«VAR from perfect» – warum die Premier League Probleme mit dem Videobeweis hat
Keine Woche vergeht in der Premier League ohne fragwürdige Entscheide des Video Assistent Referee (VAR). Vor einer Woche war es Jürgen Klopp, der nach dem 1:1 Liverpools gegen Manchester United seinem Unmut Luft machte. Er hatte das Gefühl, dass dem Führungstreffer Uniteds ein Foul an einem seiner Spieler vorausging. Aufgrund der TV-Bilder konnte man Klopps Argumentation durchaus verstehen.
Der Videobeweis bleibt weiterhin «VAR from perfect», wie es der «Standard» schreibt. Auch am vergangenen Wochenende gab es einige Kontroverse Vorfälle:
- Arsenal – Crystal Palace: Arsenal wollte sich schon über das späte 3:2 durch Sokratis freuen, als der VAR dazwischenfunkte und den Treffer aberkannte. Ein Foul von Calum Chambers soll vorausgegangen sein. Man könnte aber durchaus auch argumentieren, dass Chambers von Cheikhou Kouyate und Gary Cahill gefoult wurde.
- Newcastle – Wolverhampton: Den «Wolves» wurde ein später Penalty verweigert, als Matt Doherty von Jamaal Lascelles im Strafraum am Trikot gezogen wurde. Schiedsrichter Kevin Friend entschied auf keinen Penalty. Der VAR überprüfte die Entscheidung und bestätigte sie.
VAR?why is this not a penalty?#wwfc #wolvesayewe pic.twitter.com/YJR376vD3h
— john pinson (@boltonwolfie) October 27, 2019
- Norwich – Manchester United: Die «Red Devils» erhielten beim Auswärtsspiel in Norwich gleich zwei Penaltys zugesprochen. Der erste war äusserst kontrovers. United-Stürmer Daniel James versuchte, an Verteidiger Ben Godfrey vorbeizukommen, verlor das Duell aber und fiel dann hin. Schiedsrichter Stuart Attwell entschied nicht auf Penalty, doch zwei Minuten später, als der Ball ins Aus rollte, revidierte der VAR diesen Entscheid. Goalie Tim Krul hielt den Versuch von Marcus Rashford und United-Trainer Ole Gunnar Solskjaer witzelte nach dem Spiel gar: «Ich wäre sehr unglücklich gewesen, wenn wir selbst so einen Penalty kassiert hätten. Gut, hat Rashford ‹Ehre› gehabt und verschossen.»
- Manchester City – Aston Villa: Hier wurde es ganz kurios, denn hier hatten der VAR und ein offizielles Gremium der Premier League eine andere Meinung. Beim 2:0 von Manchester City überprüfte der Video-Schiedsrichter, ob David Silva den Ball von Kevin De Bruyne berührt hatte. Denn dann hätte der Treffer wegen Abseits nicht gezählt. Der VAR kam aber zum Schluss, dass der Ball von De Bruyne direkt ins Tor ging.
Dumm nur, dass das «Goal Accreditation Panel» der Premier League das Gegenteil entschied und den Treffer offiziell Silva zuschrieb. Das Panel ist ein unabhängiges Gremium, das nichts mit dem Videobeweis zu tun hat. Dennoch hätte demnach das Tor nicht zählen dürfen.
After review, the Goal Accreditation Panel have awarded Man City’s second goal to David Silva
— Premier League (@premierleague) October 26, 2019
The Goal Accreditation Panel is an independent entity which has no affiliation with VAR#MCIAVL https://t.co/rccQnXtrCI
Das Problem
Trainer und Experten kritisieren, dass der VAR keine klare Linie fährt. Lange habe der Video Assistent Referee keine Penalty-Entscheide der Schiedsrichter korrigiert, nun tut er es plötzlich, lautet der Vorwurf. Everton-Trainer Marco Silva meint: «Meine Spieler sitzen in der Garderobe und sind verwirrt. Einmal ist es kein Penalty, dann ist es wieder einer. Der VAR muss auf beiden Seiten gleich sein.»
VAR hasn’t given a penalty this season, finally gives one to Brighton for next to nothing. The bar that has been at pole vault heights has descended to limbo dancing levels. 🤦🏻♂️🤷🏼♂️
— Gary Lineker (@GaryLineker) October 26, 2019
Und auch TV-Experte Gary Lineker ist unzufrieden. «Die Messlatte wurde zu Beginn der Saison auf Stabhochsprung-Höhe angesetzt. Nun könnte man fast Limbo unten durch tanzen», kritisiert der frühere englische Internationale.
Warum sorgt denn der Videobeweis in der englischen Liga bislang mehr für Verwirrung denn für Klarheit? Das liegt sicher auch daran, dass die Premier League ihre eigenen Rahmenbedingungen für das technische Hilfsmittel geschaffen hat.
So sind die Schiedsrichter dazu angewiesen, möglichst wenig auf die Variante zurückzugreifen, die TV-Bilder selbst anzuschauen. Stattdessen sollen sie auf das Urteil der Schiedsrichter im Videoraum in London vertrauen. So soll das Spiel nicht zu lange unterbrochen werden.
Es ist aber ein Umstand, der Arsenal-Trainer Unai Emery nicht passt: «Wer ist dann die Person, die entscheidet? Der Schiedsrichter steht auf dem Feld und entscheidet. Und wenn man vermutet, dass irgendwo ein Fehler vorliegt, muss er sich das anschauen gehen.»
Zudem gab die Liga vor, dass der VAR nur bei absolut klaren Fehlentscheidungen eingreifen soll. Die Latte hätte dabei noch höher angesetzt werden sollen als in den restlichen europäischen Ligen. Von diesem Kurs scheint man aber zumindest an diesem Wochenende abgewichen zu sein.
Should be on screen and the conversations between VAR and the referee should be heard both at the ground and on television. It’s presently shambolic and destroying the football experience. Needs a rethink. https://t.co/kwOsSCnfzo
— Gary Lineker (@GaryLineker) October 27, 2019
Wie also weiter? Einen Verbesserungsvorschlag bringt Gary Lineker ein. Damit die Zuschauer im Stadion besser nachvollziehen können, was passiert, sollten die entscheidenden Szenen seiner Meinung nach auch im Stadion gezeigt werden. Zudem würde er es begrüssen, wenn die Kommunikation zwischen Schiedsrichter und VAR auch für den Zuschauer hörbar wäre.
Denn Lineker ist sich sicher: «Man muss das System nochmals überdenken. Im momentanen Zustand zerstört es das Fussball-Erlebnis.»