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Trumps FCC hat die Netzneutralität beerdigt und das freie Internet gekillt

Technisch ist es heute kein Problem, dass Internetprovider Daten beim Transport blockieren oder verlangsamen. Netflix, Spotify, Skype oder Pornhub müssten sich freikaufen, um ihre Nutzer nicht mit lan ...
Technisch ist es heute kein Problem, dass Internetprovider Daten beim Transport blockieren oder verlangsamen. Netflix, Spotify, Skype oder Pornhub müssten sich freikaufen, um ihre Nutzer nicht mit langsamen Apps oder Webseiten zu vergraulen. bild: via radiobruxelleslibera
Analyse

Trump beerdigt Netzneutralität – wem das nutzt und wem das schadet

Was ist passiert? Im offenen Internet fliessen alle Daten gleichberechtigt und gleich schnell durch die Netze. Die Trump-Regierung hat diesen Grundsatz nun umgestossen – und durch ein Zwei-Klassen-Internet ersetzt. Das sind gute Nachrichten für Provider, aber schlechte für alle Internet-Nutzer.
14.12.2017, 22:1515.12.2017, 14:13
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Die amerikanische Telekommunikations-Aufsicht FCC hat die strikten Regeln zur Gleichbehandlung von Daten im Internet abgeschafft. Drei Mitglieder der fünfköpfigen Kommission stimmten am Donnerstag in Washington einem Vorschlag zu, der die Aufhebung der bisherigen konsequenten Umsetzung der sogenannten Netzneutralität vorsieht.

Die Entscheidung ist höchst umstritten. Der Grundsatz der Netzneutralität besagt, dass alle Daten gleich behandelt werden müssen. Netzneutralität bedeutet konkret, dass Videos, Musik und Webseiten von Giganten wie YouTube, Facebook und WhatsApp oder kleineren Anbietern wie watson, Wilmaa oder Threema von den Internetprovidern gleich schnell über ihre Datennetze transportiert und nicht blockiert werden.

Bislang war es Internetprovidern in den USA wie AT&T, Verizon oder Comcast untersagt, bestimmten Datenverkehr zu blockieren oder zu verlangsamen, um anderen Inhalten Vorrang im Netz zu geben. Die strikten Regeln waren von der Regierung unter Barack Obama eingeführt worden.

Nach dem neuen Prinzip können Webdienste nun für eine bevorzugte Behandlung bezahlen. Die Netzbetreiber müssen offenlegen, ob sie bestimmten Anbietern höhere Geschwindigkeiten einräumen.

Das Zwei-Klassen-Internet in einer Grafik erklärt

Kritiker befürchten, dass sich mächtige Konzerne wie Google und Facebook künftig bei Internetprovidern eine Überholspur im Internet kaufen – während kleine Firmen auf die Schleichspur abgedrängt werde ...
Kritiker befürchten, dass sich mächtige Konzerne wie Google und Facebook künftig bei Internetprovidern eine Überholspur im Internet kaufen – während kleine Firmen auf die Schleichspur abgedrängt werden.

Online-Dienste wie Google, Facebook, Amazon und Netflix fürchten, dass sie von den Internetprovidern nun stärker zur Kasse gebeten werden könnten. Kritiker warnen auch, dass es gerade für grosse Internet-Firmen leichter sein wird, sich eine Überholspur im Netz zu kaufen – während junge Start-ups dafür kein Geld haben und benachteiligt wären.

Niemand erklärt Netzneutralität besser als John Oliver.Video: YouTube/LastWeekTonight

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass grosse Netzbetreiber wie etwa Comcast auch selbst Inhalte-Anbieter sind – und eigenen Internet-Diensten den Vorzug geben könnten. Zum Beispiel würde Netflix ausgebremst, wenn Netflix nicht bezahlt, während das eigene Streaming-Angebot bevorzugt durch das Netz fliesst. Ausserdem gibt es in vielen Regionen in den USA nur einen Breitband-Anbieter, so dass Verbraucher keine Alternative haben.

Der FCC-Vorsitzende Ajit Pai verspricht hingegen durch die Änderung höhere Investitionen in die Telekom-Infrastruktur. Er war von Präsident Donald Trump zum Chef des Gremiums gemacht worden. Die Republikaner haben dort die Mehrheit. Die beiden demokratischen Mitglieder stimmten gegen den Vorschlag.

