Accra / Ghana (den). Edward kann sein Glück kaum fassen. Der 8-Jährige zieht nervös an einer selbstgedrehten Zigarette. Heute ist der Tag, an dem ein Lastwagen eine Ladung alter iPhones auf der Müllkippe in der Nähe seines Slums abladen soll. iPhones, die bis vor kurzem noch in den Hosentaschen privilegierter Europäer steckten. «Wenn wir Glück haben, funktioniert eines von ihnen», sagt der Junge mit funkelnden Augen. «Und selbst wenn nicht. Ich habe gehört, dass sich in den Dingern ganz viele Rohstoffe verbergen.»
Freudig setzt Edward einen weiteren Billigdrucker in Brand, um an das wertvolle Kupfer im Inneren zu kommen. Er sei den Menschen in Europa unendlich dankbar dafür, dass sie ihre Elektrogeräte und Handys alle sechs Monate austauschen, schwärmt der Junge. «Pro Jahr erreichen Afrika bis zu 1'000'000 Tonnen Elektrohilfsgüter. Zum Glück werden die alten Geräte in Europa und Amerika nicht fachgerecht recycelt. Wir Kinder hier auf der Müllkippe sind total auf Wäschetrockner und Röhrenfernseher angewiesen. Würden uns die Industrienationen nicht so grosszügig mit Hilfsgütern eindecken, wären wir ja alle arbeitslos und müssten in die Schule», scherzt er.
Obwohl der kleine Afrikaner pro Tag bis zu einem Franken verdient und in seiner Wellblechhütte sogar eine eigene Matratze hat, abgehoben ist er nicht. Er weiss, dass vor allem die Industriestaaten seinen Wohlstand finanzieren. Darum habe er sich mit Briefen bei 55 der 170 Länder bedankt, welche die Basler Konvention zur Vermeidung von Schrottexporten zwar unterzeichnet hätten, sich aber nicht an sie hielten. Sein Ziel sei es, jedem Mitgliedsstaat ein Dankschreiben zukommen zu lassen.
Handys enthalten den Rohstoff Coltan. Dieser wird im Kongo gewonnen. Das weiss auch der kleine Edward. «Afrikanische Kinder kratzen ihn aus der Erde. Dann wird er für die Produktion von Smartphones verkauft. Dass wir ihn Ghana jetzt dank dem ‹Recycling› gleich nochmals abkassieren dürfen, bereitet mir fast schon ein schlechtes Gewissen.»
Rolf Livit besitzt einen Recyclinghof in der Nähe von Bonn. Er schickt regelmässig Elektrohilfsgüter nach Afrika. Achtzig Prozent seiner Waschmaschinen und Kühlschränke funktionieren nicht. Ein schlechtes Gewissen plagt ihn trotzdem nicht. «Wissen Sie, so toll ist das Leben in Afrika nicht. Ziemlich heiss, viel Gewalt und die medizinische Versorgung ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Ich mach mir da keinen Kopf, wenn die Menschen in Ghana unsere Geräte verbrennen und die Giftstoffe einatmen. Älter als 35 will dort eh keiner werden. Und unser Konsumverhalten sorgt dafür, dass das auch so bleibt.»
Unterdessen ist in Ghana eine weitere Ladung Hilfsgüter eingetroffen. Edward klopft mit einer Eisenstange auf im Feuer schmorende Handys. Der 8-Jährige freut sich darauf, eines Tages selbst ein funktionierendes Smartphone zu besitzen. «Vielleicht kann ich dann im Internet herausfinden, welche Menschen uns seit Jahren diese grosszügigen Geschenke machen. Ich würde sie gerne in unsere Stadt einladen, damit sie unseren Wohlstand hautnah miterleben können.» Seine Zukunft sehe rosig aus, sagt Edward. «In ein bis zwei Jahren wird die sechste Generation des iPhones bei uns eintreffen. Das erspart mir einen Haufen Arbeit. Die Gehäuse muss ich dann nicht länger wegschmelzen. Ich habe gehört, dass man sie aufbiegen kann.»