Die grossen Flüchtlingsorganisationen und Hilfswerke machen sich stark für ein Ja zur Asylgesetzrevision in der Abstimmung vom 5. Juni. Aus ihrer Sicht ist die Reform ein klarer Fortschritt. Zu einem anderen Schluss kommen kleinere Organisationen in der Westschweiz.
Für die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) gibt es keinen Zweifel: Die Beschleunigung der Asylverfahren bringt Vorteile für alle. «Wer bleiben darf, kann sich rascher integrieren», sagte SFH-Generalsekretärin Miriam Behrens am Dienstag vor den Medien in Bern. «Wer zurück geschickt wird, erfährt es schneller und versteht die Gründe.»
Marianne Hochuli von Caritas stellte fest, eine rasche Integration zahle sich in jeder Hinsicht aus, finanziell und sozial. Heute gelte das «Dogma der Nicht-Integration» während der langen Asylverfahren. Das räche sich später.
Ebenso klar ist für die Hilfswerke aber, dass es angesichts der kurzen Beschwerdefristen den unentgeltlichen Rechtsschutz braucht. Nur so könne garantiert werden, dass die Verfahren einwandfrei seien, sagte Andreas Kressler, Direktor des Hilfswerks HEKS. Das wiederum trage ebenfalls zur Beschleunigung bei.
Verbesserungen für Kinder
Die Organisationen wiesen auch auf ihre praktische Erfahrung mit Flüchtlingen hin. Diese bewege das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH) dazu, das neue Asylgesetz zu unterstützen, sagte SAH-Präsident und SP-Nationalrat Jean-Christoph Schwaab.
Er hob die Verbesserungen hervor, die das neue System für Kinder und andere besonders verletzliche Personen bringt: Unbegleitete Minderjährige können künftig sofort eingeschult werden, traumatisierte Menschen frühzeitig betreut.
Von Amnesty bis Operation Libero
Auch Amnesty International Schweiz, der Verband Schweizerischer Jüdischer Fürsorgen (VSJF) und die Heilsarmee stehen hinter der Reform. Zu ihnen gesellte sich die Operation Libero, die im Abstimmungskampf zur Durchsetzungsinitiative von sich reden machte.
Ihre Vertreter wählten auch diesmal deutliche Worte. Der SVP warfen sie vor, Problembewirtschaftung zu betreiben. Jahrelang habe die Partei die Beschleunigung der Asylverfahren verlangt. Nun setze sie mit dem Referendum auf Fundamentalopposition - und offenbare damit, dass es ihr nicht um Verbesserungen gehe, sagte János Ammann.
Widerstand in der Westschweiz
Gegen die Asylgesetzrevision stellen sich neben der SVP allerdings auch kleinere Organisationen der äusseren Linken in der Westschweiz. Sie präsentierten ihre Argumente gleichentags in Lausanne. Über 350 Persönlichkeiten unterzeichneten einen Appell für die Verteidigung von Grundwerten. Das Recht auf Asyl sterbe derzeit im Mittelmeer, sagte Yves Brutsch, Präsident des Komitees «Schutz des Asylrechts».
An der geplanten Reform stört das Komitee unter anderem, wie die Rechtsvertretung konzipiert ist. Künftig bestimme das Gesetz, wann das Mandat zu Ende sei, das sei skandalös. Der ehemalige Präsident der Schweizer Grünen, Ueli Leuenberger, stellte fest, es sei falsch zu denken, dass die Revision der SVP «den Wind aus den Segeln» nehme. Die SVP werde nie aufhören, die Bedingungen für Asyl zu verschärfen.
Testergebnisse ignoriert
Die Flüchtlingsorganisationen und Hilfswerke in Bern sagten dazu, sie respektierten die Meinung der Kritiker. Jene Organisationen, die in engem Kontakt zu Flüchtlingen stünden, seien sich aber einig, dass die Vorteile überwögen, sagte Miriam Behrens.
Manon Schick, der Geschäftsleiterin von Amnesty International Schweiz, warf den Kritikern vor, sie hätten die Ergebnisse des Testzentrums nicht zur Kenntnis genommen. Die Beschwerdefristen seien zwar kurz, doch im Testzentrum habe sich gezeigt, dass man damit arbeiten könne. Die unentgeltliche Rechtsvertretung sei ein grosses Plus. Ein besseres Gesetz werde es so schnell nicht geben.
Auch die dringlichen Massnahmen sprechen aus Sicht der Befürworter nicht für ein Nein. Dabei geht es unter anderem um die Abschaffung des Botschaftsasyls. Das Volk hat dazu bereits ja gesagt. Mit der aktuellen Gesetzesrevision sollen die Massnahmen ins ordentliche Recht überführt werden. Bei einem Nein würden sie zwar theoretisch 2019 auslaufen, doch hätte das Parlament genügend Zeit, das zu verhindern, gab Schick zu bedenken. Das Botschaftsasyl werde bei einem Nein am 5. Juni nicht wieder eingeführt. (sda)