Merkel redet Polens Regierung ins Gewissen

Merkel redet Polens Regierung ins Gewissen

07.02.2017, 17:28

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei ihrem Besuch in Polen auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien gepocht und an den Weg des Landes zur Demokratie erinnert. Polens Regierungschefin Beata Szydlo ihrerseits forderte Veränderungen in der EU.

Als junger Mensch habe sie immer mit grosser Aufmerksamkeit auf die Vorgänge in Polen geschaut, sagte Merkel am Dienstag nach einem Treffen mit Polens Ministerpräsidentin Szydlo in Warschau. Solidarnosc habe auch ihr Leben geprägt.

Ohne die aus einer Streikbewegung entstandene Gewerkschaft Solidarnosc wäre vielleicht weder die europäische Einigung und das Ende des Kalten Krieges so schnell gekommen noch die deutsche Einheit, sagte Merkel.

Diese Zeit habe gezeigt, «wie wichtig plurale Gesellschaften sind, wie wichtig eine unabhängige Justiz und Medien sind, denn das hat alles damals gefehlt», erklärte Merkel.

Verändern und bewahren

Polens Regierung steht in der EU in der Kritik, weil sie eine Reihe neuer Gesetze beschlossen hat, mit denen sie nach Einschätzung von Kritikern das Verfassungsgericht und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter ihre Kontrolle bringen will. Merkel betonte, sie sei froh, dass Polen die Fragen der EU-Kommission zur Rechtsstaatlichkeit beantworten werde.

Gastgeberin Szydlo forderte, es müsse «Veränderungen in der EU» geben. «Brexit ist ein Faktum», sagte die polnische Regierungschefin mit Blick auf die britische Entscheidung zum EU-Austritt. Die EU müsse sich entwickeln, «aber bei voller Bewahrung der autonomen Rechte der Mitglieder».

Einigkeit zeigten Merkel und Szydlo hinsichtlich des weiteren Umgangs mit Russland im Ukrainekonflikt. Solange es keine Fortschritte gebe, müssten die Sanktionen gegen Moskau aufrecht erhalten werden. Die Sanktionen könnten nur gelockert werden, wenn es Fortschritte bei der Umsetzung des Minsker Friedensabkommens gebe, sagte Merkel.

Umstrittene Gasleitung

Polens Regierungschefin Szydlo kritisierte ihrerseits die Pläne für die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 scharf. Es sei nicht akzeptabel, dass die Investitionen in das Projekt fortgesetzt würden, sagte Szydlo.

Bei dem Energieprojekt Nord Stream 2 ist Gazprom - Russlands mächtiger Gas-Monopolist - formal einziger Anteilseigner. Anfang 2018 soll mit dem Bau einer 1200 Kilometer langen Erdgasleitung in der Ostsee begonnen werden, durch die jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas nach Deutschland transportiert werden sollen.

Polen, die baltischen Staaten und die Ukraine fühlen sich umgangen - Skeptiker befürchten eine insgesamt steigende Abhängigkeit vom Energielieferanten Russland, für den in anderen Wirtschaftsbranchen weiterhin EU-Sanktionen greifen.

Die Abhängigkeit von Moskau sei eine Gefahr, warnen Polen und Balten. Wenn mehr russisches Gas über die Ostsee nach Europa gelange, könnte die Ukraine ihre Position als Transitland verlieren. Damit verlöre sie auch Einnahmen und ein Druckmittel gegen Moskau. (sda/afp/dpa)

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