Die erste Amtswoche von Premierminister Boris Johnson war ein Desaster: Regierungsmitglieder, darunter sein Bruder, sind zurückgetreten. Hochangesehene Mitglieder der Konservativen haben ihren Parteirücktritt verkündet. Das Parlament hat ihm ein Verbot aufs Auge gedrückt, die EU ohne Deal zu verlassen, und ihm Neuwahlen verweigert.
Was aber, wenn das alles so geplant war? Wenn dahinter ein ausgeklügelter Plan steckt, welcher die britische Demokratie – eine der ältesten der Welt – aushebeln und das Vereinigte Königreich ungarnmässig in einen autoritären, nationalistischen Staat verwandeln soll?
Das zumindest fürchten derzeit einige auf der Insel, und sie wissen auch, wem sie es zu verdanken haben: Dominic Cummings heisst der Mann, und er hält derzeit die Fäden der Macht in Westminster in der Hand. Er soll einen Plan haben, wie er das «Volk» gegen die «Elite der Politiker» aufhetzen und so einen No-Deal-Brexit durchboxen kann.
Boris Johnson ist kein kühl kalkulierender Stratege. Er ist ein gewissenloser Opportunist, der sich von den jeweils dominierenden Trends treiben lässt. Als Journalist in Brüssel war er ein Zyniker, als Bürgermeister von London war er ein liberaler, urbaner Globalist. Jetzt gibt er sich als Nationalist und Pseudo-Churchill.
Ganz anders sein Chefstratege Cummings. Dieser gilt als politisches Genie und als der Mann, der die Brexit-Kampagne zum Erfolg geführt hat.
Cummings hat viele Gemeinsamkeiten mit Steve Bannon, Trumps ehemaligem Chefstrategen. Wie Bannon hat er die Brexit-Kampagne zu einem Zeitpunkt übernommen, als niemand an einen Sieg geglaubt hat. In den Umfragen lagen die Brexiter zunächst weit zurück. Während die Remainer, die Briten, welche in der EU bleiben wollen, auf die Karte Wirtschaft und Vernunft setzten, setzte Cummings auf Chauvinismus und den Bauch.
Er kreierte den simplen, aber wirksamen Slogan «Wir wollen die Kontrolle zurück» und wandte die gleichen Rezepte an wie Bannon bei Trumps Wahlkampagne. Jenni Russel beschreibt sie in der «New York Times» wie folgt: «Mr. Cummings hat bewiesen, dass Geschichten und Lügen, verbunden mit strategischen Täuschungen, Überzeugung und Rücksichtslosigkeit weit wirksamer sein können als Vernunft und Fakten. Es zahlte sich für ihn aus, dass er jahrelang fast besessen die Strategien von Denkern wie Otto von Bismarck studiert hatte.»
Cummings ist kein in der Wolle gefärbter Tory, ja er ist nicht einmal Parteimitglied. Der Sohn eines Ölmanagers und einer Lehrerin hat zwar ebenfalls an der Eliteuniversität in Oxford studiert. Doch er hegt gegenüber dem konservativen Establishment die gleiche Verachtung wie Steve Bannon gegenüber dem Establishment der Grand Old Party.
Cummings ist auch kein Gentleman, er will gewinnen, und zwar um jeden Preis. Deshalb setzt er alles daran, die bestehenden Strukturen zu zerstören, und hat keine Achtung vor nichts. Matt Sanders, der kurzzeitig mit ihm im Erziehungsdepartement gearbeitet hat, beschreibt ihn wie folgt: «Dominic liebt das Chaos. Er hat nun seine virtuelle Handgranate in Westminster explodieren lassen und alle sprechen über ihn. Sollten gemässigte Parlamentarier nun über ihn jammern, wird er sich denken: ‹Ich habe etwas richtig gemacht.›»
Mittlerweile regt sich in der Konservativen Partei Widerstand gegen Cummings. So bezeichnet ihn der ehemalige Premierminister John Major als «politischen Anarchisten». Ein hochrangiges Parteimitglied spricht vom Duo Johnson/Cummings wie folgt: «Ich bin nicht sicher, ob Boris das Kleingedruckte in Cummings' Plan gelesen hat – das ist der ultimative Beweis, dass der eine ein Scharlatan und der andere ein Psychopath ist.»
Zudem sind längst nicht alle von Cummings' politischem Genie überzeugt. Einige glauben, dass er mit seiner Taktik Johnson als Premierminister bereits verbrannt hat. Cummings dürfte dies nicht kümmern. Für ihn ist das alles ein Spiel. «Er hat einen unstillbaren Appetit auf Risiko», sagt sein ehemaliger Arbeitskollege Sanders. «Er dürfte total happy sein.»
Der Premierminister hingegen hat sich auf Gedeih und Verderb Cummings' Strategie unterworfen. Er soll eventuell gar bereit sein, sich über das vom Parlament beschlossene No-Deal-Gesetz hinwegzusetzen. Das könnte böse für Johnson enden – eventuell gar im Knast.
Diesen Beweis hat Blocher schon vor vielen Jahren erbracht.
(und noch ein flacher Bildwitz) Wie möchten die Remainders die beiden am liebsten sehen: