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Freaks, Pragmatiker und Gauner in der Krytowährungs-Szene

Plakat des legendären Westerns: «The Good, the Bad, and the Ugly» von Sergio Leone.
Plakat des legendären Westerns: «The Good, the Bad, and the Ugly» von Sergio Leone.

Die Freaks, die Pragmatiker und die Gauner in der Kryptowährungs-Szene

Bei den Anhängern von Bitcoin, Ether & Co. gibt es ein paar nicht so feine Unterschiede. Findet Sie!
08.12.2017, 11:5509.12.2017, 06:24
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Für Ökonomen sind die Kursexplosionen bei den Kryptowährungen rational nicht mehr zu erklären. Bei einem Teil der Investoren wirken sie, wie wenn man Exemplare des «Playboys» unter Soldaten verteilen würde: Sie drehen beinahe durch, wenn sie täglich lesen, wie viele tausend Dollar der Kurs der Bitcoins wieder zugelegt hat.  

Und wie die Soldaten im Krieg wissen auch diese Investoren, dass der aktuelle Boom eine gefährliche Blase ist, der viele Opfer fordern wird. Aus was für Gründen auch immer sind sie jedoch überzeugt, dass es ausgerechnet sie nicht treffen wird, dass sie mit einem satten Gewinn in der Tasche rechtzeitig aussteigen werden. Trotzdem ticken nicht alle Fans der Kryptowährungen gleich. Bei genauerem Hinsehen kann man drei Grundtypen unterscheiden.

Die Freaks

Die geistigen Väter der Kryptowährungen waren die Cypherpunks. So bezeichnet man libertäre Anarchisten, die im Internet ein Kampfmittel gegen den verhassten Staat sehen. Ihre Weltanschauung entzieht sich den traditionellen Kategorien. Sie verehren die extrem marktgläubige Schriftstellerin Ayn Rand, verachten aber gleichzeitig die Normen der bürgerlichen Gesellschaft.

ZUM 75. GEBURTSTAG DES US-AMERIKANISCHEN MUSIKERS FRANK ZAPPA AM MONTAG, 21. DEZEMBER 2015, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Frank Zappa (27), leader der "The Mothers of  ...
Libertärer Bürgerschreck: Rockmusiker Frank Zappa.Bild: AP NY

Vor allem in Kalifornien haben libertäre Anarchisten inzwischen so etwas wie Tradition. Ein bekannter Vertreter war etwa der verstorbene Musiker Frank Zappa. Er hat sich sein Leben lang über  kleinbürgerliche Moral und Gewerkschaften lustig gemacht, er war gleichzeitig Bürgerschreck und Ultrakapitalist.  

Bitcoins sind ein ideales Beispiel dieser Weltanschauung. Diese Währung entzieht sich dem Zugriff des Staates und der Zentralbank. Sie organisiert sich in dezentralen Einheiten selbstständig. Aus diesem Grund sind die Bitcoins auch für eine andere Gruppe sehr attraktiv: die Anhänger der «österreichischen» Ökonomenschule. Deren bekannteste Vertreter sind Ludwig von Mises und Friedrich Hayek.  

Bitcoins als digitales Gold

Die «Österreicher» lehnen ebenfalls einen starken Staat und die Zentralbank ab. Für sie stellen sie eine «sozialistische Planwirtschaft» dar, welche das reibungsfreie Funktionieren des Marktes empfindlich stört. Stattdessen plädieren sie für ein privates, durch Gold gedecktes Geld, das sich wie jedes andere Gut im Markt behaupten muss. Bitcoin wird gelegentlich auch als «digitales Gold» bezeichnet, weil es – anders als so genanntes Fiat-Money – nicht vermehrt werden kann. Daher haben auch die «Österreicher» die Kryptowährung mit offenen Armen aufgenommen.  

Cypherpunks und «Österreicher» sind Überzeugungstäter. Für sie sind Kryptowährungen mehr als nur Geld. Sie sind ein Mittel, den Staat in die Knie zu zwingen und Zentralbanken und Fiat-Money den Garaus zu machen. Wie sie allerdings damit fertig werden, dass ausgerechnet mit Kryptowährungen derzeit extrem viel Geld aus dem Nichts geschöpft wird, dürfte ihr Geheimnis bleiben.      

Die Pragmatiker

Für die Pragmatiker sind Kryptowährungen eine neue technische Entwicklung, welche die Wirtschaft effizienter und das Leben einfacher machen wird. So erklärte etwa der erfahrene Bankier Konrad Hummler in einem Interview mit watson: «Kryptowährungen sind entstanden, weil sie technisch möglich sind.» Punkt. Von Privatgeld und einer Abschaffung der Zentralbank hält er wenig. «Das betrifft nur einen Teil der Community», so Hummler.  

Plädiert für einen Krypto-Franken: Bankier Konrad Hummler.
Plädiert für einen Krypto-Franken: Bankier Konrad Hummler.Bild: zvg

Stattdessen kann er sich vorstellen, dass die Zentralbanken diese Technologie dereinst für ihre eigenen Zwecke nutzen werden. «Die Geldschöpfung mittels Algorithmen hat grosse Vorteile», sagt er. «Es lohnt sich auf jeden Fall, das Modell eines Swiss Coins oder eines Krypto-Frankens zu Ende zu denken.»  

