Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Für die Zuschauer im Studio war kurz vor Beginn der SRF-Sendung «Arena» ein äusserst gut gelaunter Moderator Jonas Projer zu beobachten: «Vill z'geil», sagt er gut hörbar für alle zur unsichtbaren Regie in seinem Ohr. «Es gibt so tolle Tweets im Moment», sagt er dann zu den Anwesenden. «Die müssen Sie sich nachher angucken.»
Projer hatte allen Grund sich zu freuen. Diese Arena begann nämlich nicht erst am Freitagabend, sondern bereits am Donnerstag, als das SRF das neue «Arena»-Programm veröffentlichte: «Frauen am Herd?», titelte die Sendung und lies die Emotionen damit bereits im Vorfeld hochkochen. «‹Arena› lädt zur Steinzeit-Debatte» kommentierte der Tages-Anzeiger wütend: «Solange Kinder als höchstexklusiv weibliche Problematik wahrgenommen werden, kommt die Debatte keinen Schritt voran.»
Gleichzeitig mobilisierten Feministinnen per Rundmail: «Vielleicht habt ihr es schon mitbekommen, was für eine unsägliche ‹Arena› morgen vom SRF geplant ist», schreiben sie «mit feministischen Grüssen». Dutzende Frauen fluteten Twitter und Facebook mit Bildern aus den 50er Jahren und von sich am Herd. Wer Zeit hat, solle doch noch am Leutschenbach auftauchen.
Hinter den sieben Bergen,bei den sieben Zwergen.
— ((((Merlin)))) (@MarliesMller1) 10. Juni 2016
Schweizer Märchen 2016#srfarena#Frauen an den Herd pic.twitter.com/QngAHenzmx
Freitagabend und die Frage, die sich jedes Mädchen jetzt stellt: Welche Kochschürze ziehe ich bloss an?! #srfarena pic.twitter.com/HB4otcxbBo
— Anne-Sophie Keller (@anneso_keller) 10. Juni 2016
Beste Werbung für Projers «Arena» also. Hier wurde die Suppe dann nicht so heiss gegessen, wie gekocht. Nur fünf Aktivistinnen erschienen vor den SRF-Studios. Zuvorderst Michèle Meyer als Putzfrau. Sie hat sich vor allem über die Einladung von Philipp Gut, stellvertretender Chefredaktor der «Weltwoche», aufgeregt: «Dem kann ich eigentlich gar nicht zuhören», sagt sie.
Gut gibt sich dann vergleichsweise zahm, nicht so wie in seinen Artikeln, in denen er kolportiert, dass Frauen halt einfach ein wenig dümmer und schwächer sind als Männer. Und nicht so wie in seinem letzten «Arena»-Auftritt, als er sich über den Publikums-Helden lustig machte. Am liebsten legte er sich diesmal mit der Grünliberalen Nationalrätin Tiana Moser an. Es sollte sich zum Running-Gag entwickeln, wie die beiden einander auffordern, sich gegenseitig ausreden zu lassen.
Für Gut ist klar: Familiensache ist Privatsache. Frauen, die arbeiten wollen, sollen sich selber organisieren, der Staat muss da nicht mithelfen, jeder kann machen, was er will, viele Frauen würden ohnehin nicht arbeiten wollen. Für ihn ist mit dem heutigen System eigentlich alles in perfekter Ordnung. Der Hahn im Korb wird die Frauenrunde nicht dominieren.
Denn «einfach nicht ehrlich», findet das Tiana Moser, Mutter dreier Kleinkinder, Nationalrätin und GLP-Fraktionschefin mit Kinderfrau zu Hause – und damit die glaubwürdigste Teilnehmerin dieser Runde. Aktuell setze der Staat Negativanreize, es lohne sich nicht für die Frauen, zu arbeiten, steuerlich sei es nicht interessant und ab zwei Kindern sei es billiger zu Hause zu bleiben, als eine Krippe zu beanspruchen. Zu diesem Zeitpunkt setzt die Ex-Spitzensporterlin und heute glückliche Hausfrau Anita Weyermann («Gring abe u seckle») mit ihrem Credo ein, dass sich durch fast jedes ihrer Voten zieht: «Wenn man Kinder hat, muss man halt auch mal auf irgendwas verzichten.»
