Ab dem 15. Mai gelten die neuen Richtlinien von WhatsApp. Um die Änderungen gab es viele Missverständnisse und Befürchtungen. Kritiker warnen vor neuen Möglichkeiten zum Datenaustausch mit der Konzernmutter Facebook. Was passiert ist, was passieren wird und wie Datenschützer das Thema sehen. Ein Überblick.
Anfang Januar verkündete WhatsApp, dass bald für alle Nutzer neue Richtlinien gelten werden. Auf die ersten Medienberichte folgte grosse Entrüstung. Viele Nutzer wechselten zu anderen Messengern. Bei einigen war wohl der Eindruck entstanden, dass WhatsApp in Zukunft Zugriff auf private Chats haben werde.
WhatsApp wehrte sich gegen entsprechende Gerüchte, die unter anderem auf Twitter kursierten. Auch in der App wies das Unternehmen immer wieder darauf hin, dass private Chats sicher seien. Zudem verschob WhatsApp die ursprünglich für Februar geplante Einführung der neuen Regeln um etwa drei Monate auf den 15. Mai.
WhatsApp wiederholt immer wieder, dass mit der Aktualisierung keine erweiterte Datenweitergabe an Facebook vorgesehen sei. Das gelte vor allem für Nutzer in der EU. Ausserhalb der EU fliessen bereits seit 2016 einige WhatsApp-Nutzerdaten an Facebook, zu Werbezwecken oder zur Verbesserung von Produkten.
Bei den aktuellen Änderungen gehe es aber vor allem darum, bessere Möglichkeiten zur Kommunikation mit Unternehmen zu schaffen. Dazu betonte WhatsApp selbst, dass der Nachrichtenaustausch mit Unternehmen anders gestaltet sei als mit Familie oder Freunden. «Wenn du mit einem Unternehmen über Telefon, E-Mail oder WhatsApp kommunizierst, kann es die Informationen aus diesen Interaktionen mit dir für eigene Marketingzwecke verwenden. Dies kann auch Werbung auf Facebook einschliessen», hiess es in einer Erläuterung.
Laut den Datenschutzrichtlinien werden unter anderem folgende Nutzerinformationen an Facebook übermittelt:
Auch werden unter anderem Nachrichten in verschlüsselter Form für bis zu 30 Tage gespeichert, falls sie nicht sofort an den Empfänger gesendet werden konnten. Eine Übersicht, welche Daten WhatsApp sammelt, findest du hier auf der Website von WhatsApp unter «Informationen, die wir erfassen». Welche Informationen WhatsApp mit Facebook teilt, erklärt das Unternehmen auf dieser Infoseite. Hier ist vor allem zu lesen, dass WhatsApp personenbezogene Daten oder WhatsApp-Kontakte nicht mit Facebook teile.
Ein Hauptgrund für die Verwirrung war vermutlich, dass WhatsApp seine Infos auf viele Unterseiten verteilt und das Ganze für normale Nutzer schwer ersichtlich ist. Auch Experten wie Klaus Palenberg von der Verbraucherzentrale NRW bemängeln dieses Vorgehen. Dem Nachrichtenmagazin «Spiegel» sagte Palenberg dazu im Januar: «Es wird nicht zentral an einer Stelle gesagt: Das machen wir, das nicht. Da wird sich viel offen gehalten. Selbst wer sich mit Datenschutzrecht auskennt, muss viele Passagen dreimal lesen.»
Wer nicht bis zum 15. Mai zustimmt, kann seinen Account noch nutzen – fürs Erste. Ursprünglich hiess es, dass Nutzer nur noch begrenzt auf WhatsApp zugreifen können und die Accounts nach einiger Zeit gelöscht werden. Nun schreibt das Unternehmen aber auf seiner Website, dass unsichere Nutzer weiterhin die Möglichkeit haben werden, zuzustimmen. Nach «Ablauf einiger Wochen» gebe es dann eine permanente Erinnerung. «Sobald du eine permanente Erinnerung bekommst, wird deine Funktionalität von WhatsApp eingeschränkt, bis du die Änderungen akzeptierst», so WhatsApp.
Beispielsweise werden Nutzer nicht mehr auf ihre Chatliste zugreifen, aber eingehende Sprach- und Videoanrufe noch annehmen können. Mehr zu den Änderungen findest du hier.
Datenschützer weltweit beäugen die Änderungen kritisch: So hat die brasilianische Datenschutz-, Verbraucherschutz- und Wettbewerbsaufsichtsbehörde Anfang Mai gefordert, dass WhatsApp die Einführung seiner neuen Richtlinien verschiebe und mit Massnahmen gedroht. Facebook solle vorher Unzulänglichkeiten beheben, die bei der Prüfung der Behörden aufgefallen seien, berichtet «heise online».
