Darf ich in der Schweiz wohnen, obwohl ich keine Landessprache spreche?
Seit dem 1. Januar 2019 heisst das ursprüngliche «Ausländergesetz» Ausländer- und Integrationsgesetz. Dieses bestimmt in seinem Integrationsartikel unmissverständlich: «Es ist erforderlich, dass sich Ausländerinnen und Ausländer mit den gesellschaftlichen Verhältnissen und Lebensbedingungen in der Schweiz auseinandersetzen und insbesondere eine Landessprache erlernen».
Kein Sprachnachweis bei EU-Bürgern
Versteht die eine oder die andere zugewanderte Person nur Bahnhof, wenn sie in einer Landessprache etwa nach dem Weg gefragt wird, hat dies meist dennoch seine Richtigkeit.
Denn EU-/EFTA-Staatsangehörige haben auch dann Anspruch auf eine fünfjährige Aufenthaltserlaubnis, wenn sie weder eine Landessprache sprechen noch eine solche verstehen. Sie müssen lediglich einen mindestens einjährigen Arbeitsvertrag, eine effektive selbstständige Erwerbstätigkeit oder genügende finanzielle Mittel vorweisen.
Angehörige von Drittstaaten müssen Landessprache erlernen
Für Angehörige von Drittstaaten gelten verschärfte Anforderungen. Zwar müssen auch diese nicht bei der Einreise zum Sprachtest antraben. Bevor eine solche Person aber eine Aufenthaltsbewilligung erhält, prüfen die zuständigen kantonalen Behörden grundsätzlich, ob sie in einer Landessprache das Sprachniveau A1 erreicht, also etwa einen Kaffee bestellen kann.
Ist das nicht der Fall, kann die Behörde mit der zugewanderten Person beispielsweise eine Integrationsvereinbarung abschliessen und ihr für das Erreichen des Sprachniveaus 1 eine Frist setzen oder die Verlängerung der Aufenthaltsbedingung daran knüpfen. Wie streng die Behörden bei dem Sprachnachweis sind, hängt von dem jeweiligen Kanton ab.
Niederlassungsbewilligung nur mit Sprachnachweis
Will eine ausländische Person nach fünf Jahren Aufenthalt in der Schweiz bleiben, kann sie eine unbefristete und bedingungslose Niederlassungsbewilligung beantragen, sofern sie «sich gut in der am Wohnort gesprochenen Landessprache verständigen kann». Konkret muss sie schriftlich das Niveau A1 und mündlich das Niveau B1 nachweisen. Eine Diskussion über Politik darf also ebenso wenig an der Sprache scheitern wie ein Austausch über Ernährungsgewohnheiten. Die Person muss sich also, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, in allen wichtigen Lebensbereichen landessprachlich durchschlagen können.
Kann sie das nicht, muss sie weitere fünf Jahre auf die Niederlassungsbewilligung warten. Sie tut aber gut daran, diese Zeit sinnvoll zu nutzen: Eine niederlassungswillige fremdsprachige Person sollte sich unter die Lokalbevölkerung mischen oder einen Sprachkurs besuchen. Denn die Niederlassungsbewilligung gibt es nur für diejenigen, die eine Landessprache auf dem Niveau A1 schreiben und auf dem Niveau A2 sprechen.
Für Einbürgerung gelten erhöhte Sprachanforderungen
Bei einer Einbürgerung schliesslich kommt das Bürgerrechtsgesetz zum Zuge. Dieses verlangt unabhängig von der Staatsangehörigkeit die Integration, wobei als ein Integrationskriterium die «Fähigkeit, sich im Alltag in Wort und Schrift in einer Landessprache zu verständigen» gilt. Bedeutet formell, dass die Person über das Niveau A2 im Schriftlichen und über das Niveau B1 im Mündlichen verfügen muss. Auch hier hängt es vom Kanton ab, wie streng die Anforderungen in der Praxis tatsächlich sind. Die Kantone können insbesondere weitere Integrationskriterien bestimmen und etwa verlangen, dass die einbürgerungswillige Person das erforderliche Niveau nicht nur in einer Landessprache, sondern in der am Einbürgerungsort gesprochenen Landessprache erreicht.
Etwas gar streng waren hier allerdings die Berner Behörden. Konkret trat eine Gemeinde im deutschsprachigen Teil des Kantons nicht auf ein Einbürgerungsgesuch einer Drittstaatenangehörigen ein, da diese die «nur» die französischsprachige Matura mit dem Fach «Deutsch als Fremdsprache» - wo sie eine 4 erreichte – abgelegt hatte und damit angeblich keinen genügenden Sprachnachweis für Deutsch vorlegen konnte. Das zuständige Staatssekretariat unterstützte die Gemeinde, da die Matura nicht auf der Liste der zugelassenen Sprachnachweise figuriere. Für diese Argumentation hatte das Bundesgericht deutsche und deutliche Worte übrig: «Widersprüchlich, unsachlich und stossend» sei es, die bestandene Matura nicht als Sprachnachweis anzuerkennen. Und schickte das Dossier zurück an die zuständige Behörde.