Wie Moser sieht das Rosmarie Zapfl gar nicht so. Die Frauenrechtlerin und ehemalige CVP-Nationalrätin wird nächste Woche 77 Jahre alt und zeigt keine Spur von Müdigkeit, sich für die Belange der Frauen einzusetzen. Sie trumpft mit stichhaltigen Argumenten: «Emanzipation heisst Selbständigkeit, und zwar bis zum Lebensende», sagt sie. Frauen, die nicht berufstätig seien, hätten keine zweite Säule und wenn sie sich scheiden lassen – und das würden die Hälfte aller Ehepartner tun – komplett seien sie abhängig und durch Altersarmut gefährdet.
Als Kontrast zu diesen beiden bringt Moderator Projer dann das stolze Mami und Hausfrau Nicole Morf ins Spiel. Ihr tun die Mamis, die im Büro sitzen und ihre Kinder verpassen, leid. Dann wird es plötzlich persönlich. Moser fühlt sich angegriffen, eine schlechte Mutter zu sein:
Frau Morf wird später nochmal mit dem Satz «wofür mache ich ein Kind, wenn ich es dann in der Krippe deponiere» punkten. Gegen sie tritt eine andere Frau aus dem Publikum an: Maria Nestola, Pharmassistentin mit zwei Kindern. Sie wünschte sich, dass junge Mütter heute im Gegensatz zu ihr staatliche Unterstützung bekämen, um arbeiten gehen zu können:
Als Mutter von vier Kindern arbeitet Ex-Spitzensportlerin Weyermann 20 Prozent, ihr Mann 100. Sie versteht nicht, was das Problem ist. Es brauche einfach Arbeitgeber, die ganz kleine Pensen anbieten, damit die Frauen ein bisschen arbeiten können. Und dann, ganz nach ihrem Credo, «für alles reicht es halt nicht», also «Gring abe u seckle».
Hier schaltet sich der als Experte anwesende aber wenig präsente Arbeitgebergeberverbands-Präsident Valentin Vogt ein: «Es braucht Arbeitgeber, die tiefe Pensen anbieten, Eheleute, die sich organisieren und den Staat, der geeignete Rahmenbedingungen schafft», sagt er.
In letzterem sieht Tiana Moser das grösste Problem. Neben Tagesstrukturen, Schulsystem, Steueranreizen und Krippenplätzen brauche es Vaterschaftsurlaub. «Was haben wir heute? Einen Tag? Das reicht nicht einmal für die Geburt», sagt sie und erntet dafür den einzigen herzhaften Applaus des Publikums dieses Abends.
Während sich die Diskussion weiter um Vaterschaftsurlaub, seine Finanzierbarkeit, den Nutzen vom Kampf für die Frauenrechte – für die gestandene Oberstleutnant Hildegard Zobrist ist der «völlig out» –, die Frauenquote und die Lohnungleichheit dreht – gemäss Philipp Gut gibt es die entgegengesetzt aller Statistiken gar nicht –, scheint sich beim Pflegefachmann Patrick Portmann im Publikum etwas zusammen zu brauen.
«Können wir mal über die normalen Leute reden?», scheint er rufen zu wollen, über die, die arbeiten müssen und schlecht bezahlt werden. Er unterbricht Weyermannm, die gerade ein «Aber» anbringen will: «Wir müssen jetzt einfach mal über Fakten sprechen. Es gibt viele Frauen in diesem Land, die es nicht schaffen mit 100 Prozent auf einen Lohn zu kommen, der zum Leben reicht.» Ausgerechnet Pflegefachmann Portmanns war das leidenschaftlichste Votum dieses Abends.
Einig ist die Runde sich am Ende nur in einem: Jeder sollte machen dürfen, was er will. Nur ob das alle können, darüber scheiden sich die Geister. Eine berufstätige Karriere-Mutter, die alles ganz super machbar fand, war jedenfalls nicht in der Sendung anwesend.