In Deutschland hat der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Johannes Caspar Mitte April ein Dringlichkeitsverfahren gegen Facebook eröffnet. Am 11. Mai wurde bekannt, dass Caspar eine Anordnung erlassen habe, die Facebook die Weiterverarbeitung von WhatsApp-Nutzerdaten durch Facebook verbieten. Mehr dazu liest du hier.
WhatsApp entgegnete dazu in einer ersten Reaktion, die Anordnung des Datenschützers basiere «auf einem grundlegenden Missverständnis von Ziel und Folgen des Updates». Laut dem Dienst gehe es darum, bessere Möglichkeiten für die Kommunikation mit Unternehmen zu schaffen und die Nutzung von Daten transparenter zu gestalten. Zuvor hatte WhatsApp stets gesagt, dass mit den neuen Regeln keine erweiterte Datenweitergabe an Facebook vorgesehen sei. «Da die Behauptungen der Hamburger Datenschutzbehörde falsch sind, wird die Anordnung die Einführung des Updates nicht beeinflussen», betonte ein Sprecher.
Auch Ulrich Kelber, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), sieht das Thema kritisch. Im Mai 2020 hatte Kelber beispielsweise eine Einschätzung veröffentlicht, dass deutsche Bundesbehörden WhatsApp für die Kommunikation nicht nutzen sollten. In der Schweiz setzt die Bundesverwaltung auf die Alternative Threema.
Auf Anfrage von t-online hiess es zum aktuellen Fall unter anderem: «Als Datenschützer sehe ich den potentiellen Datenaustausch zwischen WhatsApp und Facebook kritisch. Das gilt auch im Hinblick auf die Erhebung von Telefonnummern mittels Adressbuchupload durch WhatsApp», so Kelber in einer Stellungnahme. «Das Unternehmen kann auf diese Art alle Kontaktdaten verarbeiten, die auf dem Mobiltelefon der nutzenden Person hinterlegt sind und zwar unabhängig davon, ob der jeweilige Kontakt selbst WhatsApp nutzt oder nicht.»
Auch hat der BfDI an die verantwortliche irische Datenschutzbehörde DPC (Data Protection Commission) einige Fragen gestellt, die zum Thema noch zu klären seien. Unter anderem, ob die DPC bereits Auskunft von WhatsApp erhalten, ob und inwieweit Daten in die USA übertragen und nicht nur in Europa verarbeitet werden.
Wer den Messenger wechseln will, dem rät Datenschützer Kelber, vor allem folgende Punkte zu prüfen: «Die Angaben in der Datenschutzerklärung, welche Daten verarbeitet werden, zu welchen weiteren Zwecken diese genutzt werden und ob ein Dienst auch anonym nutzbar ist.»
Als Alternativen zu WhatsApp werden oft sichere Messenger wie Threema, Signal oder Wire genannt. Auch Telegram gilt als Messenger-Alternative. Im Gegensatz zu WhatsApp sind Chats dort aber nicht standardmässig Ende-zu-Ende verschlüsselt. Mehr zu Telegram liest du hier.
Wer ein ähnliches Erlebnis wie WhatsApp haben möchte, kann beispielsweise zu Signal wechseln. Der Messenger wird auch von Whistleblower Edward Snowden empfohlen. Wie du von WhatsApp zu Signal wechseln kannst, liest du hier.
Falls du den Messenger wechseln willst, kannst du deinen WhatsApp-Account in den Einstellungen manuell löschen. Diesen Schritt kannst du nicht rückgängig machen. Vorher kannst du aber wichtige Chats retten. Das geht über die Einstellungen. Klicke im jeweiligen Chat auf die drei Punkte rechts oben, wähle «Mehr» und dann «Chat exportieren». Du kannst dir die Datei im Anschluss zuschicken lassen.
Zusätzlich kannst du einen Bericht anfordern, der viele Informationen zu deinem WhatsApp-Account enthält. Welche das sind und wie du den Bericht anfordern kannst, liest du hier.
Das weltgrösste Online-Netzwerk Facebook übernahm WhatsApp 2014 für am Ende rund 22 Milliarden Dollar. Mit diesem Kaufpreis nahm Facebook zwar einen potenziellen Rivalen vom Markt, der Dienst trug bisher aber wenig zum Konzerngewinn bei. Zeitweise wurde über Werbung im Stories-Bereich von WhatsApp nachgedacht, wo Nutzer Fotos und Videos für einen Tag mit ihren Kontakten teilen können.
Die Idee wurde dann aber auf Eis gelegt. Der aktuelle Plan ist, Geld zu verdienen, wenn Unternehmen mit ihren Kunden über WhatsApp kommunizieren – die aktuelle Regeländerung (neue AGB) ist eine Voraussetzung dafür.
Verwendete Quellen:
Eigentlich weiss keiner genau, warum er wechseln sollte.