Am 18. Mai sollen die Schweizer über den Mindestlohn abstimmen, und schon jetzt kann kaum einer ein gutes Nasenhaar dran finden: Er schade all den Leuten, die aus kulturellen oder religiösen Gründen keine hohen Gehälter beziehen dürfen, er verringere den Kundenstamm von «Migros Budget» und mache die Schweiz überdies für Zuwanderer noch einmal um ein Vielfaches attraktiver als ohnehin schon (Honigtopf-Argument). Dabei ist dies lediglich eine Frage der Umsetzung – und der Zielgruppe.
Der nun in Deutschland geplante Mindestlohn zum Beispiel strotzt nur so vor Ausnahmeregelungen: Er gilt derzeit nur für die Branchen der Leimsieder, Bänkelsänger, Bratscher, Montgolfieren-Heizer, Fusshaarfriseure und selbständige Gabelstaplerfahrer unter fünfzig. Kriegswichtige Unternehmen bleiben hingegen ebenso verschont wie klassische Niedriglohnjobs: Erzieherinnen, Krankenschwestern, Bayerntrainer. Diese Berufsgruppen sollen nach dem Willen Merkels allerdings einen neuen Arbeitsanreiz erhalten, indem ein Drittel ihres Lohns an die DAX- Entwicklung gekoppelt wird. So hat jede noch so kleine Friseurin die Chance, die Scherchen auch mal ein bisschen schneller klappern zu lassen – zum Wohle des eigenen Geldbeutels und des Bruttosozialprodukts.
Überhaupt ist die hohe Zeit der Ausnahme-Gesetzgebung angebrochen: Die von der deutschen Familienministerin Schwesig forcierte Frauenquote gilt für umgerechnet etwa dreissig Frauen, von denen demnächst zwei auch noch in Rente gehen. Und auch hier ist der Ermessensspielraum gross, denn laut Leitlinie fallen auch Männer mit langen Haaren, Ohrringen oder weibisch klingenden Vornamen («Ijoma Mangold») unter die Quote. Motto: Eine Frau ist, was man draus macht! Selbst die mit grossem Elan angekündigte Energiewende wurde mittlerweile durch eine freiwillige Flexiquote ersetzt, bei der die grossen Atomkonzerne sich verpflichten, jeden Monat eine selbst festgelegte Anzahl Windräder in ihren Werbespots zu zeigen. Zudem sind sie gehalten, den von ihren Kraftwerksanlagen benötigten Hausstrom ausschliesslich aus regenerativen Energien zu beziehen.
Es bleibt nur eine Konsequenz: Künftige Gesetzesinitiativen müssen generell von begleitenden Ausnahmeinitiativen flankiert werden. Jeder Bürger muss selbst entscheiden können, ob ein neues Gesetz für ihn Gültigkeit hat oder ihm gerade nicht so gut in den Kram passt. Möglich wäre dies z.B. durch eine chipbasierte Legi-Card, in welcher man bis zu zehn Paragraphen eintragen kann, die einen nicht so begeistern. Denn was schliesslich ist eine Demokratie wert, wenn man keine Wahl hat?