Die Trump-Regierung fürchtet seine App.
Joshua Aaron, amerikanischer Software-Entwickler mit bald 20-jähriger Erfahrung, nennt sie «ICEBlock».
Auf der eigens für die mobile Anwendung ins Leben gerufenen Website erklärt er:
Anders ausgedrückt handelt es sich um ein digitales Frühwarnsystem gegen ICE-Agenten. Immer wenn die maskierten Männer (und Frauen) irgendwo gesichtet werden, kann ihr genauer Standort schnell und anonym über das Handy gemeldet werden.
Was Joshua nicht erwartet hätte, ist die ungeheure Popularität, die seine einfache App in den Vereinigten Staaten inzwischen erreicht hat. Doch bevor wir zur Funktionsweise von ICEBlock und den rechtlichen Fragen kommen, soll es um seine Motivation gehen.
Während einer Live-Schaltung im amerikanischen Fernsehen erklärte Joshua Aaron Anfang Juli:
Wie der Entwickler betont, verfolgt er mit ICEBlock gemeinnützige Zwecke und bietet die App gratis an.
Ja. Es sieht ganz danach aus. Auch wenn das US-Justizministerium derzeit nach einer Möglichkeit suchen dürfte, die ICEBlock-App zu verbieten.
Gemäss Joshua Aaron lautet das Konzept der Anwendung: «Informieren, nicht behindern».
Der Software-Entwickler erklärt:
Aaron versichert, die App verstosse nicht gegen die geltenden Gesetze. Und er beruft sich auf die verfassungsmässigen Rechte, die allen Bürgerinnen und Bürgern der Vereinigten Staaten von Amerika zustehen.
Konkret führt er den ersten Verfassungszusatz ins Feld, der den Informationsaustausch garantiert. Man könnte auch sagen, der App-Entwickler schlägt die Trump-Regierung mit ihren eigenen Waffen. Erinnert sei etwa an den US-Vizepräsidenten J.D. Vance oder an den Trump-Finanzier Elon Musk. Beide haben sich wiederholt und öffentlich gegen staatliche Zensur und den freien Austausch von Informationen ausgesprochen.
Menschen mit Verhaftung zu bedrohen, weil sie ihre Rechte gemäss dem ersten Verfassungszusatz ausüben, sei «zutiefst illegal und verfassungswidrig», zitiert «Wired» einen bekannten Bürgerrechtsanwalt.
Die US-Heimatschutzministerin Kristi Noem verunglimpfte die App als «Behinderung der Justiz». Todd Lyons, kommissarischer Direktor des ICE, beklagte sich über die Berichterstattung der Medien, einen CNN-Bericht bezeichnete er als «rücksichtslos und unverantwortlich».
Der US-Nachrichtensender erwiderte:
Tatsächlich ist die «Gratiswerbung» durch die US-Medien nicht von der Hand zu weisen – der Streisand-Effekt lässt grüssen. Ende Juni, als CNN das Thema aufgriff, hatte ICEBlock um die 20'000 User. Über Nacht stieg die Popularität sprunghaft an und die App kletterte auf Platz 1 der kostenlosen «Social Networking»-Apps im App Store. Wochen später waren es schon über 400'000.
Aaron zeigte sich sehr zufrieden:
Den Vorwurf der Trump-Regierung, die App gefährde die ICE-Beamten bei ihren Einsätzen, wies Joshua Aaron in weiteren Interviews mit US-Medien zurück. Die von den Staatsvertretern geäusserten Zahlen zum Anstieg von Attacken seien widersprüchlich und unbelegt.
Wie Aaron wiederholt erklärt hat, soll die ICEBlock-App nicht die Strafverfolgungsbehörden behindern, sondern vielmehr allen interessierten Menschen dabei helfen, Begegnungen mit ICE-Agenten zu vermeiden.
Soweit ihm bekannt sei, habe die Trump-Regierung bislang keinen Druck auf Apple ausgeübt, ICEBlock aus dem App Store zu entfernen, erklärte er weiter.
