Der internationale Tourismus verzeichnete seit der Wirtschaftskrise im Jahr 2009 ein ununterbrochenes, überdurchschnittliches Wachstum. Im Jahr 2018 haben insgesamt 1,4 Milliarden Menschen eine touristische Reise ins Ausland gemacht. Damit ist die Zahl der Auslandreisenden seit 1950 um mehr als das Fünfzigfache gestiegen.
Und ein Ende des Wachstums war nirgends in Sicht. Der Tourismus entwickelte sich so rasend schnell, dass nicht nur viele Orte unter Overtourism klagten, sondern auch die Prognosen schnell überholt schienen: Die 2011 von der Welttourismusorganisation (UNWTO) prognostizierte Zahl von 1,8 Milliarden Touristinnen und Touristen, die ins Ausland reisen, könnte schon Mitte der 2020er Jahre statt 2030 erreicht werden, hiess es noch letztes Jahr.
Dann kam Corona.
Im Mai hat die UNWTO den World Tourism Barometer mit Fokus auf die Covid-19-Krise veröffentlicht. Der Bericht zeigt, wie stark die Branche weltweit eingebrochen ist – und welche Auswirkungen dies hat.
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Noch nie in seiner Geschichte erlebte der internationale Tourismus einen derartigen Einbruch wie im Jahr 2020. Die UNWTO rechnet mit einem Einbruch von 58 bis 78 Prozent der internationalen Touristenankünfte. Damit dürften rund eine Milliarde Ferienreisende auf einen Schlag wegfallen.
Die drei Szenarien gehen von Grenzöffnungen im Juli (Szenario 1), September (Szenario 2) und Dezember (Szenario 3) aus. Dass einzelne Länder nun bereits früher ihre Reiserestriktionen lockern, könnte den Einbruch allenfalls etwas mildern.
Die Coronakrise traf den Tourismus in seiner schwächsten Saison, anfangs Jahres. Auch wenn die Zahlen für die ersten Monate des Jahres 2020 noch provisorisch sind – es wird ein sehr deutlicher Einbruch im Vergleich zu den Vorjahren geben.
Besonders früh war der Einbruch in Asien zu erkennen, wo die Pandemie ihren Ursprung hat. Bereits für Februar ist ein ungewöhnlicher Rückgang zu verzeichnen, im März fiel die Zahl dann um rund zwei Drittel.
In Europa bewegten sich die Touristenzahlen im Januar und Februar noch im üblichen Rahmen, sogar leicht über den vorherigen drei Jahren. Im März wurde aber deutlich weniger gereist, die Zahlen brachen um rund die Hälfte ein.
Diese Zahlen verwundern wenig, hatten doch alle Länder dieser Welt Ende April Einreisebeschränkungen. Anfangs März hatten nebst vereinzelten Staaten erst Länder in Asien und Ozeanien Beschränkungen eingeführt.
Wie sehr die Branche allein in diesen ersten drei Monaten 2020 gelitten hat, zeigen die Vergleiche mit den Vorjahren. Während es zunächst jährliche Zuwachsraten gab, brach die Zahl der Tourismusankünfte schon kurz nach Beginn des Jahres – und nach Ausbruch der Krise in China – ein. Für den Monat April gibt es noch keine Zahlen.
Wie schnell sich die Industrie erholen wird, ist schwierig abzuschätzen. Einen Anhaltspunkt gibt der Blick auf die Erholungszeit nach den drei letzten Krisen: Die Terroranschläge vom 11. September 2001, das SARS-Virus im Jahr 2003 und die globale Wirtschaftskrise im Jahr 2009.
Bis wieder gleich viele Touristen unterwegs waren, hat es damals zwischen 11 und 19 Monate gedauert. In der aktuellen Krise dürfte es deutlich länger dauern – schliesslich sind die Einbrüche der Zahlen kaum mit den bisherigen zu Vergleichen (siehe Grafik 1).
Leidet der Tourismus, leiden auch seine Mitarbeiter. Und das sind Millionen: Die Welttourismus-Organisation WTTC geht davon aus, dass jede zehnte Arbeitsstelle weltweit dem Bereich Reisen und Tourismus angehört. Darunter fallen auch Piloten, Köche in Tourismusdestinationen und weitere indirekt durch den Tourismus betroffene Berufe.
Den direkten Anteil machen effektiv auf Freizeit- und Geschäftsreisen betroffene Jobs aus, beispielsweise Angestellte eines Nationalparks. Dieser direkte Teil kommt auf rund 3,3% des weltweiten Bruttoinlandproduktes.