Nachdem gestern bekannt wurde, dass der Staat China ICOs – eine beliebte Crowdfunding-Methode in der Kryptowährungszene – verboten hat, stürzten die Kurse vieler Kryptowährungen um viele Prozentpunkte ein.
Was für die einen ein Frust ist, ist für andere ein Segen: Tiefe Kurse bedeuten eine gute Möglichkeit, mutmasslich günstig einzusteigen. Doch die Sache mit den Kryptowährungen ist nicht ganz so einfach und ein paar wichtige Punkte müssen beachtet werden:
Bevor du dich in in den Sturm wagst, solltest du dich gut ausrüsten. Und zwar mit Kenntnissen zur Thematik. Was ist eine Blockchain? Was ermöglicht eine Blockchain und welche Limiten hat sie? Was für Unterschiede gibt es, zwischen den verschiedenen Systemen – zum Beispiel zwischen Bitcoin und Ether?
Dein Wissen wird dich im Krypto-Sturm zwar nicht davor retten, dass du nass wirst. Es kann dich aber davor bewahren, dass du nicht gleich nach ein paar Schritten von einem Baum erschlagen wirst.
Wer sich im Sturm zu weit hinauswagt, läuft Gefahr zu ersaufen. Oder vom Blitz getroffen zu werden. Oder von einem herabfallenden Ast. Die Gefahren lauern überall. Der Handel mit Kryptowährungen ist eine Zockerei. Wer zockt, sollte nur so viel Geld einsetzen, wie er auch verlieren kann. Diese Regel wird in der Szene wie ein Mantra heruntergebetet – absolut zurecht.
Mit ein Grund, weshalb Kryptowährungen noch nicht bei Krethi und Plethi angekommen sind, ist die noch nicht alltagstaugliche Handhabung. Die Versuchung, auf Onlineanbieter für die Lagerung der eigenen Coins zurückzugreifen, ist deshalb gross. Doch das birgt Gefahren.
Erfolgreiche Hacks auf Kryptowährungsbörsen gibt es zuhauf und deshalb lautet ein weiteres Mantra in der Szene: Nur wer die Kontrolle über seine eigenen Schlüssel hat, besitzt auch seine Coins.
Ein privater Schlüssel für ein Kryptokonto besteht aus wahnsinnig vielen Zahlen und Buchstaben und wird bei der Eröffnung des Kontos generiert. Dieser Schlüssel muss in deinem Besitz sein und sogenannt «kalt» gelagert werden – also so, dass er von möglichen Datendieben übers Internet nicht erreicht werden kann. Zum Beispiel als File auf einem USB-Stick, der NICHT am Computer angeschlossen ist, oder als Papierausdruck.
Onlineanbieter, bei denen man sich mit einer Email, einem Passwort und im besten Fall mit einer 2-Stufen-Identifikation anmelden muss, verfügen über ein eigenes Kontosystem und damit über ihre eigenen privaten Schlüssel. Damit hast du keine echte Kontrolle über deine Ersparnisse. Nur kleine Mengen – zum Beispiel für den Handel – sollten deshalb auf Onlineanbietern und Börsen gelagert werden.
Einen ausführlichen Artikel nur zum Thema Krypto-Lagerung findest du hier.
Kryptowährungen sind der digitale Wilde Westen auf Steroiden. Weshalb Steroide? Immerhin walteten im Wilden Westen noch Gesetzeshüter. In der Kryptowelt ist es aufgrund der systemgegebenen Anonymität beinahe unmöglich, Kriminelle zu überführen. Es herrscht zwar Goldgräberstimmung, Polizei patrouilliert aber keine. Dieses Setting zieht Horden von Scharlatanen an. In der Kryptowelt kann man deshalb nie vorsichtig genug sein. Und die erste Massnahme ist: Gib nie deine privaten Schlüssel zu deinen Konten bekannt. Egal wer dich dazu auffordert – und es wird Leute geben, die das tun! Nie. Einfach nie.
