Die berufliche Vorsorge, die sogenannte zweite Säule, blickt auf ein gutes Jahr 2013 zurück. Im Schnitt haben autonome Pensionskassen eine Anlagerendite von 6,3 Prozent erzielt. Die Vermögen der aktiv Versicherten, also der arbeitstätigen Bevölkerung, wurden im Schnitt mit 2,2 Prozent verzinst. Die Ansprüche der Rentner dagegen benötigten eine Verzinsung von 3,3 Prozent. Der Rest floss in die Reserven der Kassen.
Der Deckungsgrad stieg also wieder an. Bei den privatrechlichten Kassen auf rund 110 Prozent, bei den öffentlich-rechtlichen Kassen mit Vollkapitalisierung auf 101 Prozent und bei den Kassen mit Teilkapitalisierung auf 75 Prozent. Das geht aus den gestern veröffentlichen Ergebnissen einer gross angelegten Umfrage von Swisscanto, der Fondsgesellschaft der Kantonalbanken, hervor.
Das heisst: Die Pensionskassen haben ihre während der Finanzkrise eingebüssten Finanzpolster wieder aufgebaut. Das System der zweiten Säule sei mittlerweile wieder robust. Nicht zuletzt deshalb, weil die Kassen versicherungstechnische Parameter, die in den vergangenen Jahren vielerorts noch viel zu optimistisch angesetzt waren, angepasst haben. Der technische Zinssatz, der den erwarteten Renditen zur Berechnung der Rentenansprüche dient, rutschte sogar erstmals unter die Schwelle von drei Prozent. Und der politisch heiss umstrittene Umwandlungssatz, der für Leistungen im obligatorischen Bereich derzeit bei 6,8 Prozent liegt, beträgt im Schnitt noch 6,3 Prozent. Das heisst: Pro 100'000 Franken Alterskapital gibt es im Jahr 6300 Franken Rente.
Dass der durchschnittliche Umwandlungssatz unter den gesetzlich geforderten 6,8 Prozent liegt, hat damit zu tun, dass die meisten Kassen mehr als die obligatorischen Leistungen versichern und im überobligatorischen Bereich der Umwandlungssatz frei festgelegt werden kann.
Trotz der erzielten Fortschritte sind die tiefen Zinsen und die Überalterung der Gesellschaft weiterhin ein gravierendes Problem für die zweite Säule. Die Renten werden nämlich immer noch mit zu optimistischen Annahmen berechnet. Das führt letztlich dazu, dass die Bezüge der Rentner von den aktiven Versicherten quersubventioniert werden müssen. Swisscanto veranschlagt diesen Wert mit rund drei Milliarden Franken.
Vorsorgeexperte Martin Janssen meinte gestern an der Podiumsdiskussion anlässlich der Präsentation der Umfrageergebnisse in Zürich, dass der Quersubventionierungsbetrag in Wirklichkeit wohl noch viel höher liege. Ein Vorsorgesystem mit einem technischen Zins von 3 Prozent und einen Umwandlungssatz von 6,3 Prozent sei eine realitätsferne «Zauberwelt». Seit 1985, als die zweite Säule eingeführt wurde, habe sich die Welt fundamental verändert. Die Zinsen seien gefallen, die Lebenserwartung gestiegen. Und trotzdem seien die Renten gestiegen, wenn man auch die in dieser Zeit stark gefallene Inflation berücksichtige.
Die vom Bundesrat im Rahmen des BVG 2020 vorgeschlagene Senkung des Umwandlungssatzes auf sechs Prozent erachtet er als unzureichend. Und den Sicherheitsfonds als flankierende Massnahme der zweiten Säule als zu kompliziert. Einfacher wäre es, früher mit der Vorsorge zu beginnen, die Beiträge und das Rentenalter zu erhöhen und die versicherungstechnischen Parameter zu senken. «Das heutige System ist nicht gesund», so Janssen. «Dann wäre das System kaputt», replizierte Gewerkschaftsvertreter Jorge Sierra. Die zweite Säule sei ein soziales Projekt, das auch auf Solidarität aufbaue.