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ICEBlock: iPhone-App warnt Amerika vor dem Terror durch ICE-Agenten

Teaserbild ICEBlock App
Gegen Trumps maskierte Polizeibehörde wächst der Widerstand.Bild: watson / imago-images.de
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Wie eine einfache App Trumps ICE-Agenten alt aussehen lässt

Joshua Aaron wollte nicht länger mitansehen, wie Trumps Geheimpolizei einfache Leute auf der Strasse terrorisiert. Und so lancierte der amerikanische App-Entwickler «ICEBlock» – und startete durch.
10.07.2025, 18:0111.07.2025, 08:08
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«Die App war der beste Weg, den ich mir vorstellen konnte, um zurückzuschlagen.»
Joshua Aaron

Die Trump-Regierung fürchtet seine App.

Joshua Aaron, amerikanischer Software-Entwickler mit bald 20-jähriger Erfahrung, nennt sie «ICEBlock».

Screenshot der Website der ICEBlock-App (10. Juli 2025)
«Sieh etwas, tippe etwas an.»Screenshot: iceblock.app

Auf der eigens für die mobile Anwendung ins Leben gerufenen Website erklärt er:

«ICEBlock ist eine innovative, vollständig anonyme Crowdsourced-Plattform, die es den Usern ermöglicht, Aktivitäten der Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) mit nur zwei Fingertipps auf ihrem Handy zu melden.»

Anders ausgedrückt handelt es sich um ein digitales Frühwarnsystem gegen ICE-Agenten. Immer wenn die maskierten Männer (und Frauen) irgendwo gesichtet werden, kann ihr genauer Standort schnell und anonym über das Handy gemeldet werden.

Was Joshua nicht erwartet hätte, ist die ungeheure Popularität, die seine einfache App in den Vereinigten Staaten inzwischen erreicht hat. Doch bevor wir zur Funktionsweise von ICEBlock und den rechtlichen Fragen kommen, soll es um seine Motivation gehen.

Warum tut er das?

Während einer Live-Schaltung im amerikanischen Fernsehen erklärte Joshua Aaron Anfang Juli:

«Als ich sah, was in diesem Land passiert, nachdem ich das ‹Project 2025› gelesen hatte, nachdem ich die erste Amtszeit von Trump beobachtet und natürlich seine Wahlkampfrhetorik auf dem Weg zur zweiten Amtszeit gehört hatte, musste ich etwas tun, um mich zu wehren.

Wissen Sie, ich bin in einem jüdischen Haushalt aufgewachsen und in dieser Gemeinschaft hatte ich die Möglichkeit, Holocaust-Überlebende zu treffen und alles über die Geschichte Nazi-Deutschlands und Hitlers Machtübernahme zu lernen.

Und wenn wir dann sehen, wie heute Fünfjährige ohne Vertretung in Gerichtssälen sitzen, wenn wir sehen, wie Studierende wegen ihrer politischen Überzeugungen verschwinden. Schlimmer noch, wenn wir sehen, wie in diesem Land im Namen des Patriotismus Babys aus den Armen ihrer schreienden Mütter gerissen werden, dann glaube ich wirklich, dass wir gerade mitverfolgen, wie sich die Geschichte wiederholt.

Und wissen Sie, ICEBlock war der beste Weg, den ich mir vorstellen konnte, um zurückzuschlagen.»

In diesem sehenswerten Interview mit dem US-Nachrichtensender MSNBC spricht Joshua Aaron über die App und seine Beweggründe:

Wie der Entwickler betont, verfolgt er mit ICEBlock gemeinnützige Zwecke und bietet die App gratis an.

Ist das legal?

Ja. Es sieht ganz danach aus. Auch wenn das US-Justizministerium derzeit nach einer Möglichkeit suchen dürfte, die ICEBlock-App zu verbieten.

Gemäss Joshua Aaron lautet das Konzept der Anwendung: «Informieren, nicht behindern».

Joshu Aaron, amerikanischer App-Entwickler, ICEBlock-App.
Joshua Aaron.Screenshot: YouTube

Der Software-Entwickler erklärt:

«Ich wusste, worauf ich mich einlasse, als ich die App erstellte. Und ich habe mit mehreren Verfassungsrechtlern und Strafverteidigern gesprochen, bevor ich sie veröffentlichte.»

Aaron versichert, die App verstosse nicht gegen die geltenden Gesetze. Und er beruft sich auf die verfassungsmässigen Rechte, die allen Bürgerinnen und Bürgern der Vereinigten Staaten von Amerika zustehen.

Konkret führt er den ersten Verfassungszusatz ins Feld, der den Informationsaustausch garantiert. Man könnte auch sagen, der App-Entwickler schlägt die Trump-Regierung mit ihren eigenen Waffen. Erinnert sei etwa an den US-Vizepräsidenten J.D. Vance oder an den Trump-Finanzier Elon Musk. Beide haben sich wiederholt und öffentlich gegen staatliche Zensur und den freien Austausch von Informationen ausgesprochen.

Menschen mit Verhaftung zu bedrohen, weil sie ihre Rechte gemäss dem ersten Verfassungszusatz ausüben, sei «zutiefst illegal und verfassungswidrig», zitiert «Wired» einen bekannten Bürgerrechtsanwalt.

Wie reagiert die Trump-Regierung?

Screenshot MSNBC-Bericht über die ICEBlock-App
Staatsvertreter versuchen, einen direkten Zusammenhang zwischen der ICEBlock-App und dem Widerstand gegen ICE-Beamte zu konstruieren.Screenshot: YouTube

Die US-Heimatschutzministerin Kristi Noem verunglimpfte die App als «Behinderung der Justiz». Todd Lyons, kommissarischer Direktor des ICE, beklagte sich über die Berichterstattung der Medien, einen CNN-Bericht bezeichnete er als «rücksichtslos und unverantwortlich».

Der US-Nachrichtensender erwiderte:

«Dies ist eine App, die für jeden iPhone-Nutzer, der sie herunterladen möchte, öffentlich zugänglich ist. Es ist nichts Illegales daran, über die Existenz dieser oder einer anderen App zu berichten, und eine solche Berichterstattung stellt auch keine Werbung oder sonstige Befürwortung der App durch CNN dar.»
quelle: srf.ch

Tatsächlich ist die «Gratiswerbung» durch die US-Medien nicht von der Hand zu weisen – der Streisand-Effekt lässt grüssen. Ende Juni, als CNN das Thema aufgriff, hatte ICEBlock um die 20'000 User. Über Nacht stieg die Popularität sprunghaft an und die App kletterte auf Platz 1 der kostenlosen «Social Networking»-Apps im App Store. Wochen später waren es schon über 400'000.

Aaron zeigte sich sehr zufrieden:

«Ich bin so unglaublich dankbar, dass diese kleine Idee so populär geworden ist. Alles, was ich tun wollte, war, Menschen zu schützen und Widerstand gegen diese Abwärtsspirale zum Autoritarismus zu leisten.»

Den Vorwurf der Trump-Regierung, die App gefährde die ICE-Beamten bei ihren Einsätzen, wies Joshua Aaron in weiteren Interviews mit US-Medien zurück. Die von den Staatsvertretern geäusserten Zahlen zum Anstieg von Attacken seien widersprüchlich und unbelegt.

Wie Aaron wiederholt erklärt hat, soll die ICEBlock-App nicht die Strafverfolgungsbehörden behindern, sondern vielmehr allen interessierten Menschen dabei helfen, Begegnungen mit ICE-Agenten zu vermeiden.

Soweit ihm bekannt sei, habe die Trump-Regierung bislang keinen Druck auf Apple ausgeübt, ICEBlock aus dem App Store zu entfernen, erklärte er weiter.

Eine reale Gefährdung der US-Beamten könnte viel eher durch anonyme Websites wie ICEspy.org gegeben sein. Dort lassen sich Fotos von mutmasslichen ICE-Agenten hochladen, um sie zu identifizieren. Mithilfe von Gesichtserkennungs-Software werden die Bilder mit Fotos bekannter ICE-Mitarbeiter auf Linkedin verglichen.

Wie funktioniert die ICEBlock-App?

ICEBlock ist gemäss App-Entwickler Joshua Aaron nach dem Vorbild von Waze konzipiert. Die Navigations-App sorgte einst mit innovativem Ansatz für Aufsehen. Die User konnten in Echtzeit zusätzliche Verkehrsinformationen übermitteln und sich an der fortlaufenden Verbesserung des Kartenmaterials beteiligen.

Screenshots zur iPhone-App ICEBlock (Juli 2025)
Screenshot: Apple

Die ICEBlock-User können eine virtuelle Stecknadel auf einer Karte anbringen, die anzeigt, wo sich ICE-Agenten aufhalten. Optional können sie Bemerkungen anfügen, etwa zur Kleidung der Beamten oder zum Fahrzeugtyp. Andere User im Umkreis von acht Kilometern (fünf Meilen) erhalten daraufhin eine Push-Mitteilung über die Sichtung und können noch rechtzeitig ausweichen.