Online-Handelsplattformen, auf denen du deine kleinen Mengen für den schnellen Handel parkierst, sollten immer mit einer 2-Stufen-Identifikation geschützt sein. Schalte diese wenn nötig ein. Das ist zwar keine absolute Sicherheit, aber immerhin ein weiterer Schritt, den Hacker überwinden müssten.
Apropos Handel: Trotz der tiefen oder zum Teil gar nicht vorhandenen Gebühren raten Kryptoprofis davon ab, intensiv zu handeln. Hobbytrader laufen sonst ins Messer von professionellen Spekulanten. Diese führen die neusten und cleversten Trading-Algorithmen und schier unerschöpfliche finanzielle Mittel ins Feld.
Eine eindrückliche Veranschaulichung, was im völlig unkontrollierten Kryptomarkt möglich ist war, ereignete sich am 21. Juni in diesem Jahr. Auf der Trading-Plattform GDAX stand der Ether-Preis bei 319 $, als ein Händler eine Sell-Order in Millionenhöhe platzierte. Der Verkaufsauftrag war derart hoch, dass er sämtliche Kaufaufträge bis 224 $ bediente. Der Preissturz löste über 800 Stop-Loss-Aufträge aus, welche den Preis in Sekundenbruchteilen bis auf 10 Cent drückten. Automatisierte Kaufaufträge trieben den Preis darauf wieder auf über 300 $. Nach wenigen Sekunden war der Spuk vorbei und der Schaden gross. Wer hinter der Aktion stand, ist bis heute nicht bekannt.
Weil der aktive Handel risikoreicher ist, als Einsteiger ahnen, lautet eine weit verbreitete Devise unter Krypto-Fans «hodl» und meint eigentlich «hold» – das sture Halten der Werte. Der Ausdruck «hodl» entstand, als User GameKyuubi im Bitcoinforum «Bitcointalk» in angetrunkenem Zustand seine Anlagestrategie ausbreitete. Sein Tippfehler im Titel wurde zum stehenden Begriff.
Informationen zum Kryptomarkt findet man zuerst meist nicht im Wall Street Journal, sondern in Foren wie Bitcointalk und Linkaggregatoren wie Reddit. Diese sind zwar lustig und überraschend selbstironisch – glaubwürdig sind sie aber nie. Die Unglaubwürdigkeit steigt mit der Lautstärke der Versprechen. Im Haifischbecken Kryptowährungen versucht jeder jeden zu fressen: Gambler und Glücksritter verstehen den Reiz dieser Ausgangslage.
Trading-Anfänger lassen sich zu oft von ihren Gefühlen leiten: FOMO (Fear of missing out – die Angst etwas zu verpassen) ist dabei genauso gefährlich wie unkontrollierte Panikverkäufe, wenn der Kurs einbricht. Solchen Panikverkäufern werden «Weak Hands» unterstellt – zittrige Hände. Sie geben ihre Trümpfe zu schnell her. Und man kann sicher sein, dass irgendwo auf dieser Welt ein Computer steht, dessen Algorithmus zittrige Hände miteinberechnet. Angst und Gier sind keine guten Ratgeber.
Statt ständig die Kurse zu beobachten und sich selber damit verrückt zu machen, empfiehlt es sich, möglichst viel über eine anvisierte Kryptowährung zu lesen. Wie erfahren ist das Team? Existiert bereits ein Produkt oder werden nur Versprechungen gemacht? Löst das Produkt ein Problem, ist es zukunftsweisend? Ist der Einsatz einer Kryptowährung überhaupt sinnvoll für dieses Projekt oder dient sie nur sich selbst?
Je mehr über ein Projekt in Erfahrung gebracht werden kann, desto grösser ist die Chance, dass man es korrekt einschätzt.
Lass dich nicht vergiften. Die Anziehungskraft von Geld ist gross, aber – so platt es tönt – es gibt bedeutend Wichtigeres!