Die Staatschefs von China und Taiwan sind erstmals seit dem Ende des Bürgerkrieges 1949 zu einem direkten Gespräch zusammengekommen. Das historische Treffen zwischen Xi Jinping und Ma Ying Jeou am Samstag in Singapur begann mit einem langen Händedruck.
«Keine Kraft kann uns auseinander ziehen. Wir sind eine Familie», sagte Xi zu Ma. Dieser erwiderte: «Beide Seiten sollten die Werte und die Lebensweise des anderen respektieren.» «Obwohl dies das erste Treffen ist, fühlen wir uns wie alte Freunde», sagte Ma weiter. «Jetzt liegen vor uns die Früchte der Versöhnung statt der Konfrontation.»
Nach einem Gruss an die vielen Journalisten im Saal eines Luxushotels zogen sich die Staatschefs zu ihrem Gespräch zurück.
Schon vorher hatten China und Taiwan klargestellt, dass bei dem Treffen keine Vereinbarungen unterzeichnet werden sollen. Auch eine gemeinsame Erklärung im Anschluss an das Treffen, auf dem keine Nationalflaggen zu sehen waren, gab es nicht.
Doch die der chinesischen Führung nahe stehende Zeitung «Global Times» schrieb in ihrem Leitartikel von einem «historischen Fortschritt», der «neue Räume» für die beiderseitigen Beziehungen mit sich bringen könne.
Das Einverständnis zu einer Zusammenkunft ist eine radikale Kehrtwende der Führung in Peking, die ein solches Treffen bisher verweigert hatte, um die Regierung der «Republik China», wie sich Taiwan bis heute offiziell nennt, nicht zu legitimieren.
Für ihr Treffen vereinbarten beide Seiten daher ein strenges Protokoll. Statt sich mit ihren offiziellen Titeln anzusprechen, wählten beide Präsidenten schlicht die Formel «Herr Xi» und «Herr Ma».
Während einer Medienkonferenz nach der rund einstündigen Begegnung sagte Ma, er habe eine Hotline zwischen beiden Seiten vorgeschlagen, und Xi habe positiv darauf reagiert. Ma brachte nach eigenen Angaben auch die Bedrohung Taiwans durch Raketen der Volksrepublik zur Sprache. Xi überliess die Unterrichtung der Medien einem niedrigrangigen Politiker.
Das letzte derartige Treffen fand 1945 statt, als der spätere Gründer der Volksrepublik China, Mao Tse-tung von der Kommunistischen Partei Chinas, mit seinem Kontrahenten, Tschiang Kai-Schek von den Kuomintang-Nationalisten, ergebnislos über eine Versöhnung verhandelte.
Nach der Niederlage gegen die Kommunisten flohen die Kuomintang-Kämpfer auf die Insel Taiwan, wo Tschiang Ende 1949 eine eigene Regierung ausrief.
Die Volksrepublik China betrachtet das dem Festland vorgelagerte Taiwan seit 1949 als abtrünnige Provinz und strebt eine Wiedervereinigung zu ihren Bedingungen an. 1992 fanden Peking und Taipeh einen Konsens: Demzufolge akzeptieren beide Seiten, dass es nur «ein China» gibt. Eine formelle Anerkennung der gegenseitigen Legitimität gibt es aber nicht.
Allerdings verbesserten sich die seit sechs Jahrzehnten angespannten Beziehungen seit Mas Wahl zu Taiwans Präsidenten im Jahr 2008 deutlich. Mehr als 20 Handelsabkommen wurden geschlossen, schliesslich wurde das Gipfeltreffen vereinbart.
Der 2012 im Amt bestätigte Ma gehört der Kuomintang-Partei (KMT) an und verfolgt einen China-freundlichen Kurs. Bei der Präsidentschaftswahl im Januar, zu der Ma nicht erneut antritt, wird mit einer Niederlage der Kuomintang gerechnet.
Das Treffen am Samstag wurde von Protesten begleitet. Wütende Gegner einer Annäherung Taiwans an China versuchten in der Nacht zum Samstag das Parlament in Taipeh zu stürmen. Die rund hundert Demonstranten wurden von der Polizei gestoppt. Ein Dutzend von ihnen trat in einen Sitzstreik.
Auch am Flughafen Songshan in Taipeh, wo Ma vor seinem Abflug eine kurze Erklärung abgab, kam es zu Protesten. Demonstranten verbrannten Bilder der beiden Staatschefs und bezeichneten Xi als «Diktator» und Ma als «Verräter».
Taiwan verlor seinen Sitz bei den Vereinten Nationen im Jahr 1971 zugunsten der Volksrepublik China. Nur 22 Staaten erkennen Taiwan offiziell an – darunter ist kein europäisches Land, auch nicht die Schweiz. (sda/afp/dpa)