Schweiz
Wirtschaft

Der Eigenheim-Traum platzt nicht nur in der Schweiz immer häufiger

Der Eigenheim-Traum platzt nicht nur in der Schweiz immer öfter – mit immensen Folgen

Die Immobilienpreise steigen stark – die Folgen reichen überraschend weit.
11.12.2025, 06:0211.12.2025, 09:58
Niklaus Vontobel / ch media

In der Schweiz steigen die Häuserpreise höher und höher, die Löhne halten nicht mehr mit. Bei den Mieten ist es etwas besser, aber nicht viel. 2022 warnte die Bank Raiffeisen vor «Wohnungsnot». Heute lebt die Schweiz längst mit einem Mangel an Wohnraum. Jungen Familien entschwindet der Traum vom eigenen Heim jedes Jahr ein Stück mehr.

Eigenheim, Immobilie, Immobilien, Einfamilienhäuser, Einfamilienhaus
Der Traum vom eigenen Häuschen bleibt für immer mehr Schweizerinnen und Schweizer ein solcher.Bild: Shutterstock

Es würde helfen, wenn die Schweiz mehr Häuser erstellt. Sie will jedoch nicht nur mehr, sondern dichter bauen – in Städten, nicht auf grünen Wiesen. Dafür hat sie sich im Jahr 2014 ein Gesetz gegeben. Aber sie kriegt es nicht hin. Sie baut heute zu wenig und wird es morgen noch immer tun. Raiffeisen rechnet nun für die nächsten fünf Jahre weiter mit einer «Wohnungsmisere» und mit nochmals um 20 Prozent steigenden Preisen für Wohneigentum. 20 Prozent in fünf Jahren.

Es ist keineswegs nur ein Schweizer Phänomen, sondern ein international weit verbreitetes. Immer ist es die mehr oder weniger gleiche Geschichte, nur ist sie nicht überall gleich schlimm. Kürzlich veranstaltete der Länderverein OECD einen Anlass zum Thema «Auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum.» Nicht zur Schweiz, sondern zu Österreich, zu Deutschland und zu den Niederlanden.

Die drei Länder haben zwar sehr unterschiedliche Wohnungsmärkte. Doch in allen drei Ländern wachse das Wohnungsangebot zu langsam, sprich: Es wird vor allem in den Städten zu wenig gebaut. In allen drei Ländern würden die Wohnkosten stark steigen.

Die gleiche Geschichte wiederholt sich in den USA. In Grossbritannien. In Kanada. In Schweden. Die Häuserpreise steigen viel schneller als die Einkommen. Mal wird es «Häuser-Krise» genannt, mal «Krise der Bezahlbarkeit», nur eine «Herausforderung» oder gleich eine «Immobilien-Falle». Und Studien aus aller Welt zeigen: Die Folgen dieses unerschwinglich gewordenen Eigenheim-Traums reichen sehr weit.

Weniger Arbeit, mehr Konsum

«Die Immobilienkrise treibt die Generation Z in die Kryptowährungen und den wirtschaftlichen Nihilismus», titelte die «Financial Times». Da ihnen der Traum vom Eigenheim verwehrt bleibe, würden junge Erwachsene zu riskanten Finanzstrategien greifen.

Die «Financial Times» thematisierte eine Studie mit dem Titel: «Aufgeben: Die Folgen sinkender Erschwinglichkeit von Wohneigentum.» Zwei Ökonomen von US-Universitäten zeichnen für die USA das hinlänglich bekannte Bild: Die Häuserpreise seien viel stärker als die Löhne gestiegen. Heute koste ein typisches Eigenheim deshalb fast 6 Mal so viel wie ein mittlerer Jahreslohn. Vor 40 Jahren war es noch deutlich weniger, nämlich bloss 3,6 Mal so viel.

Viele Familien geben deshalb den Eigenheim-Traum auf. In einer amerikanischen Umfrage sagen 42 Prozent aller Befragten und 46 Prozent der Befragten aus der Generation Z: Wie hart sie auch arbeiten würden, sie können sich niemals das Eigenheim ihrer Träume leisten.

Was passiert, wenn Mieter ihren Eigenheim-Traum aufgeben? Wie ändert sich ihre Lebensweise? Die Antwort darauf haben die Autoren aus zig Datenquellen herausgefiltert, wie Banken, Kreditkarten, Konsumenten-Befragungen. Es zeigt sich dann: Die Mieter leben nicht einfach weiter wie zuvor. «Sie verändern oft ihre Lebensweise, ihre Arbeitsweise, ihre Zukunftsplanung.» Zum Schlechteren.

Sie arbeiten weniger. Sparen weniger. Konsumieren mehr. Investieren sie ihr Geld, gehen sie grössere Risiken ein, etwa mit Kryptowährungen. Wie es im Titel der Studie heisst: Solche Menschen geben auf. Sie verfolgen kein grosses Lebensziel mehr.

Dieses Aufgeben ist jedoch kostspielig. Später im Leben haben solche Mieter deutlich weniger Vermögen, als wenn sie wie zuvor weitergelebt hätten: weiter ein grosses Lebensziel verfolgt und wie zuvor weitergearbeitet hätten. Sie hätten im Alter eine deutlich höhere Rente, wenn sie als Mieter weitergespart und weiter investiert hätten, als wäre ihr Traum vom Eigenheim noch am Leben.

