Der Tweet, den Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) am Dienstag absetzte, kam aus der Mopani-Mine in Sambia. Ausgerechnet der berühmt-berüchtigten Kupfermine des Zuger Rohstoffmultis Glencore.
Wegen Unternehmen wie der Mopani-Mine, die durch den Ausstoss von Schwefeldioxid ganze Landstriche vergiftete, wurde die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) lanciert, über die frühestens 2020 abgestimmt wird. 110 Organisationen fordern, dass Konzerne für ihre ausländischen Tochterfirmen haften, wenn diese im Ausland gegen Menschenrechte verstossen oder die Umwelt ruinieren.
Premières impressions de Zambie 🇿🇲: visite des installations de Mopani Copper Mines. Impressionné par les efforts en faveur de la modernisation des installations et de la formation des jeunes. pic.twitter.com/2BduUDPzHw
— Ignazio Cassis (@ignaziocassis) 7. Januar 2019
Aus dieser Mine twitterte Cassis, der sich derzeit auf einer fünftägigen Afrika-Reise befindet: «Erste Eindrücke aus Sambia: Besuch der Einrichtungen der Mopani-Kupfermine. Beeindruckt von den Bemühungen für die Modernisierung der Einrichtungen und Ausbildung der Jungen.» Dazu Fotos von Cassis und Entourage mit Helmen und gelben Westen auf dem Minengelände. Der Rohstoffhändler Glencore freute sich über die PR – und nutzte den magistralen Tweet für eine Werbebotschaft auf Twitter.
Earlier today we welcomed Ignazio Cassis - Swiss Federal Councillor and head of the Department of Foreign Affairs - to our Mopani training centre in Zambia. Located in Mufulira, the centre uses the latest technology, including virtual reality, to train students and employees. https://t.co/fSp5An6YRO
— Glencore (@Glencore) 7. Januar 2019
Aber Umweltaktivisten und Menschenrechtler reagieren empört. Oliver Classen ist Sprecher der Nichtregierungsorganisation Public Eye, die zu den Trägerorganisationen der Konzernverantwortungsinitiative gehört.
Er sagt: «Herr Cassis liess sich hier willentlich von einem Rohstoffmulti instrumentalisieren und betreibt mit diesem Besuch selber gezielt politische Propaganda gegen die Konzernverantwortungsinitiative.» Die Initiative kommt frühestens 2020 zur Abstimmung, aber längst tobt der Abstimmungskampf. Es geht um viel.
Wenn Aussenminister Ignazio Cassis eine Reise tut, dann gibt es Wirbel. Das war beispielsweise auch im Mai 2018 so. Er stattete Jordanien einen Besuch ab, und auf der Rückreise stellte er in einem Interview mit den CH-Media-Zeitungen das UNO-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge als Hindernis für den Frieden dar. Bundespräsident Alain Berset (SP) intervenierte, weil sich das In- und Ausland fragte, ob die Schweiz einen Kurswechsel in der Nahostpolitik vorgenommen habe.
Und jetzt ein Propaganda-Besuch von Cassis in Sambia? Jean-Marc Crevoisier, Informationschef des Aussenministers und mit auf der Afrika-Reise, weist das zurück. Er zeigt sich seinerseits empört – über die Angriffe der Nichtregierungsorganisationen. Ob wissentlich oder nicht, die NGO stellten die Zustände in der Mine viel schlechter dar, als sie wirklich seien, sagt Crevoisier.
In den letzten Jahren habe Glencore mehrere Milliarden etwa in die Sicherheit der Angestellten und in den Umweltschutz investiert. 16'000 Angestellte würden beschäftigt, und sogar Lehrlinge verdienten heute mit 180 Dollar pro Monat mehr als ein Nachtwächter in der sambischen Hauptstadt Lusaka. Das alles, so Crevoisier, blendeten die NGOs aus. Für ihn ist klar: «Die Kritik konnte man vielleicht vor vier oder fünf Jahren machen, aber jetzt nicht mehr.»
Public-Eye-Sprecher Classen gibt zurück: «Es geht um das ganze Bild und nicht um einen Ausschnitt, den der Aussenminister präsentiert bekommt.» Glencore habe die Mine um die Jahrtausendwende billig übernommen. Trotz dem damaligen Versprechen, umgehend in Umweltschutz zu investieren, habe man die Mine «12 Jahre lang so laufen lassen».
Der Ausstoss von Schwefeldioxid ging weiter, so Classen: «Ganze Landschaften wurden vergiftet, und bis heute wurden die Leute nicht entschädigt.» Das EDA blende beispielsweise auch aus, dass Glencore in Sambia keine Gewinnsteuern zahle. Insgesamt zahle man in Sambia durchaus Steuern, heisst es bei Glencore: Mehr als 54 Millionen Dollar.
Aussenminister Cassis bewegt sich also erneut auf dem politischen Minenfeld. Kritiker von links und aus der politischen Mitte haben den Tessiner schon lange im Verdacht, er baue die ausgewogene Schweizer Aussenpolitik zu einer reinen Aussenwirtschaftspolitik um.
Cassis-Sprecher Crevoisier widerspricht. Der Minen-Besuch werde jetzt von den KVI-Initianten benutzt, um Stimmung zu machen. Der Vorschlag zum Minen-Besuch sei vom Schweizer Botschafter vor Ort gekommen, der kürzlich bereits eine Wirtschaftsdelegation dorthin geführt habe. Die Cassis-Reise nach Afrika unterscheide sich in der Gewichtung nicht von Reisen, wie sie auch dessen sehr stark den Menschenrechten verpflichteter Vorgänger Didier Burkhalter (FDP) gemacht habe. Als Beispiel nennt Crevoisier: «Gestern Mittwoch besuchte Bundesrat Cassis in Simbabwe die Aids-Klinik des Schweizers Ruedi Lüthy, die von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit Deza unterstützt wird». Aber darüber werde wohl kaum jemand berichten. (aargauerzeitung.ch)