«Dare to be different» – dies war das Motto von Sigi von Koeding, besser bekannt unter seinem Pseudonym Dare. Der Basler Graffiti-Künstler prägte die Sprayer-Szene nachhaltig, nicht nur im Dreiländereck sondern in vielen Teilen der Welt. Seine Freunde und Bewunderer huldigen ihm auch fünf Jahre später noch: Bei der Zug-Einfahrt zum Bahnhof SBB, der europaweit bekannten «Basel Line», stellten sie im Frühling eine Plastik mit seinem Schriftzug auf. Gehalten in Orange, genauer: «085 Dare Orange», dem nach ihm benannten Farbton eines deutschen Spraydosen-Herstellers.
Im kürzlich erschienenen Street Art-Führer der Region Basel (siehe Infobox) ist Dare ein eigenes Kapitel gewidmet. Dort steht: «Über 50'000 Mal schreibt, malt oder zeichnet der Basler nach eigener Schätzung die vier Buchstaben seines Künstlernamens und entwickelt einen einzigartigen Style, der als künstlerische Orientierungshilfe und qualitative Messlatte für viele andere Writer gilt.»
In diesem Buch wird auch sein Leben nachgezeichnet, wie der gelernte Schriftenmaler als erster Graffiti-Künstler der Schweiz 1990 den Schritt in die Selbständigkeit wagt, wie er in der Folge Sprayer zwischen New York und Paris vernetzt und wie er 2007 zusammen mit Ata Bozaci gar das Anwesen von Gunter Sachs am Wörthersee verziert. Zu Beginn seiner Selbstständigkeit trugen ihm Auftragsarbeiten vereinzelte Sell-Out-Vorwürfe ein. Diese Stimmen verstummten jedoch bald, zu gross war der Respekt vor dem Idol.
Dare beeinflusste auch andere Sparten der Kunst. Joel Gernet von der Rap-Kombo Brandhärd berichtet über ein Treffen mit Dare in seiner Jugend: «Ich hatte einmal eine kurze Begegnung mit ihm als er in einem Sprayer-Geschäft beim Bahnhof Pratteln oder Muttenz gearbeitet hatte und ich so circa 1995 als kleiner Hosenscheisser – damals Sprayer statt Rapper – bei ihm Dosen einkaufen war. Ich getraute mich kaum, Ihn anzusprechen – schliesslich hinterliess er mir sogar eine Dare-Skizze in meinem Blackbook – ich hätte platzen können vor Stolz. Die Eleganz seiner Buchstaben, der Schwung seiner Schriftzüge, die Harmonie seiner Bilder und Farben – Dare war immer einzigartig und stach krass heraus. Sein Status als Graffiti-Godfather ist meines Erachtens deshalb mehr als verdient.»
Auf dem Album «Blackbox» widmeten Brandhärd Dare einen Song:
Stefan Winterle lernte Dare beim Besprayen einer Fabrik in Weil am Rhein (D) kennen und trat seine Nachfolge als Kurator in der von Dare mitgegründeten Carhartt Gallery an, die heute Colab Gallery heisst. «Sigi hatte eine Harmonie in seinem Schriftzug, die oft kopiert wurde und dennoch schwer zu erreichen ist. Er sprach oft vom Gleichgewicht in seiner Schrift, welche immer gut leserlich war», sagt Winterle.
2010 starb Sigi von Koeding – nur zwei Monate nachdem er die Diagnose Hirntumor erhalten hatte. Bislang überdauern seine Kunstwerke sowie die Referenzen seiner Weggefährten sein Leben. Das gilt jedoch nicht für die erwähnte Plastik: Sie wurde zerstört. Wer auf dem Weg von Olten nach Basel in den Bahnhof einfährt, sieht nur noch die Bruchstücke. Wie es dazu kam, ist unklar. Die SBB sagt auf Anfrage, dass sie damit nichts zu tun habe, vielleicht war es die Witterung.
Letzten Endes spielt dies wohl auch kaum eine Rolle. Von Koeding war sich der Vergänglichkeit von Street Art bewusst, wie Berufskollege Smash 137 einmal in einem Artikel der BaZ sagte: «Auch Dare war der Meinung, dass seine Bilder im öffentlichen Raum nicht für die Ewigkeit geschaffen sind.» Dennoch sagt Winterle: «Bis jetzt wurde noch kein einziges Bild von Sigi übermalt.»