Diese Party musste gut gewesen sein. Feiernde Studenten, ausgelassene CEOs und wohl auch Alkohol in nicht zu knappen Mengen. Ein Teil des Fussbodens war am nächsten Morgen jedenfalls derart von Zigaretten-Brandlöchern verunstaltet, dass er ersetzt werden musste. Passiert ist dies alles in der St. Galler Wohngemeinschaft von Thomas Aeschi, heute SVP-Nationalrat, damals knapp zwanzigjähriger Student an der HSG. Die Episode passt so gar nicht ins Bild, das man von jenem Mann hat, der von seiner Partei – zusammen mit dem Tessiner Norman Gobbi und dem Waadtländer Guy Parmelin – am 9. Dezember zur Wahl in den Bundesrat empfohlen wird.
Mit wem man auch spricht: Aeschi gilt als seriöser, fast schon streberhafter Politiker. Stets gut vorbereitet, akribisch in die Dossiers vertieft und mit einem Gestaltungsdrang, der an Übereifer grenzt. Wenn andere eine Frage stellen, stelle Aeschi fünf, sagt ein Parlamentarier. Die Anzahl Anträge, die er bei der Beratung von Gesetzesvorlagen in die Kommissionsarbeit einbringt, sind genauso legendär wie erfolglos – denn die meisten davon finden keine Mehrheit. Es sei das Fingerspitzengefühl, das dem smarten Zuger zuweilen abgehe, sagt ein Mitglied der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK).
Dass Aeschi im Herbst 2014, nach nicht einmal drei Jahren im Nationalrat, bereits in dieser einflussreichen Kommission Einsitz nehmen durfte, zeigt das Potenzial, das die Partei in ihm erkennt. In der Tat verlief sein politischer Aufstieg steil: Der SVP gehört er seit 2005 an, wurde 2009 Präsident der Ortspartei Baar, holte sich 2010 einen Sitz im Zuger Kantonsrat und bereits ein Jahr danach ein Mandat im nationalen Parlament. Seit diesem März ist er zudem Präsident der SVP Zug. Beruflich arbeitet er teilzeitig als Unternehmensberater, wobei er gemäss Lebenslauf «Geschäftsleitungsmitglieder in ihrer Entscheidungsfindung unterstützt». Den Vorwurf, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit auch dem amerikanischen Nachrichtendienst NSA zugedient hat, hält er für «unwahr» und «frei erfunden». Das Rüstzeug für seinen Beruf holte sich Aeschi an der HSG und der Elite-Universität Harvard, ergänzt mit Auslandsemestern in Malaysia und Israel – was unterstreicht, warum er zur «neuen Generation» der SVP gezählt wird: Intellektuell, dynamisch, weit gereist. Hemdsärmeligkeit verkörpern in der Partei bereits genügend andere.
Inhaltlich politisiert Aeschi hingegen voll auf Parteilinie. Finanzpolitisch kennt er vor allem eine Devise: Sparen. In Asylfragen fährt er die harte Linie. Ein zentrales Anliegen ist ihm das Verhältnis zur EU: Bei der Masseneinwanderungsinitiative plädiert Aeschi für eine Umsetzung, die zu einer signifikanten Reduktion der Einwanderung führt, und ist gleichzeitig überzeugt, dass die EU letztlich mit sich reden lassen wird. Sprich: Dass sie trotz Guillotine-Klausel die Bilateralen I nicht kündigen wird. «Sie hat selbst ein vitales Interesse daran. Denken Sie nur an das Landverkehrsabkommen, das die Verkehrspolitik im Alpenraum regelt», sagt er. Und was, wenn die EU doch ernst macht? Es ist für ihn gar keine Option, Aeschi antwortet nochmals mit dem gleichen Satz.
Um seinen europapolitischen Positionen Nachdruck zu verleihen, ist der 36-Jährige Mitglied im von Christoph Blocher präsidierten Komitee «gegen den schleichenden EU-Beitritt» – notabene als Gründungsmitglied. Es sind Tatsachen wie diese, aufgrund derer namhafte Stimmen im Parlament Aeschi wahlweise als «Ziehsohn» oder als «Pudel» des SVP-Übervaters bezeichnen. Ein Mitglied der WAK vermutet, dass viele seiner Anträge in der Kommission «diktiert werden». Aeschi weist die Vorwürfe von sich: «Ich habe mit Christoph Blocher in der Finanzkommission zusammengearbeitet und einiges von ihm lernen dürfen, menschlich wie politisch. Dass ich sozusagen eine Standleitung nach Herrliberg haben soll, ist aber völlig aus der Luft gegriffen. Er hätte gar nicht erst die Zeit dafür», so Aeschi. Es gebe zwischen ihnen beiden «keine regelmässigen Telefonate». Die Vorwürfe seien einzig und alleine «eine Strategie, um mich politisch anzugreifen», sagt er.
(trs)