CDU und CSU ringen um Ausweg aus Asylstreit
CDU und CSU suchen nach einem Ausweg aus ihrem Streit über die deutsche Asylpolitik. Nach der Rücktrittsankündigung von CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer steht auch die Zusammenarbeit der Union im Bundestag und damit die grosse Koalition auf dem Spiel.
Der Berliner Politikzirkus hatte sich auch am Montag den ganzen Tag weiter munter gedreht: Bundeskanzlerin Angela Merkel traf sich nach Informationen der Nachrichtenagentur DPA am Nachmittag mit Seehofer im Büro von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). Anschliessend war ein Krisengespräch der Spitzen von CDU und CSU angesetzt.
Vor dem Krisentreffen der Union gab sich Seehofer kampfeslustig: «Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist», sagt er der «Süddeutschen Zeitung». Er sei in einer Situation, die für ihn unvorstellbar sei. «Die Person, der ich in den Sattel verholfen habe, wirft mich raus.»
Später gegen 22 Uhr stand dann noch ein Gipfeltreffen der drei Koalitionspartner CDU, CSU und SPD auf dem Programm. Das Treffen hatten die Sozialdemokraten gefordert. Die SPD-Fraktion im Bundestag will sich dann am Dienstagmorgen voraussichtlich um 08.30 Uhr für eine Sondersitzung treffen.
CSU befürchtet Wahlverluste
Die CDU und ihre bayerische Schwesterpartei CSU streiten darüber, ob bereits anderswo registrierte Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden sollen - Seehofer besteht darauf, Merkel will hingegen keinen deutschen Alleingang.
Beim letzten EU-Gipfel hatte sie eine Verschärfung der Asylpolitik und die Aussicht auf bilaterale Abkommen ausgehandelt, aber der CSU reicht das noch immer nicht. Seehofer hat seinen Rücktritt angekündigt, falls die CDU nicht einlenkt. Der Grund für seine harte Haltung dürften die bayrischen Landtagswahlen im Oktober sein, bei dem der CSU grosse Verluste drohen.
Sollte nun die seit fast 70 Jahren bestehende Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Bundestag an dem Streit zerbrechen, könnte dies auch das Ende der aktuellen deutschen Regierung bedeuten.
Beide Seiten betonten daher den Wunsch nach einer Lösung - wie diese aussehen könnte, war aber auch am Montag unklar. «Ich denke, wir sind näher beieinander als auseinander», sagte Agrarministerin und CDU-Vize Julia Klöckner.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der noch vor kurzem von einem «Endspiel um die Glaubwürdigkeit» gesprochen hatte, warnte jetzt vor einem Bruch. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt rief zum Zusammenhalt auf. Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte, er gehe davon aus, dass die CSU auch bei einem Rücktritt Seehofers in der Regierung bleibe.
SPD will nicht einfach Ja sagen
SPD-Chefin Andrea Nahles wies darauf hin, dass die SPD einen Kompromiss von CDU und CSU im Asylstreit nicht automatisch mittragen werde. «Die Union führt ein rücksichtsloses Drama auf», sagte sie. Gerade die CSU sei auf einem beispiellosen Ego-Trip. Noch stehe die SPD aber zu der grossen Koalition. Auch die CDU hatte am späten Sonntagabend in einem Beschluss die Unterstützung für den Kurs ihrer Parteivorsitzenden Merkel betont.
Nach Angaben aus CSU-Kreisen hatte Seehofer am Samstag ein Kompromissangebot gemacht, dass Merkel aber abgelehnt hatte. Demnach schlug er unter anderem vor, nicht alle Flüchtlinge zurückzuweisen, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind, sondern nur solche, bei denen das Asylverfahren bereits läuft.
Die Grünen zeigen sich für den Fall eines Bruchs der Union gesprächsbereit, aber skeptisch mit Blick auf eine Regierungsbeteiligung. «Wir sind für alle Fälle gewappnet», sagte Parteichef Robert Habeck.
FDP-Chef Christian Lindner forderte einen Migrationsgipfel von Bund, Ländern und Gemeinden. Der stellvertretende FDP-Parteivorsitzende Wolfgang Kubicki hatte gar gegenüber dem rbb-Inforadio Neuwahlen ins Spiel gebracht.
Alice Weidel, Fraktionschefin der rechtspopulistischen AfD, nannte die Koalition zerstritten: «Söder treibt Seehofer, Seehofer treibt Merkel, alle zeigen mit dem Finger aufeinander», sagte sie.
Linken-Chef Bernd Riexinger kritisierte, die CSU mache sich mit der AfD gemein und sorge dadurch für einen «ungeheuerlichen Rechtsruck» in Deutschland. (sda/dpa/reu)
