Heute vor zehn Jahren, am 3. Januar 2009, erblickte Bitcoin das Licht der Welt. An diesem Tag wurden die ersten 50 Stück der digitalen Währung ausbezahlt – als Belohnung für das aktive Minen für die Blockchain.
Was als wertlose Reaktion einiger Geeks auf die Bankenkrise 2008 begann, entwickelte sich in den letzten zehn Jahren zu einem Massenphänomen. Der Zeitgeist der Dezentralisierung hatte endlich auch das Geld erreicht.
Der Erfolg lockte die Kritiker aus ihren goldenen Käfigen. Bei jedem Kurseinbruch wurde hämisch Bitcoins endgültiges Ableben verkündet. Und es gab einigen Grund zu nölen. Denn der Bitcoin-Kurs stürzt immer wieder einmal ab.
Manchmal dauerte es danach ein paar Jahre, manchmal nur ein paar Tage – doch auf jeden Absturz folgte ein neuer Höhenflug.
Nur dank Bitcoin existieren heute tausende Kryptowährungen. Sie lösen bereits heute zum Teil gravierende Probleme. Nur dank Bitcoin wurde das bahnbrechende Konzept der Blockchain einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Nur dank Bitcoin arbeiten heute tausende Entwickler (mit unterschiedlichem Erfolg) an immer noch besseren, schnelleren, dezentraleren, sichereren und anonymeren Blockchainsystemen.
Die Mutter aller Kryptowährungen hat eine Lawine losgetreten. Und trotz aller Unkenrufe lebt Bitcoin auch im Jahre 2019 weiter.
Am 3. Januar 2009 wird der erste Bitcoin-Block, der «Genesis-Block» oder «Block 0» gemint. Darin verankert ist der Text «The Times 03/Jan/2009 Chancellor on brink of second bailout for banks», eine Referenz auf das Titelblatt der «Times» an diesem Tag.
Der Satz soll in Erinnerung rufen, weshalb Bitcoin überhaupt existiert: als eine Reaktion auf die Bankenkrise 2008, die zu viele Kleinanleger hart traf, und zu viele Verantwortliche aus der Finanzbranche ungeschoren davonkommen liess.
Ob der erste Block tatsächlich am 3. Januar 2009 und nicht erst am 9. Januar gemint wurde, ist umstritten. Man munkelt, der geheimnisvolle Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto habe den ersten Block zurückdatiert, weil er die «Times»-Schlagzeile so passend fand. Die ersten 50 Bitcoins gingen an die Adresse 1A1zP1eP5QGefi2DMPTfTL5SLmv7DivfNa.
Heute besitzen 50 Bitcoins einen Wert von ca. 200'000 Franken (Stand Dezember 2018). 2009 betrug ihr Wert ... 0 Franken. Bitcoin war nach der Geburt wertlos. Es gab schlicht und ergreifend keine Abnehmer – keinen Markt.
Auch wenn es Satoshi anders gewollt hätte: Die ersten 50 Bitcoins befinden sich noch immer an ihrem Ursprungsort. Die Architektur der Blockchain erlaubt es nicht, die ersten Bitcoins zu transferieren.
Aus den 50 Bitcoins (BTC) auf der Adresse 1A1zP1eP5QGefi2DMPTfTL5SLmv7DivfNa wurden in den Jahren 66,9. Bis heute senden Bitcoin-Jünger «digitale Opfergaben» an diese fast wie einen Glück bringenden Brunnen verehrte Adresse.
Satoshi, der mutmasslich die Kontrolle über die Adresse hat, hätte die Opfergaben nicht nötig. Detaillierte Auswertungen der Bitcoin-Historie zeigen, dass die ersten 36'000 Bitcoin-Blocks von einem einzigen Computer gemint wurden. Man geht davon aus, dass es sich dabei um Satoshis Gerät handelte.
Die Belohnung dafür betrug 1,8 Millionen BTC (50 BTC pro Block). Davon wurden über 60 Prozent nie angerührt. Das macht Satoshi zu einem Dollarmilliardär. Ob er indes noch lebt, ist eine andere Frage. Seine Identität ist weiterhin ein Rätsel.
Am 12. Januar 2009 findet die erste BTC-Transaktion statt. Satoshi sendet 10 BTC an die Adresse des Programmierers, Entwicklers und Kryptoaktivisten Hal Finney.
Finney lebte in Temple City, Kalifornien. Der Zufall will es, dass dort zur selben Zeit auch ein gewisser Dorian Prentice Satoshi Nakamoto residierte, ein Amerikaner japanischer Herkunft mit Verbindungen zum Bankenwesen.
