Roman Signer zieht ein künstlerisches Donnerwetter an Zeitskulpturen hinter sich her: Wasserspeiende Gummistiefel und explodierende Chefsessel gehören genauso zum Schaffen des St. Galler Aktionskünstler wie schwebende Kajaks und rieselnder Sand. Am 19. Mai wird er 80.
Bei Roman Signer muss es nicht nur ordentlich knallen, sondern es braucht auch immer Humor. In seiner Kunst schiesst und zischt es gerne, was ihm bei manch einem den Ruf des Spektakelkünstlers einbrachte. Signer verkraftet das mit einem verschmitzten Schalk, der auch seinem Werk innewohnt.
Roman Signer ist ein Künstler von Weltrang. Seine Aktionen sind Legende, seine internationalen Ausstellungen füllen inzwischen Bände. Auch die anfänglichen Anfeindungen und Verschmähungen konnten ihm nichts anhaben.
1987 erhitzte er mit seinem roten «Wasserturm» im St. Galler Grabenpärkli die Gemüter. Eine Petition mit 4000 Unterschriften verlangte die Entfernung des Brunnens, der aber immer noch munter sein Wasser am alten Standort versprüht.
Zehn Jahre später verschmähte die Universität St. Gallen (HSG) das Werk Signers und stellte stattdessen eine Eisenfigur von Bernhard Luginbühl auf das Unigelände. Inzwischen hat die HSG mehrere Videoarbeiten von Signer in ihrer Kunstsammlung und 2011 sprengte der Künstler im Rahmen einer Vorlesungsreihe eine Skulptur vor dem Hauptgebäude.
Mehr als Schall und Rauch
Roman Signer wuchs in Appenzell auf. Nach einer Bauzeichnerlehre absolvierte er in Zürich und Luzern den Vorkurs und die Bildhauerklasse, bevor er sich Anfang der 1970-er Jahre in Warschau weiterbildete. Dort lernte er seine Frau, die Künstlerin Aleksandra Rogowiec, kennen. Seit 1971 lebt Signer in St. Gallen.
Als freischaffender Künstler erlangte er mit seiner Aktionskunst am Bau und im öffentlichen Raum hohe nationale und internationale Anerkennung. Seit er 1987 zum Abschluss der Documenta 8 in Kassel 300'000 Blatt weisses Papier in die Luft katapultierte, verfolgt ihn der Ruf eines Sprengmeisters.
Dieser Ruf wird Signers Schaffen nicht gerecht. Was ihn interessiert, ist nicht der Knall, sondern die Transformation, welche die Explosion auslöst. Er wolle die Sprengungen orchestrieren, sagt Signer.
1989 hat sich der Künstler mit seiner «Aktion mit einer Zündschnur» von seinem Geburtsort verabschiedet und sich in 35 Tagen unendlich langsam entlang brennender Schnüre ins 20 Kilometer entfernte St. Gallen abgesetzt.
Nicht ohne die Natur
Nichts geht bei Signer ohne die Natur und deren Kräfte. Er forscht, experimentiert mit Fantasie und anarchistischer Lust. Viele Arbeiten Signers verharren nicht nur in ihrem Potenzial. Sie werden zu Ereignissen umgesetzt. Dann übernimmt die Natur den aktiven Part. «Sie vollendet mein Werk», sagt Roman Signer. Und immer steht der Zufall dabei Pate.
Signer habe die Skulptur revolutioniert und einen singulären Skulpturbegriff geschaffen, für den sein Werk heute steht: das Sichtbarmachen von Prozessen und die Entmaterialisierung der Form, schreibt Museumsdirektor Roland Wäspe, der die kommende Ausstellung im Kunstmuseum St. Gallen kuratiert.
Spuren hinterlassen
Eine umfangreiche Schenkung der Sammlerin Ursula Hauser - eine der frühen Förderinnen von Roman Signer - ist der Anlass für die Erstpräsentation einer Werkreihe von Zeichnungen sowie der Installation, die 1999 für die Biennale di Venezia entstand.
Die Einzelausstellung dauert vom 26. Mai bis 12. August. Trotz seiner Weltläufigkeit habe er die Verbindung zur Ostschweiz nie gekappt, und er habe Spuren hinterlassen, auch hier, so der Museumsdirektor.
Diese Spuren sind das Thema der Ausstellung, nutzte Roman Signer doch in der Zeit der Schliessung des Kunstmuseums zwischen 1970 und 1987 das prominente Gebäude von Christoph Kunkler im St. Galler Stadtpark als Atelier. Es entstanden phantastische Super-8-Filme und Fotoserien.
Verfasserin: Nathalie Grand, sda (sda)