Emotionale Ausbrüche und Streit haben in den coronabedingten «Geisterspielen» bei Fussballern und Betreuern insgesamt messbar abgenommen. Das berichten Salzburger Forscher am Beispiel von Spielen des FC Red Bull Salzburg im Fachmagazin «Humanities & Social Sciences Communications».
Michael Leitner und Fabio Richlan von der Universität Salzburg sahen sich einige Effekte von Geisterspielen genauer an. Detailliert unter die Lupe nahmen die Sportpsychologen die zehn Meisterrunden-Spiele des FC Red Bull Salzburg in der «normalen» Saison 2018/19 und zehn Geisterspiele des Serienmeisters im vergangenen Corona-Jahr.
Analysis System for Emotional Behavior in Football (ASEB-F): Professional football players' emotional behavior in ghost games in the Austrian Bundesliga. https://t.co/CCUFEAowAK via @OSFramework
— Fabio Richlan (@fabiorichlan) October 2, 2020
Dazu haben sie eigens ein «Analysesystem für emotionales Verhalten im Fussball» entwickelt, in dem das Gehabe der Beteiligten auf verschiedenen psychologischen Ebenen in Abhängigkeit von der jeweiligen Spielsituation interpretiert wird.
So identifizierten die Forscher insgesamt um 19.5 Prozent weniger Situationen mit Auseinandersetzungen mit anderen Spielern oder dem Schiedsrichter in den Spielen ohne Publikum.
Die Referees sahen sich offenbar auch seltener dazu veranlasst, bei derartigem Verhalten einzuschreiten: In Matches mit Zuschauern involvierten sie sich in knapp 40 Prozent dieser «emotionalen Situationen», in den leeren Stadien war das nur bei rund einem Viertel der Fälle so.
Während moderater Protest etwas zunahm, war dies beim Fair-Play-Verhalten ebenso. Wortgefechte und Diskussionen gingen in Geisterspielen um rund fünf Prozent zurück. Insgesamt reduzierte sich auch die Zeit von fast 42 auf 27 Minuten, während der alle aktiv und passiv am Spiel Beteiligten mit Diskussionen und ähnlichem beschäftigt waren.
Offenbar half das den Akteuren, sich auf das Spielziel zu konzentrieren – nämlich das Runde ins Eckige zu befördern: So schoss Red Bull Salzburg unter den Bedingungen der Geisterspiele mehr Tore. Auch gesamthaft verbuchte die Corona-Meisterrunde um 20 Prozent mehr Tore bei rund 13 Prozent weniger Verwarnungen oder Platzverweisen.
Hinsichtlich der Foul- und Kartenstatistik waren die beiden untersuchten Saisons zwar etwas unterschiedlich, im Prinzip aber gut vergleichbar.
Insgesamt zeige sich, dass das Umfeld mit Zuschauern im Stadion sehr wohl einen «deutlichen Einfluss» auf das Verhalten der Akteure hat, so Leitner. Spieler, Betreuer und auch Schiedsrichter blieben offenbar in Abwesenheit der Fans ruhiger und lieferten sich weniger Wortgefechte. Nun müsse analysiert werden, ob sich die gleichen Effekte finden, wenn der Fokus stärker auf mehrere Mannschaften gelegt wird, so die Studienautoren. (pre/sda)