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Wie eine «Schattenflotte» russisches Öl verborgen transportiert

FILE - An oil tanker is moored at the Sheskharis complex, part of Chernomortransneft JSC, a subsidiary of Transneft PJSC, in Novorossiysk, Russia, on Oct. 11, 2022. A Russian official says the country ...
Tanker wie dieser transportieren russisches Öl in die ganze Welt – aber wem gehören sie?Bild: keystone

Wie eine Schattenflotte im Geheimen russisches Öl transportiert

Wegen der anhaltenden Sanktionen musste Russland neue Absatzmärkte und -wege für sein Rohöl suchen – und hat sie gefunden. Aber wer transportiert die Unmengen an «schwarzem Gold», wenn die westlichen Tanker wegfallen?
03.03.2023, 05:5603.03.2023, 13:53
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Russisches Öl – im Westen verpönt, ansonsten gern gesehen. Mit dem Krieg in der Ukraine und den damit einhergehenden Sanktionen musste das Land mit den weltweit zweitgrössten Rohöl-Exporten umstrukturieren. Während Europa sich von russischem Öl getrennt hat, haben asiatische Länder zugeschlagen.

So hat China seit 2022 pro Tag 1,9 Millionen Barrels (ca. 300 Millionen Liter) russisches Öl importiert. Das sind 19 Prozent mehr als noch im Vorjahr, gemäss der internationalen Energieagentur IEA. Indien hat die Ölimporte noch steiler hochgefahren: durchschnittlich 140 Millionen Liter Öl täglich, fast das 8-fache der Importmenge vor dem Krieg. Zuvor bezog das Land am Ganges sein Öl mehrheitlich aus dem Nahen Osten.

Im Januar 2023 haben die russischen Exporte nach China und Indien ein Rekordhoch erreicht. Die Preise für Rohöl aus Russland sind wegen der Sanktionen zurzeit denkbar tief und Diesel und Benzin teuer. Daraus schlägt China Profit und hat die eigene verarbeitende Industrie massiv hochgefahren.

Längere Wege, mehr Schiffe

Doch wie geht Russland mit den neuen Strukturen um? Nach Europa sind die Transportwege deutlich kürzer als nach Asien – vor allem, da die Mehrheit der russischen Exporthäfen und Ölterminals im Westen liegen. Laut einem Bericht der «CNN» reicht die russische Flotte nicht aus, um den gesamten Bedarf an Öltankern zu decken. Es braucht etwa viermal so viele Tanker wie vor dem Krieg. Hier kommt die «Schattenflotte» ins Spiel.

Experten schätzen den Bestand dieser Flotte auf rund 600 Schiffe, etwa 10 Prozent aller Tanker weltweit. Und die Zahl wächst weiter. Wem diese Schiffe gehören und wer sie bedient, ist ein Mysterium. Richard Matthews, Forschungschef bei EA Gibson, einem internationalen Schiffsmakler, teilt das globale Ölsystem in zwei Teile:

«Es gibt die Flotte, die nichts mit Russland zu tun hat. Und dann gibt's die Flotte, die fast nur mit Russland zu tun hat.»

Doch auch die «russische» Flotte ist nicht homogen, sagt Matthew Wright von der Datenanalyse-Firma Kpler. Er unterteilt sie in «graue» und «schwarze» Schiffe. Graue Schiffe wurden nach Beginn der russischen Invasion verkauft – mehrheitlich von Europäern an Unternehmen im Nahen Osten und Asien, die zuvor nichts mit Öltransport zu tun hatten.

Schwarze Schiffe hingegen sind schon lange im Ölgeschäft: Sie wurden bereits vom Iran und Venezuela genutzt, um westliche Sanktionen zu umgehen und weiterhin Rohöl zu exportieren. Viele dieser Schiffe pflegen die Praxis, ihren AIS-Transponder auszuschalten und so sprichwörtlich «unter dem Radar» zu operieren.

Was ist ein AIS-Transponder?
Die Abkürzung steht für Automatic Identification System oder automatisches Identifizierungssystem. Diese Geräte bestehen aus einem GPS-Empfänger und einem Datenfunkgerät. Über das AIS-System können sich Schiffe auf der ganzen Welt untereinander identifizieren und wichtige Daten an andere Schiffe, aber auch an Landstationen und Verkehrszentralen an der Küste weitergeben.
Quelle: svb.de

«Schattenflotte» wächst weiter

Eigentlich müsste es nicht so sein. Während die westlichen Länder die meisten Ölimporte aus Russland untersagt haben, ist der Transport von russischem Öl auch für westliche Unternehmen nicht verboten. Einzige Auflage ist, dass die Preisdeckel der G7 eingehalten werden. So transportierten Schiffe von europäischen Besitzern im Januar 36 Prozent allen russischen Rohöls.

