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Schweiz

Vorwürfe an Spitäler: Preisüberwacher warnt vor überrissenen Rechnungen

Happige Vorwürfe an Spitäler: Preisüberwacher warnt vor überrissenen Rechnungen

Missstand im Gesundheitswesen: Der Preisüberwacher wirft den Spitälern vor, Zusatzleistungen zu teuer abzurechnen. Er fordert regulatorische Änderungen.
19.10.2021, 13:32
André Bissegger / ch media
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Arzt Frau OP Operation Spital
Bild: shutterstock.com

Einzelzimmer oder freie Arztwahl: Preisüberwacher Stefan Meierhans hat die Krankenzusatzversicherungstarife der Schweizer Spitäler analysiert. Damit werden zusätzliche Leistungen abgerechnet, die über den Leistungsumfang der obligatorischen Grundversicherung hinausgehen.

Seine Erkenntnisse sind happig: Er wirft den Spitälern in seinem am Dienstag veröffentlichten Bericht vor, wohl flächendeckend überhöhte Preise für halbprivat- und privatversicherte Patienten abzurechnen. Dies schlage sich in überhöhten und nicht zu rechtfertigenden Prämien für die Halbprivat- und Privatversicherungen nieder. Für ihn ist klar: Es braucht regulatorische Änderungen, «um die Tarife flächendeckend auf ein vernünftiges Mass zurückzuführen».

Ausserdem sollen die Versicherer dafür sorgen, nur noch die Kosten zu bezahlen, die aufgrund von Mehrleistungen gerechtfertigt und preislich begründbar sind. Die Spitäler wiederum sollen Transparenz bei Kosten und Leistungen schaffen.

Stiftung für Konsumentenschutz sieht Betrug

Die Stiftung für Konsumentenschutz spricht in einer Reaktion auf den Bericht von «Fantasiekosten», die über Zusatzversicherungen abgerechnet werden – und zwar systematisch. Damit würden die Spitäler immense Einnahmen generieren und die Versicherungsprämien ungebremst in die Höhe treiben. Konkret würden privatversicherte Patienten Zusatzkosten von durchschnittlich rund 1'800 Franken verursachen. «Die Spitäler stellen aber fast 9000 Franken in Rechnung», schreibt sie in einer Mitteilung.

Sie wirft den Krankenkassen vor, nicht konsequent zu prüfen, ob die Leistungen tatsächlich erbracht wurden und die hohen Zusatzkosten gerechtfertigt sind. Zahlreiche Patientinnen und Patienten hätten diesen Missstand gegenüber dem Konsumentenschutz belegt.

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma), der Preisüberwacher, die kantonalen Gesundheitsdirektoren und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sollen daher durchgreifen und den Missstand beheben. Der Konsumentenschutz prüfe zudem, in konkreten Einzelfällen die Justiz einzuschalten, wird Konsumentenschutz-Präsidentin Prisca Birrer-Heimo zitiert. «Verschiedene Beispiele, die uns vorliegen, grenzen für uns an Betrug.»

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Emily und die Krankenkassen-Probleme
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50 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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insert_brain_here
19.10.2021 15:24registriert Oktober 2019
Die Krankenkassen interessiert diese Kostenexplosion nicht, sie reichen die ja nur weiter auf die Prämienzahler. Im Gegenteil, je mehr Geld durchfliesst desto mehr kann in absoluten Zahlen abgegriffen und an die Aktionäre verteilt werden.

Einheitskasse und das Gesundheitswesen wieder zur öffentlichen Dienstleistung erklären
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M.Ensch
19.10.2021 14:42registriert März 2020
Das Gesundheitswesen ist in einigen Bereichen schon seit Längerem zu einer Art Selbstbedienungsladen verkommen. Hier jemanden einmal zu viel zur Visite einladen, dort einmal zu viel in die Röhre usw. Kann ja schwer bewiesen werden.
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mille_plateaux
19.10.2021 16:42registriert Juni 2017
Statt hier Spitäler anzugreifen, weitere Kontrollorgane zu installieren und Pflästerchenpolitik zu betreiben, könnten wir uns mal fragen, wo diese Praxis denn ihren Ursprung hat.

Meine These: Die Privatisierung des Gesundheitssystems brach einen Interessenskonflikt ins System. Auf der einen Seite steht der neue Profitdruck, auf der anderen soll ein öffentliches Gut (Gesundheit) abgeliefert werden. Dank Fallpauschale, bürokratischen Murksereien, Lohnkonkurrenz zu Privatspitälern ... wird der Kostendruck weiter erhöht.

Darum: Einheitskasse. Spitäler vergesellschaften. Fallpauschale kicken.
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