Eine reale Gefährdung der US-Beamten könnte viel eher durch anonyme Websites wie ICEspy.org gegeben sein. Dort lassen sich Fotos von mutmasslichen ICE-Agenten hochladen, um sie zu identifizieren. Mithilfe von Gesichtserkennungs-Software werden die Bilder mit Fotos bekannter ICE-Mitarbeiter auf Linkedin verglichen.
ICEBlock ist gemäss App-Entwickler Joshua Aaron nach dem Vorbild von Waze konzipiert. Die Navigations-App sorgte einst mit innovativem Ansatz für Aufsehen. Die User konnten in Echtzeit zusätzliche Verkehrsinformationen übermitteln und sich an der fortlaufenden Verbesserung des Kartenmaterials beteiligen.
Die ICEBlock-User können eine virtuelle Stecknadel auf einer Karte anbringen, die anzeigt, wo sich ICE-Agenten aufhalten. Optional können sie Bemerkungen anfügen, etwa zur Kleidung der Beamten oder zum Fahrzeugtyp. Andere User im Umkreis von acht Kilometern (fünf Meilen) erhalten daraufhin eine Push-Mitteilung über die Sichtung und können noch rechtzeitig ausweichen.
Und es wird folgender Hinweis angezeigt:
Nach vier Stunden wird alles automatisch gelöscht. Zudem müssen aktive Nutzerinnen und Nutzer zwischen Postings mindestens fünf Minuten warten.
Diese und weitere technische Vorkehrungen sollen ICEBlock vor bösartigen Attacken schützen. Auf Elon Musks X und auf weiteren Social-Media-Plattformen haben Trump-Anhänger wiederholt dazu aufgerufen, die App mit falschen Informationen zu überfluten.
Wie das unabhängige US-Medium Straight Arrow News berichtete, ist nicht klar, ob ICEBlock so tatsächlich überlastet werden konnte. Anfang Juli sei die Website auch von einem mutmasslichen Server-Überlastungsangriff (DDoS) getroffen worden. Ohne spürbare Folgen.
Vor Jahren hat Google das von einem israelischen Start-up entwickelte Waze übernommen. Und damit hat es sich auch mit den Gemeinsamkeiten. Denn: Joshua Aaron hat ICEBlock dermassen datenschutzfreundlich und sicher konzipiert, dass er die App nicht mit gutem Gewissen für das Android-Betriebssystem anbieten kann.
Auf der App-Website hat Aaron eine ausführliche Erklärung zum Problem veröffentlicht. Darin heisst es:
Im Gegensatz zu Android ermögliche das Apple-Ökosystem den Versand von Push-Benachrichtigungen, ohne dass man heikle Informationen speichern müsse. Dies gewährleistet gemäss dem ICEBlock-Entwickler die vollständige Anonymität und Sicherheit der User.
Wie die Schweiz gehören auch die USA zu den Ländern, in denen Apple mit dem iPhone Marktführerin ist. Wegen des angestrebten Nutzens der ICEBlock-App ist es störend, dass es keine Android-Version gibt. Denn gerade bei Migrantinnen und Migranten, die zu den einkommensschwachen Schichten gehören dürften, sind günstige Android-Mobilgeräte relativ weit verbreitet.
Es verwundert nicht, dass inzwischen nicht autorisierte App-Versionen im Netz aufgetaucht sind. Doch damit stellen sich grössere Sicherheitsprobleme. So könnten etwa Cyberkriminelle ahnungslose User dazu bringen, bösartig manipulierte Software zu installieren.
Der ICEBlock-Entwickler warnt:
Stattdessen wird allen Interessierten geraten, für wenig Geld ein gebrauchtes iPhone zu kaufen.
Im Prinzip schon. Allerdings ist ICEBlock nur im US-amerikanischen App Store verfügbar. USA-Reisende müssten also ihre Apple-Account-Einstellungen ändern, was mit beträchtlichen Komplikationen verbunden ist.
Hoffentlich wird die App ein voller Erfolg und stösst vielleicht auch einen Sinneswandel an, bezüglich diverser Aspekte bei der ICE.