Aber was passiert, wenn die Preisdeckel nicht eingehalten werden? Die Risiken sind gross: Keine westliche Reederei beabsichtigt, sich mit den G7 anzulegen, der Schaden an Reputation und Portemonnaie wäre zu gross.

Activists of the environmental organization Greenpeace paint the words 'Oil fuels war' on the hull of a ship carrying Russian oil near the German island Fehmarn, Germany, Wednesday, March 23 ...
Bild: keystone

Darum werden jeden Monat schätzungsweise 25 bis 35 Schiffe an die Schattenflotte verkauft. Global Witness, eine Non-Profit-Organisation, schätzt, dass etwa ein Viertel aller Schiffskäufe im Januar von unbekannten Personen durchgeführt wurden. Die Nachfrage nach Tankern für Russlands Exporte könnte in den kommenden Monaten weiter steigen: Je nachdem, wie stark China seine Post-Corona-Wirtschaft ankurbeln kann, wird auch mehr russisches Öl importiert.

Gefahren nicht nur für die Wirtschaft

Wer steckt also hinter dieser «Schattenflotte»? Manche vermuten, dass hinter gewissen Unternehmen, die aus dem Nichts plötzlich im Öltransport tätig sind, der russische Staat oder staatsnahe Personen stehen, sagt Sergej Wakulenko. Er war früher in der Chefetage einer russischen Ölfirma.

So hatte die EU letztes Wochenende die «Sun Ship Management» mit Sanktionen belegt. Die Firma gehört zu Sovcomflot, einem der grössten russischen Frachtunternehmen. Die EU argumentierte, dass die Firma, die in Dubai eingetragen ist, «als eine der Hauptfiguren im Transport von russischem Rohöl agiert» habe. Der russische Staat sei der Hauptbegünstigte dieser Aktionen.

Zudem könne Russland dank dieser «Schattenflotte» Sanktionen einfacher umgehen, wie es schon Venezuela und der Iran getan haben. So haben Experten, darunter Wakulenko, Beweise gefunden, dass «Urals», die Hauptölsorte Russlands, vielerorts für teurer verkauft wird, als die G7-Preisdeckel es zulassen.

Und nicht zuletzt stellt die «Schattenflotte» auch ein Risiko für die Umwelt dar:

«Die Chance eines grossen Öllecks oder eines Unfalls wird jeden Tag grösser.»
Richard Matthews, EA Gibson

Viele der schwarzen Schiffe seien vermutlich mehr als 15 Jahre alt. Normale Reedereien ziehen Schiffe in diesem Alter meist aus dem Verkehr, da die Abnutzung dann zum Sicherheitsrisiko wird. Jetzt ziehen aber immer mehr und mehr dieser alten Tanker durch die Weltmeere. Und sehr wahrscheinlich werden sie auch nicht so gewartet, wie sie sollten, sagt Richard Matthews gegenüber der CNN.

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128 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rikki-Tiki-Tavi
03.03.2023 06:35registriert April 2020
Danke für den interessanten Artikel. Nebst dem spezifischen Thema zeigt er auch ein Grundproblem auf, dass es immer noch zu einfach ist, völlig unkontrolliert auf den Weltmeeren allerlei anzustellen.
Der Handel bzw. Übergang von der „offiziellen Nutzung“ eines Schiffes zur grauen oder schwarzen Flotte löst sicherlich interessante Zahlungsströme aus. Diese zu verfolgen dürfte komplex und spannend sein.
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N. Y. P.
03.03.2023 07:03registriert August 2018
Würde mich nicht erstaunen, wenn diese «Schattenflotte» einen Bezug zur Schweiz hätte.

Es würde unserem Ruf gerecht werden.
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FamilyGuy
03.03.2023 06:47registriert März 2020
Da fragt man sich schon, ob Sanktionen da überhaupt Sinn machen… Russland scheint genug Möglichkeiten zu finden, die Kriegskasse zu füllen. Staaten, die nicht sanktionieren haben einen wirtschaftlichen Aufschwung und verdienen am Krieg… Die haben wohl aus der Geschichte der neutralen Schweiz in den Weltkriegen gelernt. Solches Verhalten hat einen bitteren Nachgeschmack, aber gerade die Schweiz zeigt, dass man gut damit leben kann… 😉
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