Ab April muss voraussichtlich niemand mehr in Isolation. Wer krank ist, soll aber weiterhin zu Hause bleiben. Viele werden deshalb ein Arztzeugnis brauchen. Die Arbeitgeber wollen kulant sein – sofern sie können.
Maja Briner / ch media
Zwei Jahre lang folgte auf einen positiven Corona-Test die Anordnung der Behörden: Ab in die Isolation, zuhause bleiben! Wer sich nicht daran hielt, konnte gebüsst werden. Damit ist bald Schluss. Auf Ende Monat dürfte der Bundesrat wie angekündigt die Isolationspflicht aufheben. Ab April ist dann auch in diesem Punkt die viel zitierte Eigenverantwortung gefragt. Denn eines machte Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit diese Woche klar: Wer krank ist, gehört auch ohne Isolationspflicht nicht in die Öffentlichkeit – und auch nicht an den Arbeitsplatz.
Das könnte einen neuen Engpass auslösen, wie der oberste kantonale Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger jüngst warnte. Denn wer am Arbeitsplatz fehlt, braucht ein Arztzeugnis – häufig ab dem dritten Krankheitstag. Angesichts von zehntausenden Ansteckungen pro Tag dürften das viele sein.

Wer Symptome hat, soll zuhause bleiben – auch nach Aufhebung der Isolationspflicht.Bild: shutterstock.com
Hausärzteverband hofft auf Augenmass
Die Hausärzte wünschen sich Kulanz von den Arbeitgebern. Marc Jungi, Vorstandsmitglied von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz, sagt: «Wir hoffen, dass die Arbeitgebenden ihre Regeln mit Augenmass umsetzen. Das wäre für uns wichtig.» Es sei nicht sinnvoll, wenn Infizierte, die keine medizinische Konsultation benötigen, in eine Arztpraxis gehen müssten, weil sie ein Attest brauchen, sagt der Hausarzt. Anders sei die Situation, falls die Krankheit länger andauere. Wenn die Symptome über fünf Tage anhalten oder sich verschlechtern, dann sollte man sowieso zum Arzt oder zur Ärztin gehen, rät er.
Die Arbeitgeber wollen grosszügig sein – sofern sie das können. Das geht aus einer Kurzumfrage hervor, die der Schweizerische Arbeitgeberverband unter seinen Mitgliedern durchgeführt hat. Diese habe ergeben, dass viele Unternehmen bereits in den vergangenen Monaten bei der Einforderung von Arztzeugnissen infolge einer Corona-Erkrankung Kulanz walten liessen. Man sei darauf bedacht gewesen, «das Zeugnis nur einzufordern, wenn es wirklich nötig war», so Fredy Greuter vom Arbeitgeberverband.
«Die Arbeitgeber sind bestrebt, auch künftig nach unbürokratischen Lösungen zu suchen», sagt er. So könnte beispielsweise das Vorzeigen eines positiven Testresultats in der anstehenden Übergangsphase als Alternative zum Arztzeugnis fungieren. Den Unternehmen sind indes zum Teil die Hände gebunden: «Dort, wo vertraglich das Einholen eines Arztzeugnisses mit der Krankentaggeldversicherung vereinbart wurde, wird man diese bindenden Regeln aber beachten oder kurzfristig neue Vereinbarungen treffen müssen.» Das Arztzeugnis sei bei den Versicherungen in vielen Fällen Grundlage für die Zahlung von Krankentaggeld-Leistungen.
Krank zur Arbeit – aus Angst vor Lohneinbussen?
Das könnte Angestellte in eine unangenehme Lage bringen. Christian Capacoel von der Gewerkschaft Unia sagt: «Wichtig ist, dass erkrankte Angestellte keine Angst vor Lohnausfällen haben müssen.» Könnten die Arztzeugnisse nicht in nützlicher Zeit ausgestellt werden, könnte genau dies der Fall sein, warnt er.
Es gelte deshalb, die nötigen Kapazitäten zum Beispiel bei den Testzentren zu schaffen und eine einfache und rasche Ausstellung der Zeugnisse zu ermöglichen. «Sollte es trotzdem Engpässe geben, sollten die Arbeitgebenden dafür sorgen, dass die Mitarbeitenden keine Lohneinbussen fürchten müssen», fordert er. Sonst bestehe die Gefahr, dass Angestellte trotz Erkrankung zur Arbeit kämen.
Die Gewerkschaft VPOD sorgt sich derweil um die Hausärzte. Elvira Wiegers warnt, die Aufhebung der Isolationspflicht dürfe nicht dazu führen, dass die Hausärzte und Hausärztinnen unter Druck gerieten. «Es kann nicht sein, jetzt auch noch den ambulanten Bereich an den Anschlag zu bringen.» Die Belastung für das Gesundheitspersonal sei nicht erst seit Ausbruch der Pandemie sehr gross. Derzeit sei die Personalsituation in den Spitälern teilweise sehr angespannt. Die Arbeitsbedingungen müssten jetzt nachhaltig verbessert werden, fordert Wiegers, die beim VPOD für den Gesundheitsbereich zuständig ist.
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Die Arbeitslast bei den Hausärzten ist laut Jungi derzeit gross. «Die Belastung der Hausärzte und Hausärztinnen ist generell hoch, wegen Corona ist sie nochmals gestiegen.» Die medizinischen Konsultationen hätten zwar nicht zugenommen, da es weniger andere Infekte gab. Zusätzlichen Aufwand generierte aber das Impfen und aktuell das Testen. Zudem mussten die Praxen Vorkehrungen treffen, damit Patienten zum Beispiel im Wartebereich sich nicht gegenseitig anstecken. «Das ist etwas, was wir auch nach Corona mitnehmen werden, denn das bleibt sinnvoll», sagt Jungi.
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