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Borussia Dortmund und Felix Nmecha – ein Transfer voller Heucheleien

19.05.2023, Freiburg, Germany, Europapark Stadio, SC Freiburg vs VfL Wolfsburg - 1. Bundesliga, Felix Nmecha (VfL Wolfsburg) gestikuliert, gestik (Foto H. Langer, H. Langer) DFB/DFL REGULATIONS PROHIB ...
Sein Transfer vom VfL Wolfsburg zu Borussia Dortmund sorgt für erhitzte Gemüter: Felix Nmecha.Bild: IMAGO / Langer
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Ein Transfer, an Heucheleien nicht zu überbieten

Borussia Dortmund will verbinden – und holt sich einen Spieler, der durch das Teilen von transfeindlichen und homophoben Inhalten aufgefallen ist.
04.07.2023, 19:3205.07.2023, 15:03
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Es gibt drei Seiten bei diesem Transfer. Als erster und vielleicht wichtigster Beteiligter wäre da der Verein: Borussia Dortmund.

Der Bundesligist veröffentlichte im vergangenen Dezember einen Grundwertekodex mit dem Anspruch, «Leitbild für das Handeln jeder und jedes Einzelnen im Verein zu sein». Darin steht unter anderem, dass sich der Klub für «ein Vereinsleben und eine Gesellschaft ohne Rassismus, Antisemitismus, LGBTI+-Feindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Diskriminierung» einsetzt.

Nun einen Spieler zu verpflichten, der in der Vergangenheit unter anderem mit dem Verbreiten homophober und LGBTI+-feindlicher Inhalte auf Instagram auffiel, ist ein klarer Bruch mit dem Kodex, der «ein Meilenstein in der Geschichte unseres Vereins» sein sollte, wie Präsident Dr. Reinhold Lunow sagte. Zwar beschwichtigen die Verantwortlichen um Lunow und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, dass der Spieler sie überzeugen konnte, «kein transphobes oder homophobes Gedankengut in sich zu tragen». Wie glaubhaft dies in einem einzelnen Gespräch gemacht werden kann, darf durchaus infrage gestellt werden.

Dies bringt uns zu der zweiten Seite, die es bei diesem Transfer zu beachten gilt. Jene des Spielers: Felix Nmecha. Der 22-jährige deutsche Nationalspieler ist streng-gläubiger Christ. In so gut wie jedem seiner Posts erwähnt er Gott oder Jesus. Gleichzeitig vertritt er jedoch auch Meinungen, die mit der vermeintlich gross geschriebenen Toleranz von Borussia Dortmund nicht vereinbar sind. Im Februar teilte der Mittelfeldspieler ein transfeindliches Video des rechtspopulistischen US-Bloggers Matt Walsh. Im Juni, dem «Pride Month» der LGBTI+-Community, folgte ein Video, das «Pride» dem Teufel zuordnete.

Als die Kritik auch infolge der Gerüchte eines Wechsels von Nmecha zum BVB immer lauter wurde, reagierte er mit einem Statement. «Es ist wichtig, dass ich klarstelle, dass ich alle Menschen wirklich liebe und niemanden diskriminiere.» Diese Klarstellung zitieren auch die Verantwortlichen in Dortmund, wenn sie die Verpflichtung des ehemaligen Wolfsburgers für angeblich rund 30 Millionen Euro rechtfertigen.

Eine 180-Grad-Wende in solch kurzer Zeit ist nicht glaubwürdig vertretbar.

Auch an der Ehrlichkeit dieser Aussagen lässt sich zweifeln. Zumal Nmecha erst Wochen und Monate nach seinen ursprünglichen Posts auf die Kritik reagiert. Kurz bevor sein Wechsel zum BVB publik gemacht wird. Nun hofft er, dass «die Fans mir die Chance geben werden, um mich kennenzulernen».

Der Klub und der Spieler heucheln nun also gemeinsam vor, dass sich Nmecha geändert habe, die geteilten Inhalte seine Meinung nicht widerspiegeln und er weder homophob noch transfeindlich sei. Obwohl sich Menschen und ihre Ansichten selbstverständlich ändern können, ist eine 180-Grad-Wende in solch kurzer Zeit nicht glaubwürdig vertretbar.

So scheint ein Grossteil der Fans, die dritte Seite bei diesem Transfer, davon noch nicht überzeugt. Das Unverständnis und die Kritik am BVB, den aus Sicht von Sportdirektor Sebastian Kehl «schnellen, technisch versierten und physisch starken» Fussballer trotzdem verpflichtet zu haben, ist gross. «Peinlich», «ekelhaft» oder «miserabel» ist in den sozialen Medien über den Transfer zu lesen.

Samstag 15.04.2017, Saison 2016/2017, 1. Bundesliga, 29. Spieltag im Dortmunder Signal Iduna Park, BVB 09 Borussia Dortmund - SG Eintracht Frankfurt, Spruchband der BVB-Gruppe Ballspiel-Vereint gegen  ...
Der BVB und seine Fans stellen sich gegen Homophobie.Bild: imago sportfotodienst

Doch spätestens, wenn Nmecha starke Leistungen bringt oder ein wichtiges Tor schiesst, wird ein Grossteil der Fans die Aufregung vergessen haben und – vielleicht auch erst nach anfänglicher Verhaltenheit – trotzdem jubeln.

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92 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dr. Haggis
04.07.2023 20:51registriert August 2018
Er hat als Mensch Anfang 20 zwei dämliche posts geteilt, nicht selber geschrieben, womöglich beeinflusst durch einen starken christlichen Glauben. Die BVB Verantwortlichen haben ihn eingehend geprüft. Er selber bittet um eine faire Chance. Wo sind wir eigentlich, dass sich Menschen keinen Fehltritt mehr erlauben dürfen? Hört doch auf ständig die Moralkeule zu schwingen!
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Ratchet
04.07.2023 20:13registriert Mai 2015
Mir nerven solche Artikel. Da wird einer Person voreingenommen den Trans/Homophob-Stempel verpasst, ohne dass dem Leser überhaupt eine Chance gegeben wird, sich selbst ein Urteil zu machen. Was genau homo-/transphobes hat er denn gesagt, was ein Nicht-Transfer aufgrund moralischer Differenzen rechtfertigen würde? Wer hat das entschieden? Eine Twitter-Bubble? Oder wurde er tatsächlich vom Verband verurteilt? Zählt Matt Walsh Inhalte liken und teilen bereits als Transphobie? Was kommt als nächstes, ein Fussballer darf nicht AFD oder SVP wählen?
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Einer Wie Alle
04.07.2023 19:47registriert Dezember 2015
Der Junge ist 22 Jahre alt. In diesem Alter hatte ich alle 2 Wochen eine andere Meinung.
Lasst den Mensch zuerst einmal erwachsen werden.
Die Zukunft wird es zeigen, ob er das Gedankengut weiter in sich hat oder nicht.
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