Das Verschwinden von fünf Buchhändlern aus Hongkong gab lange Zeit Rätsel auf. Einer der Verschleppten hat nun nach seiner Rückkehr schwere Vorwürfe gegen Chinas Behörden erhoben.
Er sei im vergangenen Oktober nach einer Überquerung der Grenze in der chinesischen Hafenstadt Shenzhen von Beamten festgenommen worden, sagte Lam Wing-Kee an einer Medienkonferenz in Hongkong. Anschliessend sei er mit verbundenen Augen in einem Zug in die Stadt Ningbo in der Nähe von Shanghai gebracht worden.
Dort hätten ihn Beamte fünf Monate festgehalten und nach der Identität von Autoren ausgefragt, die Bücher in dem Verlag veröffentlicht hatten, für den Lam arbeitete.
Der Verlag hatte Bücher vertrieben, die für ihre Gerüchte über Chinas politische Führer bekannt waren und auf dem chinesischen Festland verboten sind. Zuletzt soll an einem Buch über das Liebesleben des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping gearbeitet worden sein.
Neben Lam waren im vergangenen Jahr innerhalb kurzer Zeit auch vier seiner Kollegen verschwunden, was den Verdacht geweckt hatte, dass sie von Agenten entführt und in China unter Druck gesetzt worden sind. Alle Buchhändler mussten später öffentlich zugeben, in einem «illegalen Buchhändlerring» beteiligt gewesen zu sein.
Sorge um Meinungsfreiheit
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilte am Freitag das Vorgehen der chinesischen Behörden scharf. Lam habe ihre Lügengeschichten in sich zusammenfallen lassen. «Er hat offenbart, das viele schon von vornherein vermutet hatten: Es war eine durchgeplante Operation der chinesischen Behörden gegen die Buchhändler», teilte die Organisation mit.
Die Affäre hat unter den sieben Millionen Hongkongern grosse Sorgen über die Bürgerrechte und Meinungsfreiheit in der vormaligen britischen Kronkolonie ausgelöst.
Seit der Rückgabe 1997 an China wird Hongkong nach dem Grundsatz «ein Land, zwei Systeme» in eigenen Grenzen eigenständig regiert. Chinesische Staatsorgane dürfen in der Hafenmetropole nicht tätig werden.
Rückkehr unter Auflagen
Drei der Buchhändler, die bereits vor Lam nach Hongkong zurückgekehrt waren, hatten die Polizei gebeten, die Ermittlungen wegen ihres Verschwindens einzustellen.
Auch Lam gab an, dass er aufgefordert worden sei, in Hongkong Entwarnung zu geben. Zurückkehren durfte er demnach nur unter der Voraussetzung, dass er eine Festplatte mit Kundendaten seines Verlages aushändigt.
Statt dies zu tun, ging der Buchhändler nun an die Öffentlichkeit: «Es hat mich viel Mut und zwei schlaflose Nächte gekostet. Aber ich habe beschlossen, mit Ihnen die ganze Geschichte zu teilen.» (sda/dpa)