Viel mehr Kinder dank Eigenheimen

Es geht noch weiter. Eine der wichtigsten Entscheide im Leben ist sicherlich, Kinder zu bekommen oder nicht. Eine Studie der Zentralbank von Brasilien zeigt jetzt: selbst auf diesen Entscheid haben die Preise von Eigenheimen grossen Einfluss.

In der Studie werden die in Brasilien weit verbreiteten Hypotheken-Lotterien analysiert. Familien legen dabei Geld zusammen und verlosen dann unter sich Hypotheken. Die Gewinner können sich ein eigenes Haus bauen. Eine Lotterie des Eigenheim-Traums.

Die Ökonomen untersuchten die Folgen dieser Lotterie: Bekamen Losglück-Familien häufiger Kinder als Familien, deren Eigenheim-Traum nicht in Erfüllung ging? Tatsächlich. Familien mit Eigenheim bekamen häufiger Kinder. Und mehr Kinder. Besonders deutlich zu sehen war dieser Effekt bei jungen Erwachsenen zwischen 20 und 25 Jahren. Gewannen sie in der Lotterie, war das Kinderkriegen um 32 Prozent häufiger, die Anzahl der Kinder sogar um 33 Prozent höher.

Das Fazit der Ökonomen lautete daher: «Haben junge Familien einen Zugang zu Eigenheimen, steigert dies die Geburtenrate deutlich.» Umgekehrt senke das Fehlen eines Eigenheims die Geburtenrate ebenso deutlich. Selbst auf die Geburtenrate hat er also Einfluss, der Traum vom Eigenheim.

Eine Studie der Universität Toronto kommt für die USA zu einem ähnlichen Schluss. «Steigende Wohnkosten sind eine Hauptursache für den Rückgang der Geburtenrate.» Wobei es nicht allein um die Bezahlbarkeit von Eigenheimen geht, sondern von Wohnraum im Allgemeinen, ob nun zum Kauf oder zur Miete.

Der Autor kommentiert die eigene Resultate so:

«Wenn wir die Wohnkosten senken können, hilft uns das, die demografischen Probleme zu vermeiden, die einhergehen mit einer alternden Bevölkerung und sinkenden Geburtenraten.»

(aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Wohnen wie Fred Flintstone auf Tattooine? Oh ja. So was von.
1 / 26
Wohnen wie Fred Flintstone auf Tattooine? Oh ja. So was von.
Willkommen im High Desert in Südkalifornien! Genauer: in Joshua Tree, ehemals ein verstaubtes Wüstenstädtchen, wo sich Rednecks und Hippies gute Nacht sagten, ...
quelle: coldwell banker / zillow / coldwell banker / zillow
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Zwischen der Autobahn wohnen - Dieser Mann weigerte sich wegzuziehen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
85 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Snowy
11.12.2025 06:46registriert April 2016
Die kurze Antwort darauf:

Weil immer mehr Menschen auf dieser Welt das knappe Gut „Boden“ als Investment nutzen.

Nirgendwo sonst ist auf lange Frist eine risikofreiere Anlage möglich.

Und so lange der Staat dieses Treiben - vor allem auch durch ausländische Akteure - nicht unterbindet, wird sich die Situation auch nicht verbessern.

Wohnraum sollte in erster Linie der hiesigen Bevölkerung zum wohnen und dem Gewerbe zum arbeiten dienen.
Offensichtlich müssen wir gewisse Lobbyisten äh… Parlamentarier im Bundeshaus daran erinnern.
27531
Melden
Zum Kommentar
avatar
lumpensammlerin
11.12.2025 06:30registriert Mai 2019
Ein Haus koste heute durchschnittlich 6mal so viel wie ein Jahreslohn.

Bei uns, Grossregion Zürich, auf dem Land, aus meiner Sicht günstiges Haus. Der Preis war eher so 7mal unser gemeinsamer Jahreslohn. Oder eben 14mal mein Jahreslohn. Und wir verdienen beide mehr als der Medianlohn...
19211
Melden
Zum Kommentar
avatar
Eidi
11.12.2025 06:53registriert Oktober 2018
Meine 6 Jährige hat letztens aufgezählt was sie alles kaufen möchte wenn wir beim Millionenlos gewinnen. Musste ihr dann erklären, dass es nichtmal fürs Haus reichen würde.
17614
Melden
Zum Kommentar
85
Rückwirkend tiefere Zölle und Chlorhuhn-Verbot: Alles zum Zolldeal mit den USA
Im Hin und Her zwischen der Schweiz und den USA bezüglich der Strafzölle hat sich nun scheinbar das Blatt zugunsten der Schweiz gewendet. Ein Überblick über die neusten Entwicklungen.
Die pauschalen Zölle der USA auf Schweizer Waren sinken von 39 auf 15 Prozent, und zwar rückwirkend ab dem 14. November. Grundlage dafür ist die an jenem Tag unterzeichnete Absichtserklärung der Schweiz, der USA und Liechtensteins.
Zur Story