In dieser Woche war Roger Federer wieder einmal in aller Munde. Erst machte er seinem FC Basel die Aufwartung. Er trug dabei ein T-Shirt seines Ausrüsters Uniqlo und Schuhe der Marke On, wo er nicht nur Werbeträger, sondern auch Teilhaber ist. Tags darauf nahm er an einem Promikochen teil, wo er dem Boulevard gestand, er könne nicht sonderlich gut kochen, schliesslich habe er immer Frauen um sich gehabt. Vorgefahren war Federer mit einem Mercedes, auf der Kochschürze prangte ein Stern.
Ein guter Werbeträger ist Federer noch immer, doch die Umstände kamen nicht nur gut an. Denn die beiden wichtigsten Fragen zu ihm als Sportler, die waren verboten: Wie geht es dem Knie? Und was ist mit Rücktritt?
Die eine Frage beantwortete Federer am Sonntagabend. Der 40-Jährige muss sich erneut am Knie operieren lassen. «Um mich besser zu fühlen, brauche ich eine Operation. Ich werde während mehreren Wochen an Krücken gehen müssen und werde für Monate nicht spielen können.»
Zwar spricht Roger Federer davon, er wolle sich «einen Funken Hoffnung» bewahren, es noch einmal zurück in den Tenniszirkus zu schaffen, er sagt aber auch, er wisse, wie schwierig es werde. Ab Herbst ist die Schonfrist abgelaufen, die eingefrorene Weltrangliste wird schrittweise «aufgetaut» und Federer wöchentlich weiter abrutschen. Das erschwert den Weg zurück an die Spitze. Doch darum geht es wohl schon längst nicht mehr.
Roger Federer geht es in diesen Monaten nur noch darum, die Türe zu diesem Kapitel in seinem Leben selbstbestimmt hinter sich zu schliessen.
Der Rücktritt wäre der einzige Ausweg aus dem Teufelskreis, in dem er sich befindet: Verletzung, Fragen, Rückkehr, Verletzung, wieder die Fragen der Öffentlichkeit nach dem Sinn und Zweck und dem richtigen Zeitpunkt. Dass er nicht den Notausgang aus dieser Endlosschlaufe wählt, lässt sich nur mit seiner ungebrochenen Liebe zum Spiel erklären. Es wäre ihm zu einfach, den Rückschlag zum Anlass seines Rücktritts zu nehmen.
«Wenn du etwas im Leben am besten kannst, willst du das niemals aufgeben», lautet einer seiner Leitsätze. «Und für mich ist das Tennis.» Doch wir werden Zeuge davon, wie die allerletzten Sandkörner durch die Kehle seiner Uhr als Tennisspieler rinnen. Es ist schon seit längerer Zeit ein Abschied auf Raten. Und das muss zum Teil schwer auszuhalten sein für jemanden, der sich von dem lösen muss, das ihn geformt und sein Leben mehr geprägt hat als alles andere. Für Federer ist das: Tennis.
In den letzten Jahren führte er unter dem Brennglas der Öffentlichkeit einen Kampf mit der eigenen Vergänglichkeit aus. Die letzten anderthalb Jahre haben ihm eine Welt eröffnet, zu der er während zwei Jahrzehnten keinen Zugang hatte. Einen Alltag mit Beständigkeit, in dem er bestimmen konnte, wann, wo und zu welchem Anlass er im Rampenlicht stehen will.
Er verbrachte viel Zeit mit seinen vier Kindern, seiner Frau, den Eltern. Er kümmerte sich um seine Stiftung. Er organisierte sein Unternehmen. Es hatte nur noch wenig mit dem Leben zu tun, das er kannte. Denn seit zwei Jahrzehnten führte er ein Leben zwischen Hotel, Tennisplatz, Kinderwagen und Verhandlungstisch. Und immer in der Öffentlichkeit.
So glamourös und aufregend es wirkt – auch das Leben in der Tennis-Karawane ist geprägt von zermürbenden Routinen: den immer gleichen Städten, den immer gleichen Stadien, Flughäfen, den Hotels und Fragen – unterbrochen von der Arbeit abseits des Schwenkbereichs der Kameras, im Fitnessraum oder in sengender Hitze. In einer Welt, in der man schnell erwachsen und noch viel schneller alt wird, hat Federer das Kunststück geschafft, lange jung zu bleiben. Die meisten werden schon vor dem 30. Geburtstag von diesem Karussell abgeworfen – der Körper zwingt sie dazu, oder andere Lebensbereiche sind wichtiger geworden – der Wunsch nach Heimat, Verwurzelung, die Gründung einer eigenen Familie.
Federer wurde 2009 erstmals Vater. Nicht einmal er selber hatte damit gerechnet, zehn Jahre später immer noch Tennis zu spielen; geschweige denn, zu den Weltbesten zu gehören.
Für viele Sportler bedeutet die Geburt der eigenen Kinder einen Karriereknick. Sind sie ohne den Nachwuchs unterwegs, leiden sie unter der Trennung, oder weil sich die Prioritäten verschieben, fehlt ihnen der Biss, der die Allerbesten von den Besten abhebt. Roger Federer, das darf man nicht vergessen, ist einer der bestverdienenden Sportler der Welt. Er kann sich den Luxus einer perfekten Balance leisten und reist mit seiner gesamten Entourage um den Globus: Frau, Kinder, Eltern, Trainer, Physiotherapeut, Nannys und Lehrer.
Das hat ihm geholfen, den Lauf der Zeit zu verlangsamen, aufhalten kann aber auch er ihn nicht. Federer ist in einem Stadium seiner Karriere, in der er mit jedem Rückschlag einen kleinen Tod stirbt. Ende des letzten Jahres sagte er: «Ich hoffe, es gibt noch etwas von mir zu sehen im nächsten Jahr. Wenn ich es nicht schaffe, bricht keine Welt zusammen. Schön wäre es einfach, wenn ich noch einmal auf den Platz zurückkehren würde.» Das hat er geschafft. Ob er es noch einmal schafft? Zweifel sind angebracht.
Federer sagte einmal, er müsse nicht auch noch kitschig aufhören. Darum geht es längst nicht mehr. Sondern darum, noch ein letztes Mal die Zeit anzuhalten. Den Tennis-Zirkus erhobenen Hauptes zu verlassen. Und die Türe selber hinter sich zu schliessen. Es ist seine letzte grosse Mission.
Im Tennis nimmt er keinem jüngeren Spieler den Platz weg, hat keinen Doppelpartner dem er zur Last fällt, finanziert sich selber und kann wie im Artikel beschrieben mit der ganzen Familie um die Welt reisen. Zudem habe ich noch kein Interview gelesen oder gehört von ihm, dass er wieder die Nummer eins werden möchte oder den Grand Slam gewinnen will. Solange er es sich leisten kann und es ihm spass macht soll er doch einfach mitspielen.