Nakamoto wird 2014 von der Journalistin Leah McGrath Goodman konfrontiert. In einem verwirrenden Gespräch bestätigt er seine Aktivitäten im Zusammenhang mit Bitcoin zuerst indirekt.
Später dementiert er sein «Geständnis». Er habe die Journalistin falsch verstanden. Er wisse nichts von Bitcoin und habe damit auch nichts zu tun. Später lässt er sich sein Dementi von einem Anwalt bestätigen.
Hal Finney stirbt im August 2018 an ALS. Es wird auf immer sein Geheimnis bleiben, ob nicht er selber Satoshi Nakamoto war.
Am 22. Mai 2010 – über ein Jahr nach der ersten Transaktion – tauscht der Programmierer Laszlo Hanyecz 10'000 Bitcoins (heutiger Wert: 40 Millionen Franken [Stand Dezember 2018]) gegen zwei Papa-Joes-Pizzas im Wert von 25 Dollar. Zu diesem Zeitpunkt besitzt Hanyecz einen ordentlichen Anteil sämtlicher BTCs.
Der in den USA lebende Ungar hat eine Software entwickelt, die es Grafikkarten erlaubt, den Schürfprozess zu übernehmen. Grafikkarten sind wesentlich effizienter als herkömmliche Hauptprozessoren und Hanyecz häufte mit seinem Programm derart viele Bitcoins an, dass ihn sogar Satoshi höchstpersönlich bat, seine vielen BTCs in Umlauf zu bringen und nicht einfach nur zu bunkern.
Der Pizza-Deal kommt nur über Umwege zu Stande. Hanyecz platziert einen entsprechenden Aufruf in einem Bitcoin-Forum. User «jercos», im echten Leben Jeremy Sturdivant, geht auf den Deal ein und platziert bei Papa-Joes im Namen von Hanyecz eine Online-Bestellung.
Der Pizza-Deal gilt bis heute als einer der ersten Käufe – wenn nicht der erste überhaupt – von Realgütern mit der digitalen Währung. Er wird als Meilenstein in der Bitcoin-Historie gewertet.
«Jercos» verkauft später seine 10'000 Bitcoins für «ein paar hundert Dollar». Hanyecz sagt heute, er bereue den Deal nicht. Er rede sich ein, mit seiner Aktion Bitcoin zum Erfolg verholfen zu haben.
Ursprünglich als Handelsplattform für Spielkarten von «Magic: The Gathering Online» gedacht, eröffnet mit Mt. Gox (das «x» steht für «exchange») eine der ersten Kryptobörsen der Welt. Bitcoins lassen sich nun in Echtzeit handeln – und vor allem scheinbar einfach lagern.
Das Interesse an der dezentralen Digitalwährung nimmt zu. Im November 2010 übersteigt der Wert aller Bitcoins zum ersten Mal eine Million Dollar und ein paar Monate später schafft ein Bitcoin zum ersten Mal die Dollarparität.
Am 8. Juli erreicht ein Bitcoin 31 Dollar. Danach bricht der Preis auf 2 Dollar ein: Die erste Bitcoin-Blase ist geplatzt.
Je nach Zählweise können bis heute bis zu zehn geplatzte Bitcoin- / Kryptoblasen ausgemacht werden.
Der Gründer des florierenden Handelsplatzes Silk Road, Ross Ulbricht, wird festgenommen und die Untergrund-Seite geschlossen. Auf Silk Road, das nur mit dem anonymen Tor-Browser angesteuert werden konnte, wurden diverse verbotene Waren und kriminelle Dienstleistungen feilgeboten. Vor allem der Handel mit weichen Drogen florierte. Aber auch Attentäter und Waffenhändler boten auf Silk Road ihre Dienste an.
Bitcoin erleidet im Zuge des Silk-Road-Skandals einen grossen Imageschaden. Es wird bekannt, dass viele der Geschäfte mit der digitalen Währung abgewickelt wurden. Das Vorurteil der bevorzugten Währung von Kriminellen, Terroristen und Steuerhinterziehern hält sich bis heute hartnäckig.
Dabei geht vergessen, dass die Mutter aller Kryptowährungen keine absolute Anonymität gewährleistet. Andere Kryptowährungen sind in die Bresche gesprungen und haben das Geschäft mit der Anonymität perfektioniert.
Ulbricht sitzt heute hinter Gittern. Für seine Beteiligung an Silk Road erhielt er eine lebenslange Haftstrafe und 40 Jahre ohne Chance auf Entlassung auf Bewährung. Ein weiteres Verfahren wegen Anstiftung zu Mord wurde eingestellt.
