Am nächsten Montag könnte der grösste Tag der Schweizer Fussballgeschichte sein. Dann, wenn es die Nati tatsächlich schafft, zum ersten Mal seit 1954 an einer Endrunde in den Viertelfinal einzuziehen. Bei einem Schweizer kommen trotzdem gemischte Gefühle auf: Fabian Schär.
Der Verteidiger hat am letzten Sonntag seinen Stammplatz verloren. Weil Steven Zuber in die Mannschaft rückte und Ricardo Rodriguez nach innen rutschte, fand sich Schär auf der Ersatzbank wieder. Es ist gut möglich, dass sich daran auch im Achtelfinal nichts ändert.
Nun ist der 29-Jährige bestimmt nicht einer, der ob dieser Ausgangslage frustriert wäre oder seinen Ärger zeigen würde. Trotzdem wäre es sehr bitter für Schär, wenn er im Achtelfinal nun passen müsste. Denn bereits vor drei Jahren an der WM in Russland verpasste er das K.o.-Spiel gegen Schweden. Damals wäre er gesetzt gewesen.
Er musste aber gesperrt zuschauen. Kurz vor Schluss im letzten Gruppenspiel gegen Costa Rica erhielt er eine sehr strenge gelbe Karte, es war die zweite an jenem Turnier – somit hätte Schär erst im Viertelfinal wieder spielen dürfen.
Vier Monate später, beim 5:2 in der Nations League gegen Belgien, diesem sagenhaften Schweizer Fussballabend, ereilte Schär noch einmal genau dasselbe Schicksal – unfreiwilliger Zuschauer wegen einer Gelb-Sperre.
Folgt nun tatsächlich ein weiterer kleiner Rückschlag für Schär in seiner Nati-Karriere? Zwar trainierte Nico Elvedi gestern bereits zum zweiten Mal in Serie nicht mit, weil er sich mit Fussproblemen herumschlägt. Es handelt sich aber mehr um eine Vorsichtsmassnahme. Darum muss Schär davon ausgehen, weiterhin Ersatz zu sein. Es würde irgendwie zu seiner Saison passen.
Den Saisonstart bei seinem Verein Newcastle verpasste Schär wegen einer Schulterverletzung. Als er sich in die Stammelf zurückgekämpft hatte, war er alsbald mit Corona infiziert. Das Virus erwischte ihn ziemlich heftig. «Ich fühlte mich zehn Tage lang sehr schlecht, konnte kaum aufstehen, war fast ausschliesslich im Bett», sagte er.
Als auch Corona überstanden war, kam nur wenige Wochen später die nächste Hiobsbotschaft: Anfangs Februar zog sich Schär einen Innenbandriss im Knie zu. Damals ist es fraglich, ob er überhaupt an die Europameisterschaft wird reisen können. «Im ersten Moment war es natürlich ein Schock. Aber es hat mir geholfen, dass ich mit der EM ein konkretes Ziel vor Augen hatte, das ich erreichen will», sagte Schär Anfang Mai.
Und tatsächlich, die Heilung verlief ohne Komplikationen und vor allem schneller als gedacht. Dass Newcastle Schär bereits kurz nach der Verletzung signalisierte, den Vertrag verlängern zu wollen, und sich damit die Zukunft klärte, hat dabei sicher nicht geschadet.
Nun ist es nicht so, dass Schär in den Spielen gegen Wales und Italien alles falsch gemacht hätte. Dass ihm ein Abend unterlaufen wäre wie im letzten Oktober in Deutschland, als er beim 3:3 an jedem Gegentor beteiligt war. Aber herausragend war Schär eben auch nicht.
So ist es gut möglich, dass Schär genau den umgekehrten Weg beschreitet wie an der WM 2014, seinem ersten grossen Turnier. Damals wurde er vor dem ersten Spiel von Ottmar Hitzfeld aus der Mannschaft genommen, das Duo Von Bergen/Djourou erhielt den Vorzug. Nach dem 2:5 gegen Frankreich kehrte Schär für das Spiel gegen Honduras zurück, zeigte eine gute Leistung – und konnte sich im Achtelfinal gegen Argentinien sogar nochmals steigern. «Diese Weltmeisterschaft war für mich als Fussballer das wohl prägendste Erlebnis der Karriere», sagte Schär unmittelbar vor dieser EM.
Auch an der EM 2016 hat Schär einen grossen Auftritt. Er ist es, der mit seinem Tor den 1:0-Sieg gegen Albanien zum Auftakt möglich macht. Überhaupt ist die Torgefährlichkeit eine zusätzliche Waffe des Verteidigers. Nach 62 Einsätzen hat er bereits acht Treffer erzielt. Drei davon in den ersten drei Länderspielen.
Zurück in die Gegenwart. Schär bleibt nicht viel anderes übrig, als geduldig zu sein. Vielleicht hat ja diese irre Saison für ihn noch einmal eine verrückte Wende bereit.
Dort, wo wir Favorit waren, sind wir jeweils gescheitert.