Eine halbe Woche nach dem Fährunglück vor der südkoreanischen Küste haben Rettungstaucher erstmals Leichen aus dem Innern des gesunkenen Schiffs geborgen. Insgesamt seien 23 Tote aus dem Wrack gezogen worden, teilte die Küstenwache am Sonntag mit. Damit stieg die Zahl der geborgenen Todesopfer auf 56.
Noch vermisst werden 246 Menschen, die meisten von ihnen Schüler. Sie waren mit ihren Lehrern unterwegs auf einem Ausflug zu einer Ferieninsel gewesen. Für die Vermissten besteht nach Auskunft der Einsatzleitung kaum noch Hoffnung. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass sie in dem Wrack ertrunken sind. Es war das erste Mal, dass die Taucher in den Passagierbereich der gekenterten Fähre vordringen konnten.
Zuvor hatten sie wegen der starken Strömung und schlechter Sicht im trüben Wasser nur die Frachträume erreicht. Sie schlugen am Samstag kurz vor Mitternacht Ortszeit ein Fenster des Wracks ein und zogen die ersten drei Leichen aus einem Kabinendeck. Die Taucher konnten mehrere Taue fixieren, die ihnen bei der Orientierung im Schiffsinneren halfen.
Die Bergung dürfte dadurch nun schneller vorankommen, sagte ein Vertreter der Küstenwache auf einer Pressekonferenz im Rettungszentrum der Hafenstadt Jindo. Erst wenn die Leichen geborgen sind, werde versucht, die Fähre mit Kränen zu heben.
Die «Sewol» war am Mittwoch mit 476 Menschen an Bord – darunter 339 Schüler und Lehrer – in Seenot geraten und gesunken. 174 Menschen wurden gerettet. Am Samstag kam nach Marineangaben zudem ein Matrose ums Leben, der sich auf einem Suchboot befand. Unglücksursache unklar Warum die Fähre verunglückte, ist bislang unklar.
Der 69-jährige Kapitän und zwei weitere Besatzungsmitglieder wurden festgenommen. Die Ermittler untersuchen, ob ein Versagen der Besatzung vorlag oder das Schiff falsch beladen war. Bei ruhigem Wetter war es nach einer Wende stark in Schlagseite geraten. Es dauerte dann noch zwei Stunden, bis die Fähre kenterte.
Trotz der Gefahrenlage wurden die Passagiere angewiesen, in ihren Kabinen zu bleiben. Der Kapitän hat nach eigener Darstellung aus Sicherheitsgründen mit der Anweisung der Evakuierung gezögert. Er habe befürchtet, dass die starke Strömung vor allem die Jugendlichen hätte wegspülen können.
Zeugen hatten allerdings berichtet, er habe als einer der ersten das sinkende Schiff verlassen. Zum Zeitpunkt des Kenterns war der Kapitän nicht auf der Kommandobrücke. Am Steuer des 20 Jahre alten Schiffes befand sich die ebenfalls festgenommene dritte Offizierin, die erstmals durch die Gewässer fuhr.
Die Untersuchungshaft sollte auf bis zu 30 Tage ausgeweitet werden. «Wir versuchen herauszufinden, ob es weitere Pflichtverletzungen gab», sagte Staatsanwalt Yang Joong Jin. Unter den in Jindo ausharrenden Angehörigen der Vermissten wuchsen Verzweiflung und Wut.
Das langsame Tempo der Bergung und die häufig wechselnden Informationen zehrten an ihren Nerven. Es kam sogar zu einem Zusammenstoss mit der Polizei. Als etwa 100 Angehörige die Ferieninsel über eine Brücke verlassen wollten, um in der Hauptstadt Seoul zu protestieren, wurden sie von Polizisten zur Umkehr gezwungen. (dwi/sda/reu)