Nach einer längeren Serie von Pannen, Problemen und Hacks platzte beim damals grössten Bitcoin-Handelsplatz Mt. Gox die Bombe. CEO Mark Karpelès teilte mit, dass 750'000 Kunden- und 100'000 eigene Bitcoins «verloren gegangen seien».
Sechs Prozent aller Bitcoins waren betroffen. Schnell machen Gerüchte eines Diebstahls die Runde. Einst war Mt. Gox für 70 Prozent aller Bitcoin-Transaktionen verantwortlich. Jetzt war die Börse am Ende.
200'000 der verschollenen digitalen Coins tauchen später wieder auf und fliessen in die Konkursmasse. Aufgrund der Zurückverfolgbarkeit von Bitcoin-Transaktionen spüren Analysten auch die restlichen 650'000 auf. Doch diese befinden sich ausserhalb der Reichweite der Ermittler. Die Besitzeradressen zu kennen reicht nicht. Dafür sorgt die (fast) absolute Sicherheit der Blockchain.
Derweil war die japanische Justiz nicht auf ein Verfahren mit Kryptowährungen vorbereitet. Und so wurde die Schadensersatzforderung der Gläubiger in Yen festgelegt – und nicht in Bitcoin. Dieser Umstand würde später doppelt zu reden geben.
Denn um die Geschädigten des Mt.-Gox-Skandals in Yen auszahlen zu können, verkaufte der dafür zuständige Anwalt Nobuaki Kobayashi, auch genannt der «Tokyo-Wal», im Zuge des Konkursverfahrens immer wieder grosse Mengen Bitcoins. Er verkaufte derart viele Bitcoins, dass viele Anleger in Kobayashis Massenverkäufen den Grund für die letzten Kurseinbrüche sehen. Seine Bitcoin-Konten werden rund um die Uhr überwacht und es existieren Dienste, die Alarm schlagen, sobald Kobayashi grössere Mengen Bitcoins transferiert.
Doch die Akte Tokyo Whale hat noch einen anderen Haken: Weil der Preis der Kryptowährung seit dem Mt.-Gox-Konkurs rasant angestiegen war, reichte ein Bruchteil der Bitcoin-Konkursmasse, um die beglaubigte Schadenssumme (42 Milliarden Yen oder 430 Millionen Franken) zu erreichen.
Für Empörung sorgte, dass das japanische Recht vorsieht, den Rest der Konkursmasse nach Ausbezahlung sämtlicher Gläubiger an den Zahlungsunfähigen zurückzuleiten. Im Fall von Mt. Gox und Mark Karpelès wären das ungefähr 138'000 Bitcoins im Wert von mehreren hundert Millionen Dollar gewesen, die er so «ergaunern» hätte können.
Im Juni 2018 entschied ein Gericht, dass die Auszahlung der Geschädigten mit Yen nach dem damaligen Bitcoin-Kurs (483 $) nicht rechtens sei. Die Geschädigten sollen stattdessen so viele Bitcoins wie möglich zurückerhalten. Damit geht Karpelès leer aus und die übrig gebliebenen Bitcoins gehen an die Gläubiger.
Aktuell (Erneut: Stand Dezember 2018) verbraucht das Bitcoin-System ca. 42 Terawattstunden pro Jahr. Das entspricht dem Stromverbrauch des Landes Peru. Auch in dieser Hinsicht ist Bitcoin in den letzten zehn Jahren massiv gewachsen.
Im Zeitalter der Klimaerwärmung werden diese Mengen nicht mehr ignoriert. Der Energieverschleiss sei eines der grössten Probleme von Bitcoin, heisst es immer wieder.
Natürlich kontern eingefleischte Bitcoin-Fans den Vorwurf. Und zwar mit zahlreichen Argumenten:
Verantwortlich für den hohen Energieverschleiss ist bei Bitcoin das sogenannte Proof of Work (POW). In absehbarer Zeit wird sich bei Bitcoin in dieser Richtung nicht viel ändern.
Andere Kryptowährungen sind von POW abgekommen und versuchen, ihre Knotenpunkte energiesparender am Leben zu erhalten.
2017 war das Jahr der Kryptowährungen. Bitcoin schoss in die Höhe und erreichte Mitte Dezember seinen bisherigen Höchststand von 19'891 $ (Bitfinex). Seither ging es ein Jahr lang bis auf 3200 $ herunter – und die Unkenrufe wurden wieder lauter. Lauter denn je.
In dem Sinn: Alles Gute zum Geburtstag, Bitcoin. Auf weitere unterhaltsame zehn Jahre!