Die Pragmatiker verweisen auf die Technik, die den Kryptowährungen zugrunde liegt: die Blockchain. Sie wurde zwar dank Bitcoin bekannt, ist jedoch keineswegs auf Kryptowährungen beschränkt. Mit einer Blockchain lassen sich beliebige dezentrale Gemeinschaften organisieren, die verschiedensten Zwecken dienen können, vor allem, wenn sie zusätzlich mit «intelligenten Verträgen» ausgestattet sind. IBM beispielsweise hilft Unternehmen, mit Blockchain-Technologie ihre Supply-Chain effizienter zu gestalten. Die Banken sind im Begriff, mit dieser Technik ihren Zahlungsverkehr zu optimieren.  

Für die Pragmatiker sind Kryptowährungen in erster Linie eine Möglichkeit, verschiedene Anwendungen der Blockchain mit vielen Teilnehmern zu testen und diese neue Technologie zugleich zu finanzieren. So gesehen sind Kryptowährungen für die Pragmatiker ein vorübergehendes Phänomen. Wenn die Blase platzt, werden einige viel Lehr- bzw. Spielgeld bezahlt haben.

Ein bekanntes Schweizer Beispiel ist «Modum». Mit diesem Token hat das gleichnamiges Zürcher Start-up-Unternehmen seine Zukunft finanziert. Der Token hat dabei keinerlei weltanschauliche Bedeutung, er ist schlicht die effizienteste Art, den Aufbau von «Modum» zu gewährleisten.    

Die Gauner

Wer eine Kryptowährung lanciert, kann sehr viel Geld verdienen. Für die Freaks ist das eine willkommene Nebenerscheinung. Doch bei den meisten der bisher über 2000 Kryptowährungen dürfte Profitgier das Hauptmotiv sein. Doch wo hört die Experimentierfreude auf und fängt der Betrug an? Die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma hat hier eine etwas seltsame Trennlinie gezogen. Sie unterscheidet zwischen echten (und damit offenbar erlaubten) Kryptowährungen und «Trittbrettfahrerkryptowährungen». Als «echt» gelten Währungen, die mit gar nichts hinterlegt sind und auf einer fälschungssicheren, dezentralen Blockchain-Technologie beruhen. Mit dieser Logik hat die Finma eine Kryptowährung – die E-Coins – mit der Begründung aus den Verkehr gezogen, sie sei nicht hinreichend gedeckt. Das ist etwa so, als seien Einbrüche erlaubt, sofern sich die Einbrecher an das Script der Polizei halten.

Ähnliche Beispiele werden mit Sicherheit folgen. Solange Bitcoin & Co. täglich neue Kursrekorde melden, werden Betrüger ein leichtes Spiel haben, genauso wie beim Faken von Kryptowährungen. Es reicht, die Software einer bestehenden Währung leicht abzuändern – und schon hat man seine eigene digitale Währung gebastelt. Der Rest ist, wie bei jedem Betrug, eine passende Story, um den Schwindel ins beste Licht zur rücken.

Das sehen offenbar auch die Macher von E-Coins so. Sie haben, nachdem es mit dem ersten Versuch nicht geklappt hat, bereits den zweiten lanciert. Aus E-Coins sind V-Coins geworden.  

Droht eine Systemkrise?

Für die Betroffenen ist es ärgerlich, wenn sie von Gaunern abgezockt werden, für das Finanzsystem als Ganzes hingegen ist es unbedeutend. «Solange keine fixen Verpflichtungen ins System eingebaut werden, ist das nicht gefährlich», sagt Hummler.

Doch genau das scheint sich anzubahnen. Unter dem Druck ihrer Kunden beginnen auch traditionelle Banken, sich ins Kryptogeschäft einzuklinken. Anerkannte Institutionen wie die Rohstoffbörse in Chicago wollen den Handel mit ihnen oder Finanzderivaten ermöglichen. Spezialisten sind alarmiert. Thoms Peterffy, einer der renommiertesten Broker der USA, warnte kürzlich in der NZZ vor einem Systemrisiko und einem neuen Fall Lehman Brothers.  

Allerdings: Derzeit sind solche Prophezeiungen fehl am Platz. Die Finanzaufsichten sind weltweit hellhörig geworden. In der Schweiz ist die Finma offenbar gewillt, die schwarzen von den weissen Schafen zu trennen. Sollte sich der Kryptowährungs-Boom tatsächlich zu einer für das Finanzsystem gefährlichen Monsterblase entwickeln, dann wäre das nicht nur ein Beweis mehr für die unendliche Dummheit des Homo sapiens. Es wäre auch ein krasses Versagen der Finanzaufsicht.

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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mylo
08.12.2017 13:06registriert Juli 2017
Ich sehe grosses Potential im IOTA Projekt (Tangle).
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Cross
08.12.2017 14:14registriert November 2014
Im Moment wird mit dem 10-fachen Volumen des globalen BIP mit Derivaten spekuliert. Das Market Cap von Bitcoin ist ein Bruchteil davon und gerade mal 250 Mrd. Woher wissen alle, dass das eine Blase ist? Natürlich wird der Wert des Bitcoin weiterhin schwanken (teilweise in krasser Art und Weise). Trotzdem wird meiner Meinung nach der Preis langfristig steigen, weil wir einfach viel zu viel Geld (oder anders gesagt Schulden) im globalen Finanzsystem haben.
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Don Huber
08.12.2017 14:58registriert Februar 2014
Der Bitcoin wächst mit den Usern laut McAfee soll er bis 500'000 $ steigen :-O woaaaa. Dann kauf ich mir Watson !! Und dann machen wir jeden Tag eine Watson Party !!! Mit Panden, Otten und Whiskey !
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