternehmens hat mit einer Batterie aber bereits 300'000 Kilometer erreicht. Ein zweites Fahrzeug steht kurz davor, mit der ersten Originalbatterie 500'000 Kilometer zu knacken.
Auch wenn eine Batterie in einem BEV den Dienst abgedient hat, wird diese nicht einfach entsorgt. Sie ist danach noch immer gut genug, um zum Beispiel als Speicher einer Solaranlage zu dienen. Dies wird in Studien gerne unterschlagen.
Die ifo-Studie nahm für den Diesel einen Verbrauch von 4,5 Liter pro 100 Kilometer an. Dass es sich beim gewählten Mercedes ausgerechnet um den (auf dem Papier) umweltfreundlichsten seiner Klasse handelt, sei verziehen, der Einsatz des veralteten NEFZ-Messverfahrens aber ist fahrlässig.
Die ISE-Studie wiederum geht davon aus, dass der Strom für die Wasserstoffproduktion vor allem von Windkraftwerken produziert wird – die Batterie der BEVs aber wird mit einer Solaranlage geladen. Windstrom (14 g CO2/kWh) ist deutlich umweltfreundlicher als Solarenergie (48 g CO2/kWh). Hoekstra fragt sich, weshalb hier Birnen mit Äpfeln verglichen werden.
Rechnet man die Produktion und den Transport von Diesel mit ein, produziert der flüssige Energieträger laut Hoekstra zusätzliche 21% CO2. Diese werden oft unterschlagen oder grandios unterboten.
Die CO2-Emissionen pro Kilowattstunde des europäischen Strommixes sind seit Jahren rückläufig (siehe watson-Grafik unten). Im Schnitt gehen sie jährlich um 9 Gramm pro kWh zurück. In Deutschland sind es sogar 15 Gramm. Dies muss in den Berechnungen berücksichtigt werden, zumal die Lebensdauer eines Elektrofahrzeugs weit über 10 Jahre hinausreicht.
Wer die Netto-Emissionen von Fahrzeugen berechnen will, muss eine Vielzahl von Variablen berücksichtigen. Wer sich dabei auf viele Annahmen von überholten Studien bezieht und die neuere Forschung ignoriert, kann sich für Elektrofahrzeuge schlechte Resultate zurechtrechnen. Und macht sich verdächtig.
Die Frauenhofer-Studie ist transparent. Sie wurde von der H2 Mobility Deutschland bezahlt – der Interessensgemeinschaft für Wasserstoff. Das wird bereits in der Einleitung auf der Homepage deutlich. Die H2 Mobility wird wiederum von Shell, BMW, Honda, Daimler, Toyota und Hyundai getragen. Also von den Herstellern (Mercedes, Toyota, Hyundai), die bereits über ein serienmässiges Wasserstofffahrzeug verfügen. Auch die Interessen von Shell sind eindeutig. Shell will sein Vertriebsnetz und die Tankstellen weiter nutzen, auch wenn der Verbrenner ausgehustet hat. Wasserstoff würde dies in einem gewissen Grad ermöglichen. BEVs, die sich auch gemütlich zu Hause (mit der eigenen Solaranlage) laden lassen, bedeuten hingegen weniger Kundschaft.
Die ifo-Studie ist in dieser Hinsicht weniger transparent. Mitautor ist der ehemalige Präsident des Instituts. Man kann davon ausgehen, dass es zwischen dem ehemaligen Präsidenten und der mächtigen Autoindustrie in der Nachbarschaft gewisse Berührungspunkte gibt. Das ifo wird unter anderem von einer «Freundesgesellschaft» unterstützt, die laut Homepage aus «Persönlichkeiten aus dem Wirtschaftsleben, grossen Unternehmen, Banken, Versicherungsgesellschaften und Wirtschaftsverbänden» besteht. Wer genau dahinter steht, wird nicht offen gelegt.
Klar ist nur: Die besagte Studie durchlief den klassischen wissenschaftlichen Peer-Review-Prozess nicht, sondern wurde über den Schnelldienst auf der Homepage veröffentlicht. Nachrichtenagenturen griffen dann die Pressemitteilung (zum Teil sehr unkritisch) auf.
Bei der Suche nach dem Antrieb des Strassenverkehrs der Zukunft geht es nicht um Milliarden. Es geht um Billionen. Es geht nicht einfach um ein paar tausend Arbeitsstellen. Es geht um Millionen. Alleine in Deutschland waren 2001 über 860'000 Menschen in der Automobilindustrie beschäftigt. Mit entsprechend harten Bandagen wird gekämpft. Influencemap.org geht davon aus, dass die Ölindustrie seit 2015 eine Milliarde Dollar für Lobbying und die Streuuung von Fehlinformationen zum Klimawandel ausgegeben hat.
Auke Hoekstra stellt den BEVs keinen Persilschein aus. BEVs belasten die Umwelt – aber weit weniger, als Verbrenner und auch Wasserstoff-Fahrzeuge. Aufgeladen nur mit einer Photovoltaikanlage können die Emissionen mit einem BEV auf 0,05 kg CO2/km gedrückt werden. Bei einem Dieselfahrzeug sind es bestenfalls 0,2 kg, Wasserstofffahrzeuge schaffen ca. 0,075 kg.
The original Fraunhofer study can be found here: https://t.co/F0VCbB68HN
— AukeHoekstra (@AukeHoekstra) July 25, 2019
Let's start with my end-result. The arrows show what happened after I made the corrections:
electric vehicles clearly emit less CO2 than hydrogen,
and diesel. (Simple chart at the end later.) pic.twitter.com/dHjoA3hWhR
Wäre wirklich einmal sinnvoll, wenn man eine vergleichbare unabhängige Studie mit breit abgestützten Parametern und Gewichtungen vorliegen würde. Zum Beispiel auch die Nm der verglichenen Modelle betrachten. Bringt ja nichts, ein Deux Cheveaux mit einem Porsche (übertragenen Sinne) in Sachen Verbrauch zu vergleichen.
Auch wichtig finde ich, den aktuellen Bestand sprich Occasion-Markt zu betrachten, diese Fahrzeuge müssen schliesslich nicht mehr hergestellt werden.
Batterien können durch Erforschung neuer Technologien durchaus umweltfreundlicher und energiereicher werden, Treibstoffe wie Benzin und Diesel hingehen nicht (oder nicht sehr viel)