Mein Kind wird gemobbt. Muss die Schule was tun?
Zunächst einmal: Nicht jedes Anrempeln, nicht jede Beleidigung und auch nicht jeder abschätzige Blick muss gleich Mobbing sein. Nur wenn sie Teil eines systematischen und längerfristigen Ausschliessens und Ausgrenzens eines Kindes sind, fallen diese Verhaltensweisen unter den Begriff des Mobbing und sind unzulässig, teilweise gar strafbar. Namentlich die beteiligten Erwachsenen stehen in der Verantwortung, rasch und möglichst präventiv einzugreifen.
Mobbing ist häufig, aber verboten
Die Schweiz ist europaweite Spitzenreiterin, was Mobbing im Schulumfeld angeht. An Schweizer Schulen ist ausschliessendes und ausgrenzendes Verhalten laut der PISA – Studie wie auch laut der WHO-Studie «Health Behaviour in School-aged Children» fast an der Tagesordnung: 7% der befragten 11-15-Jährigen geben in der WHO-Studie von 2022 an, 2-3 Mal monatlich Opfer von Mobbing in der Schule gewesen zu sein. Von Cybermobbing betroffen waren gar 11.4 %, Tendenz steigend.
Zwar findet sich der Begriff «Mobbing» nicht in unserem Strafgesetzbuch. Verboten sind die einzelnen dahinter stehenden Verhaltensweisen dennoch. Strafrechtlich relevant ist es beispielsweise, wenn ein Mitschüler dein Kind unter Androhung von Prügel zwingt, ihn abschreiben zu lassen. Ebenso kann das bewusste Verbreiten von Gerüchten oder falschen Anschuldigungen strafbar sein. Bei Cybermobbing sind noch weitere Delikte denkbar, so etwa ein Verstoss gegen das Pornografieverbot oder gegen das Verbot, unbefugt in ein fremdes Datenverarbeitungssystem einzudringen.
Ob es Sinn macht, Anzeige zu erstatten, hängt vom konkreten Fall ab. Jedenfalls ist die Hemmschwelle und wohl auch die Dunkelziffer gross. Am besten ist es natürlich, es kommt gar nicht erst zum Mobbing. Und hier steht namentlich die Schule in der Pflicht.
Eltern geben Obhut an die Schule ab
Grundsätzlich sind die Eltern zuständig für die Obhut über ihre Kinder. Gemäss Bundesgericht umfasst die Obhut die «Befugnis zur täglichen Betreuung des Kindes» sowie «die Ausübung der Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dessen Pflege und laufender Erziehung». Während der Schulstunden und der Pausen hat die Schule die Obhut über dein Kind und ist so auch verantwortlich für dessen körperliche und geistige Gesundheit. Beobachtet die Lehrerin Mobbingsituationen oder Vorstufen dazu, muss sie eingreifen und die Eltern aller beteiligten Kinder informieren. Die Eltern müssen «in geeigneter Weise mit der Schule» zusammenarbeiten.
Auf die Frage nun, wer schulseitig was bei Mobbing unternehmen muss, gibt es eine, wie im Schulwesen üblich, föderalistische Antwort: Das kommt auf den Kanton beziehungsweise dessen Volksschulgesetz an. Diese Gesetze regeln die Zuständigkeiten und Abläufe rund um Mobbingsituationen. Viele Kantone und Schulen haben zudem eigene Programme zur Mobbingprävention und arbeiten mit externen Fachstellen zusammen. Unternehmen die verantwortlichen Personen jedoch pflichtwidrig nichts, obwohl sie Mobbing beobachten oder darauf aufmerksam gemacht werden, können sie sich im Extremfall wegen Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber Minderjährigen strafbar machen.
Trotz Mobbing kein Recht auf Schulwechsel
Ändert sich an einer Mobbingsituation nichts, kann dies für das Kind schnell schwerwiegende und langfristige Folgen haben. Als zwei Schulkolleginnen ihre Tochter wochenlang so stark mobbten, dass deren Ärztin eine massive stressbedingte Belastungssymptomatik aufgrund des Mobbings diagnostiziert hat, entschieden sich die Eltern für einen Wechsel an eine Privatschule. Mit dem Antrag auf die Kostenübernahme durch die Gemeinde bissen die Eltern jedoch vor Bundesgericht auf Granit. Denn die Eltern hätten mit der Schule zu kooperieren und ihr länger Gelegenheit geben müssen, die Situation zu entschärfen.