Eigentlich hängt der republikanische Himmel derzeit voller Geigen: Bei Wahlen wie in Virginia hat die Partei wichtige Siege errungen. Gleichzeitig sind die Umfragewerte der Demokraten und von Präsident Joe Biden im Keller. Doch so richtig freuen mag sich die Rennleitung der GOP nicht. Sie quält die Frage: Was machen wir mit Trump?
Die Sorgen sind berechtigt, wie die letzte Umfrage von Gallup zeigt: 53 Prozent aller Amerikanerinnen und Amerikaner mögen Trump nicht. Gleichzeitig ist der Ex-Präsident bei den Republikanern so beliebt wie noch nie. Das wiederum hat eine Umfrage von Morning Consult und Politico ergeben. 67 Prozent wollen, dass er 2024 wieder als Präsidentschaftskandidat antritt.
Unabhängige Wählerinnen und Wähler lehnen Trump hauptsächlich deswegen ab, weil er nicht von der Big Lie lassen kann, der unsinnigen Behauptung, wonach die Wahlen manipuliert und er der eigentliche Sieger sei. Der krankhaft narzisstische Ex-Präsident ist offenbar nicht in der Lage, von diesem Thema abzurücken. Mehrere Bücher, die seit seiner Wahlniederlage erschienen sind, schildern dies in allen grusligen Details.
Trumps Besessenheit wird nicht nur zu einem Handicap für die Republikaner. Sie geht mittlerweile auch wichtigen Verbündeten der GOP auf den Keks. So hat kürzlich der mächtige Verleger Rupert Murdoch erklärt, Trump solle den Unsinn doch endlich lassen.
Chris Christie, ein Schwergewicht innerhalb der GOP in jeder Beziehung, erklärte derweil in einem Interview mit Fox News: «Ich hoffe, Trump kommt endlich darüber hinweg. Er muss seine Niederlage ja nicht eingestehen, der sollte bloss aufhören, darüber zu sprechen. In meinem Buch zeige ich auf, dass es keinerlei Hinweise auf einen Wahlbetrug gibt.»
Christie verwies einmal mehr auf das Beispiel von Glenn Youngkin, dem frisch gewählten Gouverneur von Virginia. Diesem war es gelungen, als Republikaner in einem zu den Demokraten neigenden Bundesstaat zu gewinnen, indem er sich nicht über vergangene Niederlagen beklagte, sondern eine bessere Zukunft versprach. Das sei der Weg zum Erfolg, so Christie.
Youngkin gelang das Kunststück, Trumps Basis bei der Stange und sich Trump selbst vom Leib zu halten. Dieses Kunststück zu wiederholen, dürfte indes nächstes Jahr schwierig werden. Der Ex-Präsident ist bereits intensiv damit beschäftigt, ihm missliebige Kandidaten aus dem Weg zu räumen und sie durch solche zu ersetzen, die ihm bedingungslos ergeben sind. «Die Rettung von Amerika beginnt damit, dass sie die GOP von RINOs säubern (Papier-Republikaner, Anm. d. Verf.), Verrätern und Verlierern», liess Trump in der vergangenen Woche verlauten.
Die Drohung ist ernst gemeint, wie das Beispiel von Brian Kemp zeigt. Der Gouverneur von Georgia muss sich im kommenden Jahr der Wiederwahl stellen. Obwohl er bis in die Knochen konservativ ist, will ihn Trump loshaben. Er drängt den ehemaligen Senator David Perdue, gegen Kemp in den Vorwahlen anzutreten und ihn auszubooten.
Trump hat keinerlei politische Gründe für dieses Manöver. Er wird allein von Rachsucht getrieben. Kemp hatte sich geweigert, die Wahlen von Georgia zugunsten des Ex-Präsidenten zu drehen. Das Vorgehen des Ex-Präsidenten stösst auch innerhalb der GOP sauer auf. Larry Hogan, Gouverneur von Maryland, spricht von einer «Trump Cancel Culture» und erklärt: «Das ist empörend, nicht akzeptabel und schadet der Partei.»
Tatsächlich haben die wenigen gemässigten Republikaner, die es noch gibt, allmählich die Schnauze voll. So verzichtet Chris Sununu, der Gouverneur von New Hampshire, auf eine Wahl als Senator, ebenso sein Amtskollege Phil Scott aus Vermont. Beide hätten gute Chancen, gewählt zu werden und so der GOP wieder zu einer Mehrheit im Senat zu verhelfen.
Sie verzichten nicht zuletzt deshalb, weil Trump den offenen Konflikt mit Mitch McConnell sucht. Der Ex-Präsident bezeichnet den republikanischen Minderheitsführer im Senat als «alte Krähe», beschimpft ihn als «Dummkopf» und fordert seine Ablösung.
Sehr viel Sympathien bringt Trump derweil dem äusserst rechten Flügel der GOP entgegen. Als Paul Gosar, Abgeordneter aus Arizona, vom Parlament gerügt wurde, weil er in einem Comic symbolisch seine Ratskollegin Alexandria Ocasio-Cortez erdolchte, liess Trump verlauten: «Der Abgeordnete Paul A. Gosar war immer ein loyaler Unterstützer meiner America-First-Agenda, und noch wichtiger, der USA. […] Paul A. Gosar hat meine uneingeschränkte Unterstützung.»
Ebenso bedingungslos stellt Trump sich hinter Marjorie Taylor Green. Die Abgeordnete aus Georgia wurde aus sämtlichen Komitees verbannt, weil sie obskure Verschwörungstheorien der QAnon-Bewegung vertritt. Gerade deswegen ist Trump von ihr begeistert. «Ist Marjorie Taylor Green nicht wunderbar? Ist sie nicht entzückend?», erklärt er.
Einst galten Gosar, Taylor Green & Co als durchgeknallte Spinner aus der rechtsextremen Ecke der GOP. Nun werden sie immer salonfähiger – und gefährlicher. Mit Trumps Segen hetzen sie gegen die 13 republikanischen Abgeordneten, die für das Infrastrukturprogramm gestimmt haben. Das seien alles «Verräter, die ihre Stimme Nancy Pelosi gegeben und damit einer kommunistischen Machtübernahme Amerikas die Hand geboten haben», erklärte Taylor Greene und fügte hinzu: «Sie werden die Wut der GOP-Wähler zu spüren bekommen.»
Madison Cawthorn, Abgeordneter aus North Carolina, ist ein weiterer Vertreter der rechtsextremen Gruppe. Bisher ist er aufgefallen mit Sprüchen über ein kommendes «Blutbad» und der Aufforderung, Munition zu horten, «um eine Tyrannei zu bekämpfen». Der Freispruch von Kyle Rittenhouse lässt ihn noch einen Schritt weitergehen. In einem Video an seine Fans erklärt er nun: «Ihr habt das Recht, euch zu verteidigen! Bewaffnet euch, seid gefährlich, seid moralisch!»
Die Trump-Basis mag entzückt sein von solchem Unsinn, die Wählerinnen in den Vorstädten sind es weniger. Das weiss auch das alte Schlachtross Chris Christie: «Wenn wir so weitermachen, werden wir den Demokraten ermöglichen, noch Jahrzehnte an der Macht zu bleiben», warnt er.