Die dramatischen Bilder vom Flughafen Kabul, als sich verzweifelte Menschen an den startenden US-Transportmaschinen festklammerten, sind erst ein paar Tage her. Eine Beruhigung der Lage ist nicht in Sicht – im Gegenteil.
«Die humanitäre Krise in Afghanistan verschärft sich rapide», beschrieb das UN-Nothilfebüro (OCHA) die Lage vor Ort. Und das Kinderhilfswerk UNICEF schreibt in einer Mitteilung: «Wir befinden uns in Afghanistan in einer Übergangsphase. Niemand kann vorhersagen, was als nächstes passiert».
Angesichts der unsicheren Lage, der bedrückenden Nachrichten und Bilder verzweifelter Menschen wollen sich viele solidarisch zeigen und Spenden sammeln oder Geld spenden. Die ersten Spendenaufrufe machten auf sozialen Netzwerken bereits die Runde und generierten schon Zehntausende Franken.
Um die humanitäre Katastrophe abzufedern, ist die Bevölkerung in Afghanistan auf Hilfe angewiesen. Schon im Frühjahr schätzte die UN den Spendenbedarf für Afghanistan auf knapp 1,3 Milliarden Dollar – also noch vor der Machtübernahme der Taliban.
Doch welche Spenden sind in der aktuellen Situation sinnvoll? Welche Organisation ist überhaupt vor Ort? Und auf was muss ich achten, damit ich nicht auf Spendenbetrüger hereinfalle?
Martina Ziegerer ist Geschäftsleiterin der Stiftung «Zewo», die regelmässig die Schweizer Non-Profit-Organisationen überprüft und zertifiziert. Ziegerer rät Spendenwilligen derzeit zu etwas Geduld und mahnt gleichzeitig zur Vorsicht. Viele Hilfsorganisationen würden derzeit abklären, wie sie am besten helfen, sodass die Spenden sicher und am richtigen Ort ankommen. Die Lage sei noch unübersichtlich.
Selbst die schweizerische Spendenorganisation «Glückskette», die sonst möglichst rasch und unbürokratisch handelt, warte noch ab, bis sie an die Spendenbereitschaft der Bevölkerung appelliert.
Bei humanitären Katastrophen wie jetzt in Afghanistan ist die Spenden-Bereitschaft erfahrungsgemäss hoch. Das ist beeindruckend, birgt aber auch Gefahren. «Die Hilfsbereitschaft wird immer wieder von Trittbrettfahrern ausgenutzt», so Ziegerer. Diese sind jedoch nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Manche wirken seriös und professionell. Was kompetent klingen und auf den ersten Blick seriös aussehen mag, kann sich als betrügerischer Aufruf entpuppen.
Ziegerer rät deshalb zu überprüfen, wer dahinter steckt, ob die Organisation transparent informiert und sich kontrollieren lässt. Zu empfehlen seien zertifizierte Hilfswerke, insbesondere jene, die bereits vor Ort Erfahrung haben, über das erforderliche Fachwissen und die nötigen Kontakte verfügen, so Ziegerer.
Zu den grossen Hilfsorganisationen gehört unter anderem die Fondation Terre des Hommes. Seit 1995 ist das Kinderhilfswerk vor Ort und setzt sich für die Rechte von Kindern ein. Gemäss eigenen Angaben fliessen 86 Prozent der Spenden direkt in die Kinderhilfsprojekte.
Spendenaufruf Terre des Hommes
Zu den Organisationen vor Ort zählt auch UNICEF. Das Kinderhilfswerk leistet in über 190 Staaten humanitäre Hilfe. Seit 65 Jahren ist die Organisation in Afghanistan stationiert. Gemäss eigenen Angaben sei der Zugang der Menschen in Not derzeit sehr schwierig und mit Gefahren für das Personal verbunden. Trotzdem habe man sich dazu entschieden, im Land zu bleiben. Man möchte die Wasserversorgung in den Dürre-Gebieten gewährleisten und wolle neue Gesundheitslager für Binnenvertriebene bereitstellen.
Auch die grösste medizinische Nothilfeorganisation Médecins Sans Frontières (Ärzte ohne Grenzen) ist schon lange in Afghanistan tätig. Seit 1980 befindet sich die Organisation fast ununterbrochen in Afghanistan im Einsatz, aktuell mit fünf Projekten in fünf Regionen und rund 2400 Mitarbeitern. Gemäss Anfrage von watson sollen die Projekte im Land weiter laufen, solange es die Situation erlaubt. Derzeit behandle man eine hohe Zahl von Kriegsverletzen.
Spendenaufruf Médecins Sans Frontières
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ist seit 1987 in Afghanistan präsent und arbeitet schon sehr lange daran, Menschen von den Taliban kontrollierten Gegenden zu schützen und zu unterstützen. Weiterhin werden die medizinischen Teams ihre Arbeit in den Rehabilitationszentren fortfahren.
Kein Team vor Ort hat das Hilfswerk «Caritas Schweiz», weshalb man gemäss Anfrage von watson aktuell (noch) keine Spenden für Afghanistan sammle. Anders sieht es bei «Caritas Österreich» aus. Die Spenden aus Österreich fliessen jedoch nicht direkt nach Afghanistan, eine Hilfsgruppe aus Österreich hat Caritas derzeit nicht vor Ort.
Die Organisation befindet sich in den Nachbarländern etwa in Pakistan, wo sie Geflüchtete aus Afghanistan mit Nothilfe und auch langfristiger Hilfe unterstützt. Gemeinsam mit Partnerorganisationen bereite man derzeit auch in Afghanistan direkt Hilfsannahmen vor. Mehr könne man zurzeit noch nicht sagen.
Spendenaufruf Caritas Österreich