Es gibt drei Seiten bei diesem Transfer. Als erster und vielleicht wichtigster Beteiligter wäre da der Verein: Borussia Dortmund.
Der Bundesligist veröffentlichte im vergangenen Dezember einen Grundwertekodex mit dem Anspruch, «Leitbild für das Handeln jeder und jedes Einzelnen im Verein zu sein». Darin steht unter anderem, dass sich der Klub für «ein Vereinsleben und eine Gesellschaft ohne Rassismus, Antisemitismus, LGBTI+-Feindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Diskriminierung» einsetzt.
Nun einen Spieler zu verpflichten, der in der Vergangenheit unter anderem mit dem Verbreiten homophober und LGBTI+-feindlicher Inhalte auf Instagram auffiel, ist ein klarer Bruch mit dem Kodex, der «ein Meilenstein in der Geschichte unseres Vereins» sein sollte, wie Präsident Dr. Reinhold Lunow sagte. Zwar beschwichtigen die Verantwortlichen um Lunow und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, dass der Spieler sie überzeugen konnte, «kein transphobes oder homophobes Gedankengut in sich zu tragen». Wie glaubhaft dies in einem einzelnen Gespräch gemacht werden kann, darf durchaus infrage gestellt werden.
Dies bringt uns zu der zweiten Seite, die es bei diesem Transfer zu beachten gilt. Jene des Spielers: Felix Nmecha. Der 22-jährige deutsche Nationalspieler ist streng-gläubiger Christ. In so gut wie jedem seiner Posts erwähnt er Gott oder Jesus. Gleichzeitig vertritt er jedoch auch Meinungen, die mit der vermeintlich gross geschriebenen Toleranz von Borussia Dortmund nicht vereinbar sind. Im Februar teilte der Mittelfeldspieler ein transfeindliches Video des rechtspopulistischen US-Bloggers Matt Walsh. Im Juni, dem «Pride Month» der LGBTI+-Community, folgte ein Video, das «Pride» dem Teufel zuordnete.
Als die Kritik auch infolge der Gerüchte eines Wechsels von Nmecha zum BVB immer lauter wurde, reagierte er mit einem Statement. «Es ist wichtig, dass ich klarstelle, dass ich alle Menschen wirklich liebe und niemanden diskriminiere.» Diese Klarstellung zitieren auch die Verantwortlichen in Dortmund, wenn sie die Verpflichtung des ehemaligen Wolfsburgers für angeblich rund 30 Millionen Euro rechtfertigen.
Auch an der Ehrlichkeit dieser Aussagen lässt sich zweifeln. Zumal Nmecha erst Wochen und Monate nach seinen ursprünglichen Posts auf die Kritik reagiert. Kurz bevor sein Wechsel zum BVB publik gemacht wird. Nun hofft er, dass «die Fans mir die Chance geben werden, um mich kennenzulernen».
Der Klub und der Spieler heucheln nun also gemeinsam vor, dass sich Nmecha geändert habe, die geteilten Inhalte seine Meinung nicht widerspiegeln und er weder homophob noch transfeindlich sei. Obwohl sich Menschen und ihre Ansichten selbstverständlich ändern können, ist eine 180-Grad-Wende in solch kurzer Zeit nicht glaubwürdig vertretbar.
So scheint ein Grossteil der Fans, die dritte Seite bei diesem Transfer, davon noch nicht überzeugt. Das Unverständnis und die Kritik am BVB, den aus Sicht von Sportdirektor Sebastian Kehl «schnellen, technisch versierten und physisch starken» Fussballer trotzdem verpflichtet zu haben, ist gross. «Peinlich», «ekelhaft» oder «miserabel» ist in den sozialen Medien über den Transfer zu lesen.
Doch spätestens, wenn Nmecha starke Leistungen bringt oder ein wichtiges Tor schiesst, wird ein Grossteil der Fans die Aufregung vergessen haben und – vielleicht auch erst nach anfänglicher Verhaltenheit – trotzdem jubeln.
Lasst den Mensch zuerst einmal erwachsen werden.
Die Zukunft wird es zeigen, ob er das Gedankengut weiter in sich hat oder nicht.