66,2 Prozent der Stimmbürger und sämtliche Kantone schmetterten die Selbstbestimmungs-Initiative (SBI) der SVP ab. Eine dürfte sich besonders über das deutliche Resultat gefreut haben: SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die im Namen des Gesamtbundesrats an vorderster Front gegen die Vorlage kämpfte. An Podiumsdiskussionen wurde sie dabei schon mal aus dem Publikum unter der Gürtellinie beleidigt.
An der Medienkonferenz des Bundesrates am Abend des Abstimmungssonntags blieb Sommaruga dennoch gewohnt nüchtern: «Der Bundesrat freut sich über dieses Ergebnis», kommentierte sie routiniert die deutliche Abfuhr für das Anliegen der SVP.
Eine gewisse Routine im Kommentieren von SVP-Niederlagen hat Sommaruga tatsächlich erworben. Die Selbstbestimmungs-Initiative ist die sechste Abstimmungsvorlage, bei der die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) im Direktvergleich mit der SVP als Siegerin vom Platz geht. Drei Mal musste sie gegen die SVP eine Niederlage einstecken.
Dabei begann die Amtszeit des heutigen SVP-Schrecks Sommaruga mit einer krachenden Niederlage. Nur gerade einen Monat, nachdem sie Ende 2010 das Justizdepartement von Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) übernommen hatte, wurde am 28. November 2010 die Ausschaffungs-Initiative der SVP mit 52,9 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Der Gegenvorschlag des Bundesrats, den Sommaruga im Endspurt des Abstimmungskampfs zu vertreten hatte, scheiterte hingegen klar.
In besonders schmerzhafter Erinnerung dürfte Sommaruga der 9. Februar 2014 geblieben sein: Hauchdünn mit 50,3 Prozent Ja-Stimmen wurde damals die Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) angenommen. Im Abstimmungskampf vertrat Sommaruga gemeinsam mit dem damaligen Aussenminister Didier Burkhalter (FDP) und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (FDP) die ablehnende Haltung des Bundesrats. Bei der Umsetzung der MEI stand dann Sommaruga als EJPD-Vorsteherin im Vordergrund – und zog sich den Zorn der SVP endgültig auf sich.
Rund drei Monate danach, am 18. Mai 2014, musste Sommaruga ihre bisher letzte Niederlage gegen die SVP einstecken: Die vom Verein Marche blanche lancierte und von der SVP unterstützte Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» wurde mit 65,3 Prozent Ja-Stimmen angenommen.
Seither konnte die Sozialdemokratin vier Siege gegen die SVP aneinanderreihen: Durchsetzungs-Initiative, Revision des Asylgesetzes, erleichterte Einbürgerungen und nun die Selbstbestimmungs-Initiative.
Kriminalität, Ausländer, Asylwesen, direkte Demokratie: Es sind die Paradethemen der SVP, bei welchen die SP-Magistratin der Partei die Suppe versalzen hat. Doch möglicherweise ist es damit bald zu Ende. Nach den Rücktritten von Doris Leuthard (CVP) und Johann Schneider-Ammann (FDP) werden am 5. Dezember zwei neue Mitglieder des Bundesrats gewählt. Das eröffnet die Möglichkeit für Rochaden.
Nach SVP-Finanzminister Ueli Maurer ist Sommaruga das amtsälteste Mitglied der Landesregierung. Gut möglich, dass sie dem EJPD den Rücken kehrt und in einem anderen Departement eine neue Herausforderung sucht. Ob sich die SVP darüber freuen würde? «Letztlich ist es der Gesamtbundesrat, der über die Verteilung der Departemente entscheidet», sagte SVP-Präsident Albert Rösti gegenüber watson ausweichend.