Der von Trump ernannte Präsident der US-Kommunikationsbehörde FCC, Ajit Pai, hat Obamas Regeln zur Netzneutralität abgeschafft. 
Der von Trump ernannte Präsident der US-Kommunikationsbehörde FCC, Ajit Pai, hat Obamas Regeln zur Netzneutralität abgeschafft. bild: hackernews

Warum hat die FCC die Netzneutralität abgeschafft?

Wie fast immer geht es um Geld, sehr viel Geld. Mit dem Ende der Netzneutralität können die Provider zusätzliche Einnahmen generieren, wenn grosse Internetfirmen wie Netflix für die Netznutzung zusätzlich bezahlen müssen, damit ihre Daten (Videos, Musik etc.) störungsfrei zu den Nutzern transportiert werden. Gegner der Netzneutralität argumentieren, das Zwei-Klassen-Internet sei notwendig, da so Datenpakete zeitkritischer Dienste wie Internettelefonie gegenüber nicht-zeitkritischen Diensten wie E-Mail bevorzugt übertragen werden können. Für die bevorzugte Übertragung sollen Anbieter zeitkritischer Dienste wie etwa Internettelefonie (Skype) oder Streamingdienste (Youtube) entsprechend bezahlen.

Die Internetprovider drängen schon seit Jahren auf das Zwei-Klassen-Internet, um ihre Dienste stärker zu monetarisieren. Dies sei notwendig, um den rasant wachsenden Datenverkehr bewältigen zu können. Verfechter der Netzneutralität sagen hingegen, es gehe darum, sowohl den Internetfirmen als auch den Konsumenten das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Klage angekündigt

Vor der Entscheidung hatte es auch Wirbel um Reaktionen aus der Bevölkerung in dem Verfahren gegeben. Bürger konnten sich mit Kommentaren einbringen und Gründe für oder gegen die Abschaffung der Regeln nennen.

Der New Yorker Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman sagte, dass dieser Prozess durch Millionen gefälschter Kommentare manipuliert worden sei. Bei zwei Millionen dieser Kommentare seien gestohlene Identitäten benutzt worden.

Schneiderman und mehrere andere Generalstaatsanwälte forderten deswegen, die Abstimmung zu verschieben. Am Donnerstag kündigte er eine Klage an.

Was bedeutet Netzneutralität genau?

Was ist Netzneutralität überhaupt? Und welche Bedeutung hat ein «freies Internet» für uns Konsumenten? Die einfachste Erklärung liefert unser Video.

  • Netzneutralität bedeutet im engeren Sinn, dass Videos, Musik und Webseiten von Internetfirmen wie YouTube, Facebook, Netflix oder watson von den Internet-Providern gleich schnell über ihre Datennetze transportiert und nicht blockiert werden. Bei uns heisst dies: Die Netzneutralität würde verletzt, wenn etwa Netflix Swisscom Geld bezahlen müsste, damit Netflix gleich schnell läuft wie Streaming-Dienste von Swisscom.
  • Netzneutralität bedeutet im weiteren Sinn, dass alle Dienste im Internet von den Internet-Providern gleich behandelt werden. Auch Handy-Abos, die Apps wie WhatsApp oder Spotify nicht dem Datenguthaben belasten, während andere Apps wie Skype das Datenguthaben verbrauchen, verstossen gemäss dieser Definition gegen die Netzneutralität, da sie das Prinzip der Datengleichberechtigung verletzen.

Mehr Hintergrundinfos zur Netzneutralität

(oli/sda/dpa)

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135 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Harpist
14.12.2017 22:51registriert Oktober 2016
Ein ganz schwarzer Tag...
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Majoras Maske
14.12.2017 22:46registriert Dezember 2016
Trump, du regst mich jeden Tag mehr auf und du bist einer der wichtigsten Gründe warum unsere Welt schlechter wird. Würde man Präsidenten wie einst den Königen Beinamen geben, so wüsste ich schon genau was dein Beiname ist. Nur darf ich's leider nicht schreiben, weil das ja dir gegenüber zu herablassend sein könnte und mein Kommentar nicht freigeschaltet würde.
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andymensch
14.12.2017 22:46registriert Februar 2014
War leider absehbar.
Wenn nicht durch das FCC selbst, dann letztendlich durch den feuchten Traum eines Executive Orders.

Je nach Marktstellung gewisser kleinerer US Anbieter und Netzwerklast werden sogar wir das vielleicht selbst bis hier spüren.
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