Und es wird folgender Hinweis angezeigt:

«Bitte beachten Sie, dass diese App ausschliesslich zu Informations- und Benachrichtigungszwecken dient. Sie darf nicht dazu verwendet werden, Gewalt anzustiften oder die Strafverfolgung zu behindern.»

Automatisch gelöscht

Nach vier Stunden wird alles automatisch gelöscht. Zudem müssen aktive Nutzerinnen und Nutzer zwischen Postings mindestens fünf Minuten warten.

Diese und weitere technische Vorkehrungen sollen ICEBlock vor bösartigen Attacken schützen. Auf Elon Musks X und auf weiteren Social-Media-Plattformen haben Trump-Anhänger wiederholt dazu aufgerufen, die App mit falschen Informationen zu überfluten.

Wie das unabhängige US-Medium Straight Arrow News berichtete, ist nicht klar, ob ICEBlock so tatsächlich überlastet werden konnte. Anfang Juli sei die Website auch von einem mutmasslichen Server-Überlastungsangriff (DDoS) getroffen worden. Ohne spürbare Folgen.

Vor Jahren hat Google das von einem israelischen Start-up entwickelte Waze übernommen. Und damit hat es sich auch mit den Gemeinsamkeiten. Denn: Joshua Aaron hat ICEBlock dermassen datenschutzfreundlich und sicher konzipiert, dass er die App nicht mit gutem Gewissen für das Android-Betriebssystem anbieten kann.

Warum gibt es ICEBlock nur fürs iPhone?

Auf der App-Website hat Aaron eine ausführliche Erklärung zum Problem veröffentlicht. Darin heisst es:

«Unsere Anwendung ist so konzipiert, dass sie grösstmögliche Anonymität bietet, ohne dass Benutzerdaten gespeichert oder Profile erstellt werden. Wir verstehen zwar den Wunsch nach einer Android-Version von ICEBlock, aber dieses Mass an Anonymität ist bei Android wegen der Anforderungen von Push-Benachrichtigungs-Diensten nicht realisierbar.»

Im Gegensatz zu Android ermögliche das Apple-Ökosystem den Versand von Push-Benachrichtigungen, ohne dass man heikle Informationen speichern müsse. Dies gewährleistet gemäss dem ICEBlock-Entwickler die vollständige Anonymität und Sicherheit der User.

Wie die Schweiz gehören auch die USA zu den Ländern, in denen Apple mit dem iPhone Marktführerin ist. Wegen des angestrebten Nutzens der ICEBlock-App ist es störend, dass es keine Android-Version gibt. Denn gerade bei Migrantinnen und Migranten, die zu den einkommensschwachen Schichten gehören dürften, sind günstige Android-Mobilgeräte relativ weit verbreitet.

Es verwundert nicht, dass inzwischen nicht autorisierte App-Versionen im Netz aufgetaucht sind. Doch damit stellen sich grössere Sicherheitsprobleme. So könnten etwa Cyberkriminelle ahnungslose User dazu bringen, bösartig manipulierte Software zu installieren.

Der ICEBlock-Entwickler warnt:

«Wir haben unautorisierte Vertriebskanäle entdeckt, die scheinbar eine Android-Version von ICEBlock anbieten. Bitte beachten Sie, dass diese nicht von uns genehmigt sind.»

Stattdessen wird allen Interessierten geraten, für wenig Geld ein gebrauchtes iPhone zu kaufen.

«Die App ist nur 2,3 MB gross und läuft unglaublich gut auf Geräten bis zurück zum iPhone XR. Diese Geräte sind oft gebraucht für etwa 50 Dollar oder weniger zu finden.»

Gibt's die ICEBlock-App für USA-Reisende?

Im Prinzip schon. Allerdings ist ICEBlock nur im US-amerikanischen App Store verfügbar. USA-Reisende müssten also ihre Apple-Account-Einstellungen ändern, was mit beträchtlichen Komplikationen verbunden ist.

Quellen

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79 Kommentare
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8ooyah
10.07.2025 18:35registriert Januar 2025
Definitiv der bessere Kandidat für einen Friedensnobelpreis als dieser nichtsnutzige Orangenkopf.
31710
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P.Rediger
10.07.2025 18:32registriert März 2018
Das nenne ich doch mal einen kreativen Ansatz von zivilem Ungehorsam.
25011
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cille-chille
10.07.2025 18:53registriert Mai 2014
Das lese ich gerne und ich kann Joshua Aaron gut verstehen.

Hoffentlich wird die App ein voller Erfolg und stösst vielleicht auch einen Sinneswandel an, bezüglich diverser Aspekte bei der ICE.
1996
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